Abenomics
Der Begriff Abenomics (in Analogie zu Reaganomics ) ist ein Kofferwort zusammengesetzt aus „Abe" und „economics" (engl. für Volkswirtschaft) und bezeichnet die Wirtschaftspolitik des Premierministers Shinzo Abe bzw. seines Kabinetts in Japan.
Am 16. Dezember 2012 hatte die Liberaldemokratische Partei (LDP) bei der Shūgiin-Wahl 2012 die Mehrheit im Shūgiin, dem Unterhaus des nationalen Parlaments, gewonnen; sie bildete anschließend eine Regierungskoalition mit der Kōmeitō. Abe wurde am 26. Dezember von beiden Kammern des Parlaments zum Premierminister gewählt, er und das Kabinett wurden noch am gleichen Tag ernannt.
Abenomics benennt Abes im Januar 2013 begonnenen Versuch, mit umfassenden Konjunkturprogrammen, einer enormen geldpolitischen Lockerung und Deregulierung insbesondere im Finanzsektor die mehr als zwei Jahrzehnten andauernde Wirtschaftskrise zu durchbrechen, in der sich Japan befindet. Auch will die Regierung „Maßnahmen zur Erhöhung des Potenzialwachstums" ergreifen.
Zwar liegt die Staatsverschuldung Japans 2013/14 bei hohen 250% von BIP, Finanzierungsprobleme liegen dennoch nicht vor.[1] Einerseits wird das Staatsdefizit (derzeit) vorwiegend von der japanischen Zentralbank (BoJ) finanziert, andererseits ist die Zinslast für beispielsweise zehnjährige Staatsanleihen gering (bei 0,6 %).[2] Um aus der deflationären Entwicklung zu entkommen, das Wirtschaftswachstum anzuregen, entschlossen sich Abe bzw. seine Partei zu einer als radikal geltenden expansiven Geld- und Fiskalpolitik (Deficit spending)[3] sowie zu einer Abwertung des Yen, um die Auslandsnachfrage anzukurbeln. Da Japan seit Fukushima 2011 allerdings vermehrt von (nun teureren) Energieimporten abhängig ist, haben die Unternehmen gleichzeitig höhere Produktionskosten.[4] Deflationsdämmende (notwendige) Lohnsteigerungen werden von den Unternehmen grundsätzlich kaum gegeben.[5] Weiters sind strukturpolitische Reformen angekündigt[6] - ob Abe sie tatsächlich in die Tat umsetzen wird, bleibt (Stand August 2013) abzuwarten.
Das Programm führte zeitweilig zu mehr Zuversicht in Japan. Nach anfänglichen Höchstkursen brach der Nikkei 225 stark ein; die Chancen und Risiken von 'Abenomics' werden kontrovers diskutiert.[7] [8]
Ein weiter anhaltender Kursabsturz wird für möglich gehalten; für dieses Szenario prägte der UBS-Banker Alexander Friedman den Begriff Abegeddon (in Anspielung auf Armageddon).[9]
Bereits im August 2013 äußerte die Bundesbank In ihrem Monatsbericht offene Skepsis gegenüber der japanischen Wirtschaftspolitik im allgemeinen und an der für April 2014 geplanten und nunmehr eingeführten Mehrwertsteuererhöhung von 5% auf 8% - das könne im Falle eines Einbruchs von Konsum und Industrieproduktion die abwärts gerichtete Konjunktur verstärken.[10] [11]
Und tatsächlich schrumpft das Inlandsprodukt aktuell Japans wieder kräfig. Im zweiten Quartal 2014 um 1,7% (im Vergleich zum Vorquartal) und im Hinblick auf das Vorjahresqartal um 6,8% (Jahressicht).[12] [13]
Weblinks
- Joseph E. Stiglitz: Das Versprechen der Abenomics. Essay. Online auf www.project-syndicate.org vom 5. April 2013, zuletzt abgerufen am 26. Juni 2013.
- Georg Erber: Fortgesetzte Yen-Abwertung gefährdet Stabilität des Währungssystems. Beitrag vom 14. Mai 2013
- Wirtschaftslexikon der Financial Times: Abenomics. Englisch. Abgerufen 26. Juni 2013.
- All You Need To Know About Abenomics. Englisch. Webseite des Forbes Magazine, zuletzt abgerufen, 26. Juni 2013.
- NZZ, 16. April 2014: Wie Richard Koo Japan sieht: Die Japaner leiden unter einem Schulden-Trauma
Einzelnachweise
- ↑ Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung: Jahresgutachten 2011/12 (PDF), S. 93, Ziffer 144: „De facto besteht für diese drei Länder [US, UK, JP] somit grundsätzlich kein Liquiditätsproblem, da sie ausschließlich in ihrer Landeswährung verschuldet und aufgrund der Unterstützung durch die Notenbank in der Lage sind, das zur Rückzahlung erforderliche Geld uneingeschränkt selbst zu schaffen. Und es kann somit auch nicht die Situation eintreten, dass sich aus einem temporären Liquiditätsproblem allein aufgrund steigender Zinsen ein Solvenzproblem entwickelt."
- ↑ The Wall Street Journal, 18. Juni 2014: Japan droht Opfer seiner erfolgreichen Geldpolitik zu werden
- ↑ Nach Wahl zum Ministerpräsidenten: Macht Abe den japanischen Atomausstieg rückgängig?FAZ, 26. Dezember 2012 (abgerufen am 17. Juni 2013).
- ↑ DW, 10. März 2014: Japan wächst langsamer als gedacht
- ↑ Deutsche Bundesbank: Monatsbericht August 2013 (PDF), S. 19: „Ein Aussetzen der Lohn-Preis-Spirale ist somit ebenso ausgeschlossen wie ein Übergang zu galoppierenden Inflationsprozessen. Ob diese Bedingungen in der japanischen Realität erfüllt sind, ist keineswegs sicher. Fraglich ist einerseits, ob die notwendige Verstärkung des Lohnwachstums in Japan angesichts der eher geringen Gewerkschaftsmacht und des inzwischen recht hohen Anteils der Arbeitnehmer in prekären Beschäftigungsverhältnissen innerhalb weniger Jahre generiert werden kann."
- ↑ Haidar, J.I. and Hoshi, T. (2014), Stanford University FSI Working Paper, June 2014.: Implementing Structural Reforms in Abenomics: How to Reduce the Cost of Doing Business in Japan
- ↑ Stärkeres Wachstum: Japans „Abenomics" wirken im ersten Quartal bei spiegel.de, 10. Mai 2013 (abgerufen am 17. Juni 2013)
- ↑ An Tokios Börse brechen die Kurse ein – „Abenomics" kommt ins Wanken bei wienerzeitung.at, 13. Juni 2013 (abgerufen am 17. Juni 2013)
- ↑ Bernhard Bartsch: Ruck nach rechts. In: Berliner Zeitung. 10. Juni 2013, abgerufen am 21. Juni 2013.
- ↑ Deutsche Bundesbank: Monatsbericht August 2013 (PDF), S. 17: „Die Steuererhöhungspläne könnten im Falle eines schlagartigen Einbruchs von Konsum und Industrieproduktion die abwärts gerichtete Konjunktur verstärken."
- ↑ Wirtschaftsblatt, 30. Juni 2014: Japan: Mühsame Erholung nach Mehrwertsteuer-Erhöhung
- ↑ Wirtschaftsblatt, 13. August 2014: Japan schmilzt die Wirtschaft weg
- ↑ Focus Magazin, 15. September 2014: Es geht abwärts. Japan mit Premierminister Abe auf Kamikazekurs