Cumberlandsche Galerie
52.373299.74318Koordinaten: 52° 22′ 23,8′′ N, 9° 44′ 35,4′′ O
Die Cumberlandsche Galerie in Hannover war die Gemäldegalerie des Herzogs von Cumberland. Sie befand sich im Innenhof des Schauspielhauses Hannover im Stadtteil Mitte und ist über die Prinzenstraße 9 zugänglich. Heute ist von der Gemäldegalerie lediglich das Treppenhaus erhalten.
Geschichte
Die Gebäude der Galerie wurde zwischen 1883 und 1886 erbaut. Der damalige Auftraggeber war der letzte Kronprinz zu Hannover, Ernst-August zu Braunschweig-Lüneburg (1845-1923), einziger Sohn des Königs Georg V. von Hannover, der sich ab 1878 zusätzlich Herzog von Cumberland nennen ließ. Die Intention des Kronprinzen lag darin, ein Prestigeobjekt zu schaffen, das mit der Museumsinsel im damals preußischen Berlin gleichrangig sein sollte, um seine Thronansprüche zu verdeutlichen. Hintergrund war die Einverleibung des Königreichs Hannovers zu Preußen im Jahr 1866, welcher der Kronprinz mit vehementem Widerstand gegenüberstand. Auch nach dem Tod seines Vaters 1878 zog er es nicht in Erwägung, sich mit Preußen zu versöhnen. Im Gegensatz dazu beharrte er auf seine Rechte auf das Königreich Hannover und erklärte in einem offiziellen Schreiben, bis zur Verwirklichung derselben den Titel Herzog von Cumberland führen zu wollen.
Nach der initialen Idee im Jahr 1881 wurde die Cumberlandsche Galerie als Erweiterung des Museums für Wissenschaft und Kunst geplant, um die Gemäldesammlung, die Bilder des Königs Georg V., die „Hausmannsche Sammlung" und Gemälde älterer und zeitgenössischer Maler unter einem Dach zu vereinigen. Bis dahin waren die Gemälde an verschiedenen Orten verteilt und teilweise unzugänglich aufbewahrt.
Für die Erbauung der Galerie wählte Ernst-August, Herzog von Cumberland den angesehensten Architekten Hannovers, Otto Goetze (1832–1894), der das Gebäude nach dreijähriger Bauzeit fertigstellte. Das Gebäude schrieb bereits kurz nach seiner Fertigstellung Architekturgeschichte und gilt als eines der Hauptwerke des Funktionalismus im Stil der Hannoverschen Architekturschule . Typisch für diese Epoche der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts sind die sogenannten Gusseisenarchitekturen, bei dem das Baumaterial Gusseisen eine strukturelle Rolle spielt. Der Stil entwickelte sich in der Zeit der industriellen Revolution, als Gusseisen bezahlbar massengefertigt werden konnte.
Erscheint die Galerie von außen wie ein Industriebau, vereint sie im Inneren zahlreiche Epochen. So lassen Romanik (Rundbögen), Gotik (lichtdurchflutete Innenräume), Barock (reichliche Verzierungen) und Industrieprodukte des Ingenieurbaus (sichtbare Eisenträger, Bodenfliesen) das Gebäude in einem Gesamtkunstwerk erscheinen. Die Architektur ermöglichte dem Kronprinzen seine Gemälde in dem zur jeweiligen Entstehungszeit der Gemälde entsprechendem Umfeld zu präsentieren. Zeitgenössische Kritiker empfanden die Cumberlandsche Galerie mit größerer Leichtigkeit behaftet als etwa das Neue Museum in Berlin, das hinsichtlich seiner Architektur in die Zeit des Klassizismus einzuordnen ist. Zu der damaligen Zeit gehörte das Gebäude noch zum Museumsverbund, der sich rückwärtig an das 1855 von Conrad Wilhelm Hase errichtete Backsteinhaus in der Sophienstraße anschloss, welches heute als Künstlerhaus bekannt ist. Zwei Zwischenbauten aus dem Jahr 1863 und 1878 sind im Zweiten Weltkrieg durch Fliegerbomben zerstört worden, ebenso wie ein Gebäudeteil der Cumberlandschen Galerie Richtung Prinzenstraße. Als das geschah, waren die Gemälde der Familiensammlung längst in das 1902 errichtete Landesmuseum umgezogen, da der Platz nicht mehr ausreichend war. 1925 verkaufte der Herzog von Cumberland die Galerie an die Provinzialverwaltung Hannovers, ehe sie im Dritten Reich unter anderem dazu genutzt wurde, Nazi-Propaganda auszustellen
Heutige Nutzung
Nach Bombenangriffen im Zweiten Weltkrieg ist von dem einstigen Galeriegebäude heute nur das ehemalige Treppenhaus geblieben und damit ein Aufgang, der nirgends mehr hinführt. Dabei liegt der Charme der heutigen Galerie besonders in eben diesem, der mit seiner opulenten, dreiläufigen Treppe mit chorartigem Anbau und gusseisernen Stützen und breiten Stufen erhaltengeblieben ist. Die abblätternden Säulen und verschnörkelten Geländer tragen zum morbiden Charme des Gebäudes bei. Das Treppenhaus steht unter Denkmalschutz.
Heute wird die Cumberlandsche Galerie hauptsächlich für Aufführungen des Schauspiels Hannover genutzt. Die Galerie bietet mit ihren maximal 80 Plätzen eine von fünf Spielstätten neben dem Schauspielhaus, Ballhof Eins und Ballhof Zwei und der Cumberlandschen Bühne und ist architektonisch in das 1992 eröffnete Schauspielhaus als Hinterflügel integriert. Die Cumberlandsche Bühne wurde 2009 in den Räumen im Obergeschoss an der Prinzenstraße eröffnet und bietet mit ihren 200 Plätzen einen Spielort für Gegenwartsdramatik, Projekte und Adaptionen. Bis dato wurde sie lediglich als Probebühne genutzt und ermöglicht heute Aufführungen mit Kulisse. Eine weitere Besonderheit ist die variable Gestaltung der Sitzplätze, die somit eine ungewöhnliche Sicht auf das Geschehen bietet. So bot beispielsweise das Stück "Träumer" (Premiere im Oktober 2009) mit drei Perspektiven auch drei unterschiedliche Theatererlebnisse.
Im Treppenhaus der Galerie finden nur Aufführungen statt, die ohne Kulisse und Bühnenbild auskommen, um Veränderungen an dem denkmalgeschützten Gebäude zu verhindern. Die Galerie bietet hinsichtlich der begrenzten Sitzplätze eine hervorragende Möglichkeit zur Aufführung kleinerer Projekte. Das Stück „Nipplejesus" wird seit 2009 dauerhaft in dem Gebäude aufgeführt. Dabei können die verschiedenen Ebenen des Treppenhauses je nach Bedarf bespielt werden (wie etwa in „Der Hals der Giraffe") und auch das Geländer fungierte bei Aufführungen (wie beispielsweise in dem Neo-Noir-Thriller „Böser Hund") bereits als Bühnenbild. Die Stufen dienen jedoch auch häufig als Sitzplätze, wie bei der „Montagsbar", bei der Mitglieder des Ensembles des Schauspielhannover regelmäßig ihr Können abseits der Bühne unter Beweis stellen können.
Neben den Theateraufführungen finden auch Lesungen, Filmeabende und Partyveranstaltungen statt. Jeden Freitagabend findet etwa das im Jahr 2001 gegründete Partyprojekt „Calamari Moon" statt, das mit wechselnden DJs einen wöchentlichen Clubabend in den historischen Räumen ermöglicht.
Literatur
- Imre Grimm, Dirk Meußling: Das neue Hannover. Hannover 2002, S. 73.
- Klaus Mlynek: Hannover Chronik. Von den Anfängen bis zur Gegenwart: Zahlen, Daten, Fakten. Schlüter, Hnanover, 1990, S. 162.
- Helmut Knocke, Hugo Thielen: Prinzenstraße 9, in: Dirk Böttcher, Klaus Mlynek (Hrsg.): Hannover. Kunst- und Kulturlexikon. Handbuch und Stadtführer. Schäfer, Hannover 1994, ISBN 3-88746-313-7,, S. 183f.
- Peter Struck: Hannover in 3 Tagen. Ein kurzweiliger Kulturführer. Hannover 2007, S. 136.
Weblinks
- Calamari Moon – Der Club in der Cumberlandschen Galerie
- Conrad von Meding: Exklusiver Blick in die Cumberlandsche Galerie. Auf der Seite der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung vom 21. Dezember 2009.