Wennigser Konferenz
Die Wennigser Konferenz fand vom 5. bis 7. Oktober 1945 in Wennigsen bei Hannover statt. Auf der Zusammenkunft von Mitgliedern der im Juni 1933 von der nationalsozialistischen Reichsregierung verbotenen Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD) wurde Kurt Schumacher (1895–1952) als „Beauftragter für die Westzonen" mit der Leitung des Wiederaufbaus der Parteiorganisation betraut, die er vom Büro Dr. Schumacher aus organisierte.
Im Berliner Admiralspalast erfolgte am 21. April 1946 für das Gebiet des sowjetischen Sektors von Berlin und der Sowjetischen Besatzungszone die Zwangsvereinigung von SPD und KPD zur SED. Daraufhin wurde im Mai 1946 von den westdeutschen SPD-Mitgliedern auf einem Parteitag im Gebäude der Hanomag in Hannover Schumacher zum Vorsitzenden einer auf die Westzonen (spätere Trizone) beschränkten neuen SPD gewählt und die Neugründung der Partei in der Nachkriegszeit damit abgeschlossen. (→ Geschichte der deutschen Sozialdemokratie)
Tagungsort
Das Bahnhofs-Hotel Petersen im damals noch Kloster Wennigsen genannten Ort wurde unter mehreren Gesichtspunkten ausgewählt: neben der sozialdemokratischen Tradition der Gemeinde gab es eine Verbindung über die Deisterbahn mit Hannover, wo in den ersten Monaten nach Kriegsende für die Teilnehmer kein Versammlungsraum mit einer ausreichenden Nahrungsmittelversorgung zur Verfügung stand. Auch war die politische Betätigung von Parteien lediglich in der Britischen Besatzungszone möglich, was durch Intervention des Exilvorstandes der SPD (Sopade) in London erwirkt wurde.
Organisator und Leiter der Konferenz war Kurt Schumacher, der am 11. Juli 1945 mit der „organisatorischen und politischen Führung der Partei im gesamten Reich" beauftragt worden war. [1]
Teilnehmer
Zutritt hatten als Delegierte 33 Mandatsträger aus der britischen Besatzungszone sowie drei Mitglieder des Londoner Exilvorstandes. Dies waren Erich Ollenhauer, Fritz Heine und Erwin Schoettle. Aus der Sowjetischen Zone waren Otto Grotewohl, Max Fechner und Gustav Dahrendorf als Mitglieder des in Ost-Berlin ansässigen „Zentralausschusses der SPD" zugegen und es wurde zunächst über ihre Teilnahmeberechtigung gestritten, die jedoch versagt wurde. Bei der Konferenz waren zahlreiche weitere Sozialdemokraten anwesend. Diese sind im Nachhinein u.a. durch Befragung von Wennigser Gastgebern ermittelt worden. Dazu gehörten beispielsweise Gustav Bratke und Otto Brenner.[2]
Delegierte
- Bezirk Braunschweig: Alfred Kubel (1909–1999), Willi Ossenkopf (1899–1966) und Richard Voigt (1895–1970)
- Bezirk Hamburg: Irma Keilhack (1908–2001), Karl Meitmann (1891–1971) und Schwedemann
- Bezirk Hannover: Diegel, Egon Franke (1913–1995) und Johannes Lau (1879–1955)
- Bezirk Mecklenburg-Lübeck: Karl Albrecht (1904–1974), August Haut (1881–1958) und Hans Oldorf (1896–1964)
- Bezirk Niederrhein: Ernst Gnoß (1900–1949), Stöver und Wiesewand
- Bezirk Oberrhein: Robert Görlinger (1888–1954), Heinrich Hamacher (1899–1975) und Franz Marx (1903–1985)
- Bezirk Oldenburg: Conrad Beckmann (1900–1950), Gottlieb Simstedt (1901–1967) und Rudolf Vienup (1891–1969)
- Bezirk Schleswig-Holstein: Wilhelm Kuklinski (1892–1963), Karl Ratz (1897–1961) und Richard Schenck (1900–1979)
- Bezirk Östliches Westfalen: Kramer, Oppermann und Carl Schreck (1873–1956)
- Bezirk Westliches Westfalen: Fritz Henßler (1886–1953), Fritz Steinhoff (1897–1969) und Heinrich Wenke (1888–1961)
Gäste
Gäste waren der Londoner Exilvorstand in Form von Fritz Heine (1904–2002), Erich Ollenhauer (1901–1963) und Erwin Schoettle (1899–1976).
Verlauf
Die Konferenz war von heftigen Auseinandersetzungen zwischen dem dominierenden Lager von Kurt Schumacher und dem von Otto Grotewohl geprägt. Frage war die Zusammenarbeit von SPD und KPD, die letztlich verneint wurde. Inhaltlich wurde das marxistische Grundsatzprogramm von 1925 bestätigt, das weitreichende Verstaatlichungen vorsah. Schumacher hielt seine Grundsatzerklärung Der Kampf um die Demokratie. Darin plädierte für eine Aufhebung der Sektoren-Grenzen. Die Versammlung entschied, Schumacher mit der Leitung beim Wiederaufbau der SPD in den drei westlichen Besatzungszonen zu beauftragen.
Heute
Das Tagungshotel ist 1977 abgebrannt. An die Konferenz erinnern das 1967 gesetzte Schumacher-Denkmal gegenüber dem Bahnhof Wennigsen und eine 1979 am Calenberger Hof in der Bahnhofstraße angebrachte Gedenktafel.
Kurt-Schumacher-Denkmal
Das Denkmal ist ein eingetragenes Kulturdenkmal in Wennigsen. Der Gedenkstein trägt ein Bronzerelief Kurt Schumachers, nach links blickend, und die Aufschrift: Sozialdemokraten aus allen Teilen Deutschlands / traten in Wennigsen (Deister) / am 5. und 8.10.1945 zu ihrer / ersten Konferenz / nach 12jähriger Unterbrechung zusammen / Sie beauftragten / Dr. Kurt Schumacher / 1. Vorsitzender der SPD / 1948 - 1952 / mit der Leitung beim Wiederaufbau der Sozialdemokratischen Partei / Deutschlands.[3]
Literatur
- SPD-Gemeindeverband Wennigsen: Deutsche Geschichte in Wennigsen. Ortsdokumente vom Wiederaufbau von Staat und Gesellschaft, Kurt Schumacher und die Reichskonferenz in Wennigsen 1945. Begleitheft zur Ausstellung. Wennigsen, 2000
- Matthias Loeding: Otto Grotewohl und die Wennigsener Konferenz 1945. Grin Verlag, Norderstedt 2010, ISBN 978-3-640-66020-9.
- Anthony Glees: Reinventing Germany. German political development since 1945. Berg, Oxford 1996, ISBN 1-85973-185-6 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ Materialsammlung des Wennigser SPD-Ortsvereins aus 2000. Siehe Quellen, 24.6
- ↑ Eine ausführliche Namensliste findet sich in der Materialsammlung des Wennigser SPD-Ortsvereins aus 2000. Siehe Quellen, 26.4
- ↑ F. Wüllner: Aus Wennigsens Vergangenheit. Beiträge zur Ortsgeschichte. Wennigsen, Eigenverlag, 1973, S. 62
52.2786379.57208Koordinaten: 52° 16′ 43,1′′ N, 9° 34′ 19,5′′ O