Kraftwerk Weisweiler

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Kraftwerk Weisweiler
Kraftwerk Weisweiler, im Vordergrund der Brennstoff-Grabenbunker
Kraftwerk Weisweiler, im Vordergrund der Brennstoff-Grabenbunker
Lage
Kraftwerk Weisweiler (Nordrhein-Westfalen)
Kraftwerk Weisweiler (Nordrhein-Westfalen)
Koordinaten 50° 50′ 21′′ N, 6° 19′ 16′′ O 50.8391666666676.3211111111111Koordinaten: 50° 50′ 21′′ N, 6° 19′ 16′′ O
Land Deutschland  Deutschland
Daten
Typ Dampfkraftwerk
Primärenergie Fossile Energie
Brennstoff Braunkohle
(+ Erdgas für VGTs)
Leistung ca. 2528 Megawatt
Eigentümer RWE AG
Projektbeginn 1913
Betriebsaufnahme 1914
Turbine Dampfturbinen, Gasturbinen
Schornsteinhöhe 168 m
Eingespeiste Energie 2004 bis 2006 (Mittelwert) 17 520 GWh

Das Kraftwerk Weisweiler im Eschweiler Stadtteil Weisweiler ist ein Grundlastkraftwerk der RWE AG. Es wird mit Braunkohle befeuert, die von der RWE Power AG aus dem Tagebau Inden abgebaut wird. Über die Jahre 2004 bis 2006 gemittelt erzeugte das Kraftwerk im Jahresschnitt insgesamt 17,52 TWh Strom, wofür pro Jahr 21,75 Mio. Tonnen Braunkohle verfeuert werden mussten.[1]

Technik und Geschichte

Das Rheinische Braunkohlerevier

Am 13. Mai 1913 wurde die Kraftwerk AG Köln gegründet, die das erste Kraftwerk Zukunft in Weisweiler baute. Am 1. Juli 1914 nahm der erste Bauabschnitt den Probebetrieb mit einer Leistung von 12 MW auf. Die regelmäßige Stromlieferung erfolgte ab 1. September des gleichen Jahres. Verstromt wurde Braunkohle aus dem Tagebau Zukunft.

Im Jahr 1937 wurde der 168 m hohe Kraftwerkschornstein Der lange Heinrich gebaut. Er entwickelte sich zu einem der Wahrzeichen Weisweilers. Nach der Stilllegung während des Zweiten Weltkrieges wurden die Arbeiten am 1. Juli 1947 wieder aufgenommen. Am 25. März 1975 wurde das RWE-Kraftwerk II stillgelegt und das Kraftwerk I ausgebaut. Am 28. Juni 1978 wurde der Lange Heinrich gesprengt.

Die bis heute (Stand 2015) in Betrieb befindlichen vier Braunkohleblöcke verfügen zusammen über eine Nennleistung von ca. 1800 MW.[2] Diese Blöcke, jeweils zwei mit einer Leistung von 300 MW (Blöcke E und F) und 600 MW (Blöcke G und H) entstanden zwischen 1955 und 1975. Im Jahr 2006 gingen zusätzlich zwei erdgasgefeuerte Vorschaltgasturbinen für die Blöcke G und H in Betrieb, welche deren Leistung um je 80 MW steigerten und selbst eine Leistung von je 190 MW besitzen. Die Gasturbinen wurden aufgrund geänderter Erlössituation 2013 dauerkonserviert und aus dem aktiven Betrieb genommen.

Die erste Braunkohle aus dem Tagebau Inden wurde am 8. Dezember 1982 verstromt. In der zweiten Hälfte der 1980er Jahre wurden alle Blöcke mit Rauchgasentschwefelungsanlagen ausgestattet und ihre Kessel mit dem Ziel der Entstickung umgebaut. Seit den 1990er Jahren wurde das Kraftwerk über weitere Maßnahmen wirtschaftlicher und umweltverträglicher gestaltet: Der Wirkungsgrad der Turbinen wurde verbessert, Fernwärme ausgekoppelt und der durch die Entschwefelung entstehende Gips aufgewertet. Dieser wird allerdings seit mehreren Jahren auf einer Deponie gelagert. Es werden keine Abnehmer mehr gefunden, weil dieser Gips dunkler ist als der Gips aus den anderen Kraftwerken. Es wird weniger Kalkwasser benötigt, um den Schwefel zu binden, da in der Indener Kohle weniger Schwefel enthalten ist als in den anderen Kohlen der Umgebung.

In den Jahren von 1995 bis 1997 wurde am Standort eine Müllverbrennungsanlage errichtet (im Luftbild das blaue Gebäude links unten). Am 17. Februar 2003 wurde dort der erste Müll aus dem Kreis Düren verbrannt.

Der Netzanschluss der Blöcke F, G und H erfolgt über die Schaltanlage Oberzier auf der 380-kV-Höchstspannungsebene in das Stromnetz des Übertragungsnetzbetreibers Amprion.[3] Der Netzanschluss des Blocks E, der Vorschaltgasturbinen der Blöcke G und H sowie der Müllverbrennungsanlage erfolgt über die Schaltanlage Zukunft auf der 110-kV-Hochspannungsebene in das Stromnetz des Verteilnetzbetreibers Rhein-Ruhr Verteilnetz.[3]

Die Blöcke C und D wurden Ende 2012 stillgelegt.[4]

Legionellenbelastung

Vom August bis Oktober 2014 gab es im Kreis Düren rund 70 Erkrankungs- und Verdachtsfälle von Legionellose [5] mit einem Todesfall.[6] Derzeit wird geklärt, ob die Erkrankungen durch das Kraftwerk verursacht wurden.[7] Eine Kühlwasserprobe von Block F wies bis zu 61.500 KBE pro 100 ml Wasser auf (der Richtwert liegt bei 1.000 KBE Legionellen).[8] Das Landesumweltministerium ordnete daraufhin eine landesweite Überprüfung aller Kühltürme an[9] und brachte im Oktober über den Bundesrat eine Gesetzesinitiative ein, dass Kühlanlagen regelmäßig auf Legionellen untersucht werden müssen.[10] Der Betreiber RWE und die Bezirksregierung Köln wurden zwischenzeitlich vom Landesumweltministerium angewiesen, die Legionellen-Belastungen im Kraftwerk zu reduzieren.[11] Der am stärksten kontaminierte Block F (300 MW) wurde noch im September vorübergehend vom Netz genommen. Die Bezirksregierung Köln forderte RWE am 28. Oktober zu einer Desinfektion auf, da die Verkeimung mit 25.000 KBE Legionellen je 100 mL das Scheitern der bisherigen Maßnahmen belegte.[12] Ende November 2014 wurde im Kühlsystem eine Belastung von 275.000 Legionellen-Kolonien pro 100 Milliliter nachgewiesen. Ein gegenüber Oktober 2014 deutlich angestiegener Wert. Die danach durchgeführte chemische Reinigung des Kühlturms scheint keine Wirkung erzielt zu haben.[13] Das LANUV verbot daraufhin das Wiederhochfahren des am 31. November abgeschalteten Block F. Nach der Vorlage eines kurzfristigen Maßnahmenkonzepts zum Erreichen einer Belastung unter 50.000 KBE und langfristig 10.000 KBE wurde das Verbot aufgehoben[14] und der Block am 15. Dezember wieder hochgefahren.[15]

Emission von Schadstoffen und Treibhausgasen

Kraftwerkskritiker bemängeln am Kraftwerk Weisweiler die hohen Emissionen an Stickstoffoxiden, Schwefeloxiden, Quecksilber und Feinstaub, der Krebs erzeugende Substanzen (Blei, Cadmium, Nickel, PAK, Dioxine und Furane) enthalten kann.[16] Eine von Greenpeace bei der Universität Stuttgart in Auftrag gegebene Studie kommt 2013 zu dem Ergebnis, dass die 2010 vom Kraftwerk Weisweiler ausgestoßenen Feinstäube und die aus Schwefeldioxid-, Stickoxid- und NMVOC-Emissionen gebildeten sekundären Feinstäube statistisch zu 172 vorzeitigen Todesfällen pro Jahr führen.[17] [18] Auf der Liste der "gesundheitsschädlichsten Kohlekraftwerke Deutschlands" rangiert das Kraftwerk Weisweiler daher auf Platz 4.[19]

Außerdem stehen angesichts des Klimawandels die CO2-Emissionen in der Kritik. Braunkohlekraftwerke weisen die höchsten Kohlendioxidemissionen pro erzeugter Kilowattstunde auf, weswegen Umwelt- und Klimaschützern sie als besonders ineffizient und klimaschädlich kritisieren. Auf der im Jahr 2007 vom WWF herausgegebenen Liste der klimaschädlichsten Kraftwerke in der EU rangierte das Kraftwerk Weisweiler im Jahr 2006 auf Rang 6 in Europa und auf Rang 4 in Deutschland (1180 g CO2 pro Kilowattstunde), nach den Kraftwerken Niederaußem, Jänschwalde und Frimmersdorf. In absoluten Zahlen hatte das Kraftwerk Weisweiler im Jahre 2006 den sechsthöchsten Kohlendioxid-Ausstoß in Europa, nach dem Kraftwerk Bełchatów (Polen), den drei genannten Kraftwerken in Deutschland und dem Kraftwerk Drax in England.[20] Im Jahr 2007 war der Kohlendioxidausstoß des Kraftwerks Weisweiler laut BUND der dritthöchste der Kraftwerke in Deutschland.[1]

Das Kraftwerk Weisweiler meldete folgende Emissionen im europäischen Schadstoffregister "PRTR":

Emissionen des Kraftwerks Weisweiler laut PRTR [21]
Luftschadstoff 2007 2008 2009 2010 2011 2012
Kohlendioxid (CO2) 19.885.000.000 kg 21.615.900.000 kg 19.202.000.000 kg 19.896.000.000 kg 19.300.000.000 kg 20.200.000.000 kg
Stickstoffoxide (NOx/NO2) 13.020.900 kg 13.418.600 kg 12.297.900 kg 12.706.800 kg 12.100.000 kg 13.400.000 kg
Kohlenmonoxid (CO) 9.990.000 kg 10.100.000 kg 8.780.000 kg 9.920.000 kg 9.950.000 kg 9.830.000 kg
Schwefeldioxide (als SOx/SO2) 3.757.700 kg 3.939.900 kg 3.364.900 kg 3.064.100 kg 3.570.000 kg 4.630.000 kg
Feinstaub (PM10) 374.000 kg 519.002 kg 396.000 kg 456.000 kg 404.000 kg 391.000 kg
Anorganische Chlorverbindungen (als HCl) 95.246 kg 125.477 kg 85.706 kg 42.872 kg 54.800 kg 104.000 kg
Anorganische Fluorverbindungen (als HF) 6.400 kg - - - - 8.360 kg
Quecksilber und Verbindungen (als Hg) 439 kg 412 kg 276 kg 271 kg 363 kg 299 kg
Zink und Verbindungen (als Zn) 284 kg 299 kg 271 kg 281 kg 273 kg 290 kg
Kupfer und Verbindungen (als Cu) 122 kg 484 kg - 147 kg 182 kg 244 kg
Chrom und Verbindungen (als Cr) - - - - - 154 kg
Nickel und Verbindungen (als Ni) - - - 103 kg 108 kg -
Arsen und Verbindungen (als As) 36,3 kg - - 67,0 kg 40,0 kg 38,0 kg
Cadmium und Verbindungen (als Cd) - 13,0 kg - - 35,0 kg -

Weitere typische Schadstoffemissionen wurden nicht berichtet, da sie im PRTR erst ab einer jährlichen Mindestmenge meldepflichtig sind, z.B. Dioxine und Furane ab 0,0001 kg, Cadmium ab 10 kg, Arsen ab 20 kg, Chrom ab 100 kg, Blei ab 200 kg, Fluor und anorganische Fluorverbindungen ab 5.000 kg, Ammoniak sowie Lachgas (N2O) ab 10.000 kg, flüchtige organische Verbindungen außer Methan (NMVOC) ab 100.000 kg.[22]

Die Europäische Umweltagentur hat die Kosten der Umwelt- und Gesundheitsschäden der 28.000 größten Industrieanlagen in der Europa anhand der im PRTR gemeldeten Emissionsdaten mit den wissenschaftlichen Methoden der Europäischen Kommission abgeschätzt.[23] Danach verursacht das Kraftwerk Weisweiler (dort „Eschweiler" genannt) die neunthöchsten Schadenskosten aller europäischen Industrieanlagen.[24]

Umwelt- und Gesundheitsschäden[24]
Verursacher Schadenskosten Einheit Anteil
Kraftwerk Weisweiler 824 - 1135 Millionen Euro 0,7 - 0,8 %
Summe 28.000 Anlagen 102 - 169 Milliarden Euro 100 %

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. a b http://www.bund-nrw.de/themen_und_projekte/braunkohle/braunkohlekraftwerke/kraftwerk_weisweiler/
  2. http://www.rwe.com/web/cms/de/60142/rwe-power-ag/standorte/kw-weisweiler/
  3. a b Kraftwerksliste Bundesnetzagentur (bundesweit; alle Netz- und Umspannebenen) Stand 02.07.2012. (Microsoft-Excel-Datei, 1,6 MiB) Abgerufen am 21. Juli 2012. 
  4. http://www.bundesnetzagentur.de/SharedDocs/Downloads/DE/BNetzA/Sachgebiete/Energie/Sonderthemen/VeroeffKraftwerksliste/Veroeff_ZuUnd%20R%C3%BCckbau_xls.xls?__blob=publicationFile Veröffentlichung Zu- und Rückbau der BNetzA - Stand: 12.09.2012
  5. Legionellen: Eine Spur führt zum Forschungszentrum Jülich. (HTML) Kreis Düren, 2014, abgerufen am 24. Oktober 2014. 
  6. Massenerkrankung: Sind Kraftwerke die Schuldigen? (HTML) WiWo Green, 6. November 2014, abgerufen am 11. November 2014. 
  7. Legionellen in Weisweiler: Kraftwerksblock abgeschaltet. In: Aachener Zeitung , 1. Oktober 2014. Abgerufen am 1. Oktober 2014.
  8. Neue Erkenntnisse bei der Quellensuche zum Legionellen-Ausbruch in der Stadt Jülich. Pressemitteilung des Umweltministeriums des Landes Nordrhein-Westfalen. Abgerufen am 1. Oktober 2014.
  9. Weitere Kraftwerke überprüft. (HTML) Die Welt, 2. Oktober 2014, abgerufen am 5. Oktober 2014. 
  10. Ausbruchsquelle weiter unklar. (HTML) WDR, 9. Oktober 2014, abgerufen am 11. Oktober 2014. 
  11. Legionellen in Jülich: Quelle in Weisweiler? (HTML) Aachener Zeitung, 30. September 2014, abgerufen am 23. Oktober 2014. 
  12. Neueste Messungen bestätigen Legionellenbefunde: Bezirksregierung Köln fordert RWE auf das Kühlwasser zu desinfizieren. (HTML) Bezirksregierung Köln, 28. Oktober 2014, abgerufen am 30. Oktober 2014. 
  13. Block F abgeschaltet: Erneut Legionellen-Alarm am Kraftwerk Weisweiler. (HTML) WDR, 3. Dezember 2014, abgerufen am 3. Dezember 2014. 
  14. Erneut Legionellen-Alarm am Kraftwerk Weisweiler. (HTML) WDR, 3. Dezember 2014, abgerufen am 23. März 2015. 
  15. Weisweiler: Fast keine Legionellen mehr. (HTML) Aachener Zeitung, 6. Januar 2015, abgerufen am 23. März 2014. 
  16. Feinstaub-Quellen und verursachte Schäden, Umweltbundesamt (Dessau)
  17. Tod aus dem Schlot - Wie Kohlekraftwerke unsere Gesundheit ruinieren (PDF 3,3 MB) Greenpeace, Hamburg, 2013
  18. Assessment of Health Impacts of Coal Fired Power Stations in Germany - by Applying EcoSenseWeb (Englisch, PDF 1,2 MB) Philipp Preis/Joachim Roos/Prof. Rainer Friedrich, Institut für Energiewirtschaft und Rationelle Energieanwendung, Universität Stuttgart, 28. März 2013
  19. Greenpeace: Die zehn gesundheitsschädlichsten Kohlekraftwerke Deutschlands (PDF 129 kB)
  20. Dirty Thirty Ranking of the most polluting power stations in Europe. WWF, Mai 2007 (PDF)
  21. PRTR - Europäisches Emissionsregister
  22. PRTR-Verordnung 166/2006 über die Schaffung eines Europäischen Schadstofffreisetzungs- und -verbringungsregisters und zur Änderung der Richtlinien 91/689/EWG und 96/61/EG des Rates
  23. Kosten-Nutzen-Anlalyse zur Luftreinhaltepolitik, Clean Air for Europe (CAFE) Programm, Europäische Kommission
  24. a b Revealing the costs of air pollution from industrial facilities in Europe (Offenlegung der Kosten der Luftverschmutzung aus Industrieanlagen in Europa), Europäische Umweltagentur, Kopenhagen, 2011
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