Legende (Tarnung)
Die Legende bezeichnet im Sprachgebrauch von polizeilichen Behörden[1] und Nachrichtendiensten eine zur Verschleierung von Identitäten oder Absichten ganz oder in Teilen erfundene oder geänderte Biografie oder eine vorgetäuschte Begründung von Handlungen.
Eine solche Legende kann auch Bestandteil eines Zeugenschutzprogramms sein, um insbesondere im Kampf gegen die Organisierte Kriminalität die Aussage von gefährdeten Zeugen zu sichern.
Das zugehörige Verb heißt legendieren (erfinden oder entwickeln einer Legende).
Biografische Legende
Formen
Die komplexeste und daher nur selten angewandte Form der Legende ist das Erstellen einer völlig neuen Biografie. Praktikabler hingegen ist das Ändern von persönlichen Daten (Geburtsdatum, Geburtsort, Familienstand usw.). Die Legende kann sich auch nur auf bestimmte Tatsachen beziehen (z.B. Zeit des Militärdienstes, Verschweigen „verdächtiger" Tätigkeiten o.ä.).
Probleme
Die Legende muss zu der Person passen, für die sie entwickelt wird; sie muss plausibel sein und glaubwürdig vertreten werden können. Die Legende sollte darum immer gemeinsam mit dem Betreffenden erarbeitet werden.
Ein typisches Problem bei der biografischen Legende ist die Begründung spezieller Qualifikationen: Wenn die Person über Fähigkeiten verfügt (z.B. Fremdsprachenkenntnisse), die nicht durch die Legende „abgedeckt" werden, so muss sichergestellt sein, dass diese Fähigkeiten nicht eingesetzt werden. Widrigenfalls kann die gesamte Legende unglaubwürdig werden. Daher empfiehlt es sich eher, die Legende an solchen Fähigkeiten auszurichten, statt sie zu verschweigen.
Auftragslegende
Formen
Beim Legendieren von Handlungen und Absichten – wenn also der eigentliche Auftrag verborgen werden soll – ist eine biographische Legende oft unnötig, kann aber unterstützend eingesetzt oder vorgehalten werden.
Beim Legendieren eines Auftrages können einerseits schwer bzw. nicht nachprüfbare Begründungen eingesetzt werden (z.B. persönliches Interesse, Hobby, Auftrag von nicht erreichbaren Personen oder Institutionen). Andererseits können staatliche oder andere dem Nachrichtendienst verbundene Stellen zur Abdeckung herangezogen werden (etwa Personen, die den vorgetäuschten Auftrag bestätigen, Dokumente usw.).[2]
Probleme
Beim Legendieren des Auftrags muss darauf geachtet werden, dass bei potenziell „verdächtigen" Handlungen im Rahmen der Auftragserfüllung die Legende stets ausreicht, um Zweifel auszuräumen (Gegenbeispiel: Für das Fotografieren militärischer Einrichtungen wäre die Angabe einer „Hobby-Beschäftigung" nicht ausreichend).
Stützung, Qualität der Legende
Nachrichtendienste verfügen in der Regel über alle Mittel, um eine Legende zu belegen und dadurch glaubhafter machen zu können: Sie können Personaldokumente auf Decknamen anfertigen (lassen) oder beliebige Urkunden beschaffen.
Die Qualität einer Legende bemisst sich jedoch nicht primär an ihrer handwerklichen Ausarbeitung oder ihrer Stützung, sondern an der Art, wie sie von der betreffenden Person vertreten wird.
Legendenspender
Im nachrichtendienstlichen Gebrauch einer Legende wird oft auf einen Legendenspender zurückgegriffen. Hierbei handelt es sich oft um eine real existierende Person, deren Daten, Legitimationspapiere, u. U. auch sonstiger Besitz, verwendet werden, eine Legende für einen Agenten zu erstellen. Oftmals geschieht dies ohne das Wissen der betreffenden Person und auch in Einzelfällen bei Personen, die ohne Angehörige allein lebten und ohne dass Behörden oder das Lebensumfeld vom Ableben Kenntnis erlangten. In der Zeit des Kalten Krieges wurden auch Personendaten z. B. in der BRD genutzt, deren real existierender Eigentümer z. B. in der DDR lebte, und deren Daten das Ministerium für Staatssicherheit zur Einschleusung von Agenten nutzte. Zahlreiche dieser Fälle sind im Rahmen der Operation Anmeldung aufgedeckt worden, nachdem viele der Agenten jahrelang unerkannt in der Bundesrepublik lebten und arbeiteten. Bei dem Ministerium für Staatssicherheit waren das oftmals Offiziere im besonderen Einsatz (OibE), welche im In- und Ausland eingesetzt waren.
Weblinks
Literatur
- Helmut Roewer, Stefan Schäfer, Matthias Uhl: Lexikon der Geheimdienste im 20. Jahrhundert Herbig, München (2003), ISBN 3 776623179, S. 265 ff.