Esso-Häuser

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Esso-Häuser im November 2013
Östlicher Wohnblock der Esso-Häuser vor der St. Pauli Skyline mit den Tanzenden Türmen, September 2013

Als Esso-Häuser wird ein Gebäudekomplex im Hamburger Stadtteil St. Pauli zwischen Spielbudenplatz, Taubenstraße und Kastanienallee bezeichnet. Es handelt sich um einen Plattenbau der 1960er-Jahre. Der Block umfasst zwei achtstöckige Wohnhäuser mit 110 Wohnungen, einen zweigeschossigen Gewerberiegel zum Spielbudenplatz hin, sowie Tiefgaragen und die Esso-Tankstelle Reeperbahn, nach der die gesamte Zeile benannt ist.

Geschichte

Auf dem Grundstück stand bis zum 25. Juli 1943 das 1886 eröffnete dreigeschossige Theater Eden.[1] Nach den Zerstörungen bei den Luftangriffen des Zweiten Weltkriegs blieb das Grundstück einige Jahre Trümmerfeld. 1958 gab der Eigentümer und spätere Tankstellenbetreiber die Planungen zur Neubebauung in Auftrag.[1] Der Entwurf der Architekten Herbert Großner und Hanns Stich sah moderne Plattenbauten von zwei achtgeschossige Wohnblocks mit 110 Wohnungen und 4600 Quadratmeter Geschossfläche vor und wurde als schlicht, funktional und imposant gelobt. Die Kosten beliefen sich auf sechs Millionen Mark. Das Richtfest fand am 4. Mai 1961 statt.[2]

Kauf durch die Bayerische Hausbau

Der Komplex blieb bis 2009 im Familienbesitz, am 1. Mai des selben Jahres verkauften die Eigentümer das 6190 Quadratmeter große Areal mit den inzwischen baufälligen Häusern an die Bayerische Hausbau GmbH & Co. KG. Nach eigenen Angaben plant der neue Eigentümer nach dem für zunächst 2014 terminierten Abriss einen Neubau mit 5.000 Quadratmeter Gewerbefläche zur Reeperbahn hin und 19.500 Quadratmeter für je ein Drittel Eigentums-, Miet- und Sozialwohnungen.[3] Der Tankstellenbetrieb soll entfallen, aber den bisherigen Charakter eines „Dorfplatzes" auf St. Pauli will die Bayerische Hausbau an dem Standort erhalten.[4]

An dieser Entwicklung hat sich eine Debatte entzündet,[5] durch die die sogenannten „Esso-Häuser" bundesweite Aufmerksamkeit erlangt haben. Die Initiative ESSO‐Häuser tritt seit 2010 für die Sanierung und den Erhalt der Häuser ein.[6] [7] Nach zwei Treffen der Initiative ESSO-Häuser mit den Eigentümern legten diese im Mai 2011 ein Gutachten vor, nach dem ein Abriss unumgänglich sei. Die Bürgerinitiative gab daraufhin ein weiteres Gutachten in Auftrag, aus welchem hervorgeht, dass die Gebäude nicht zwingend abgerissen werden müssen.[8] Im Jahr 2013 stellte die Bayerische Hausbau einen Abrissantrag,[9] kurz zuvor hatte das Bezirksamt Hamburg-Mitte ein neues Gutachten zu Gebäuden und Garagen beauftragt, bei dem exemplarisch von 70 Bauteilen aus Dach, Tiefgarage und Hülle nur ein einziges in Ordnung gewesen sein soll.[10] Das durch die DR-Architekten vorgelegte Gutachten dokumentierte eine weit vorangeschrittene Schädigung der Stahlbetonkonstruktion und empfahl Maßnahmen zur Gewährleistung der Standsicherheit.[11] Neben einer Bewertung des Bauzustandes wurden auch die Kosten einer Sanierung den Kosten eines Neubaues gegenübergestellt.[12] Das Gutachten der Stadt kam in vielen Punkten zu dem gleichem Ergebnis wie die drei bereits vorhandenen Gutachten und wurde daher vom Bund der Steuerzahler für die Kosten von rund 100.000 Euro scharf kritisiert.[13] Während des Streites um den Abriss wurde die Wohnqualität durch fehlende Instandhaltung eingeschränkt. So wurde im Februar 2013 den Mietern die Nutzung der Balkone vom Bezirksamt untersagt.[14] Am 28. April 2013 demonstrierten 1500 Menschen für den Erhalt der Häuser.[15]

Räumung wegen Einsturzgefahr

In der Nacht zum 15. Dezember 2013 mussten die Häuser wegen Einsturzgefahr evakuiert werden.[16] Bewohner hatten der Polizei Erschütterungen gemeldet und von „wackelnden Wänden" berichtet. Am darauf folgenden Abend demonstrierten vor den Häusern spontan 750 Menschen.[17] [18] Nach der Räumung wurde das Krisenmanagement der Stadt und des Eigentümers scharf kritisiert.[19] [20] Die angrenzende Esso-Tankstelle und benachbarte Bars, Restaurants und Diskotheken wurden geschlossen.[21] Am 17. Dezember teilte das Bezirksamt mit, dass die Häuser nicht wieder bezogen werden können.[22] [23] Daraufhin zeigte die Initiative Esso-Häuser die Bayerische Hausbau wegen Verstößen gegen das Hamburgische Wohnraumschutzgesetz an.[24] Zudem forderte die Initiative finanzielle Entschädigungen, das Rückkehrrecht für alle Mieter in die Neubauten und die transparente Offenlegung der statischen Untersuchungen an den Häusern.[25] Weitergehend forderte sie zudem eine neue Planung für das Gelände und zu 100 Prozent geförderten Wohnraum mit günstigen Mieten, einschließlich der Gewerbemieten.[26] Anlässlich der Räumung gab es mehrere Demonstrationen gegen die Spekulation mit den Häusern und die Vertreibung der Altmieter.[27] [18] [28] [29]

Am 21. Dezember 2013 gab es in Folge der Demonstrationen rund um die geplante Schließung des Autonomen Zentrums Rote Flora auch Demonstrationen für den Erhalt der Esso-Häuser. 7300 Menschen demonstrierten, nach Polizeiangaben, unter dem Motto Die Stadt gehört allen! Refugees, Esso-Häuser und Rote Flora bleiben.[30] [31] Hierbei kam es zu gewalttätigen Ausschreitungen und Spontandemonstrationen vor den Esso-Häusern.[32] [33]

Am 7. Januar 2014 begann eine Speditionsfirma damit den Wohnkomplex auszuräumen.[34] Am 11. Januar 2014 fand ein so genannter „Brush Mob" statt, der auch die Esso-Häuser thematisierte.[35]

Siehe auch

Commons: Esso-Tankstelle Reeperbahn  – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. a b Die Entwicklung des Spielbudenplatzes. Spielbudenplatz Betreibergesellschaft mbH, Fehler bei Vorlage:Internetquelle, datum=2012-10-00 , abgerufen am 21. Dezember 2013. 
  2. Olaf Wunder: Räumung der Kiez-Hochhäuser: So wurden die Bruchbuden einst bejubelt. Hamburger Morgenpost, 17. Dezember 2013, abgerufen am 21. Dezember 2013. 
  3. Die Bayerische Hausbau bekräftigt ihr Angebot an die Mieterinnen und Mieter am Spielbudenplatz. Bayerische Hausbau, 14. August 2013, abgerufen am 21. Dezember 2013. 
  4. Heiko Block: Reeperbahn: Streit über Abriss wird schärfer. Norddeutscher Rundfunk, 16. Juni 2011, abgerufen am 21. Dezember 2013. 
  5. Rettet den Schmuddel! ZEIT ONLINE, 19. Dezember 2013, abgerufen am 11. Januar 2014. 
  6. Willkommen bei der Initiative Esso Häuser, die Initiative gegen den Abriss der Esso Häuser. Initiative Esso Häuser, abgerufen am 21. Dezember 2013. 
  7. Räumung der Kiez-Hochhäuser: So wurden die Bruchbuden einst bejubelt. Hamburger Morgenpost, 23. September 2010, abgerufen am 21. Dezember 2013. 
  8. Eva Eusterhus: Esso-Häuser sollen bleiben. 16. Juni 2011, abgerufen am 21. Dezember 2013. 
  9. Marode Esso-Häuser: Unternehmen stellt Abrissantrag abendblatt.de, 14. August 2013
  10. Esso-Häuser kommen weg taz.de, 15. August 2013
  11. Esso-Häuser: Gutachten stellt schwere Schädigung der Gebäudesubstanz fest. Stadt Hamburg, 13. Juni 2013, abgerufen am 21. Dezember 2013. 
  12. Esso‐Hochhäuser: Zusammenfassende Darstellung der aktuellen Gutachtenergebnisse. Stadt Hamburg, 12. Juni 2013, abgerufen am 21. Dezember 2013. 
  13. Von überflüssigen Gutachten und Fehlplanungen. Norddeutscher Rundfunk, 17. Oktober 2013, abgerufen am 21. Dezember 2013. 
  14. "Esso-Häuser": Mieter dürfen nicht auf Balkone. Norddeutscher Rundfunk, 20. Februar 2013, abgerufen am 21. Dezember 2013. 
  15. Demo für den Erhalt der Esso-Häuser Hamburg 1, 29. April 2013, abgerufen am 26. Dezember 2013.
  16. Esso-Häuser unbewohnbar. Stadt Hamburg, 16. Dezember 2013, abgerufen am 21. Dezember 2013. 
  17. Wut und Verzweiflung an der Reeperbahn in Hamburg tagesspiegel.de, 16. Dezember 2013, abgerufen am 28. Dezember 2013.
  18. a b H. Meyer, T. Sönder, J. Wilkens: Jetzt prüfen Statiker die Esso-Häuser. In: Bild.de. 16. Dezember 2013, abgerufen am 16. Dezember 2013. 
  19. Rettet den Schmuddel! zeit.de, 19. Dezember 2013, abgerufen am 27. Dezember 2013.
  20. Denis Fengler: Mieter der "Esso-Häuser" erheben schwere Vorwürfe. In: Die Welt. 19. Dezember 2013, abgerufen am 21. Dezember 2013. 
  21. Isabella David: Einsturzgefahr: Nächtliche Evakuierung der Esso-Häuser hh-mittendrin.de, 14. Dezember 2013, abgerufen am 26. Dezember 2013.
  22. "Esso-Hochhäuser: Bald kommen die Abrissbagger zum Spielbudenplatz", mopo.de vom 17. Oktober 2013
  23. Indizien gefunden: Esso-Häuser haben wirklich gewankt, abendblatt.de vom 18. Oktober 2013
  24. Initiative Esso-Häuser zeigt Investor an, abendblatt.de vom 18. Oktober 2013
  25. Esso-Initiative: "Super-Gau für die Wohnungspolitik", mopo.de vom 18. Oktober 2013
  26. Esso-Häuser: Bewohner fordern Rückkehrrecht, mobil.abendblatt.de vom 19. Oktober 2013
  27. Wut und Verzweiflung an der Reeperbahn in Hamburg tagesspiegel.de, 16. Dezember 2013
  28. "Rote Flora": Ausschreitungen bei Demo in Hamburg. N24 Gesellschaft für Nachrichten und Zeitgeschehen mbH, 21. Dezember 2013, abgerufen am 22. Dezember 2013. 
  29. Jörn Lauterbach, Günther Lachmann: Freizeitvergnügen von Psychopathen. In: Die Welt. 23. Dezember 2013, abgerufen am 26. Dezember 2013. 
  30. Schwere Krawalle in Hamburg. In: Die Welt. 22. Dezember 2013, abgerufen am 26. Dezember 2013. 
  31. Demonstration eskaliert - Kritik an Randalierern, Politik und Polizei nach Krawallen, (kostenpflichtig), Hamburger Abendblatt, 22. Dezember 2013
  32. "Rote Flora": Ausschreitungen bei Demo in Hamburg. N24 Gesellschaft für Nachrichten und Zeitgeschehen mbH, 21. Dezember 2013, abgerufen am 22. Dezember 2013. 
  33. Jörn Lauterbach, Günther Lachmann: Freizeitvergnügen von Psychopathen. In: Die Welt. 23. Dezember 2013, abgerufen am 26. Dezember 2013. 
  34. "Esso-Häuser": Mieter, Medien, Möbelpacker ndr.de, 7. Januar 2014
  35. "Brush-Mob": Lärm-Demo auf der Gefahreninsel mopo.de, 11. Januar 2014

53.5493479.965771Koordinaten: 53° 32′ 57,6′′ N, 9° 57′ 56,8′′ O

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