Plasmaoszillation
In der Physik ist eine Plasmaoszillation eine periodische Oszillation der Ladungsdichte in einem Medium, zum Beispiel in einem Plasma oder einem Metall. Das Quasiteilchen, das aus der Quantisierung dieser Oszillationen hervorgeht, ist das Plasmon.
Plasmafrequenz
Werden die Elektronen gegenüber den deutlich schwereren Ionen z. B. durch eine elektromagnetische Welle leicht versetzt, wirkt auf sie die Coulombkraft, die die Quasineutralität wieder herstellt (d. h. positive und negative Ladungsdichte sind im Mittel gleich groß). Durch ihre Trägheit werden die Elektronen an der neutralen Lage vorbeischießen und einen neuen Ladungsüberschuss aufbauen. Die Kreisfrequenz, mit der die Elektronen gegenüber den positiven Ionen schwingen, heißt Plasmafrequenz:
- {\displaystyle \omega _{p}={\sqrt {\frac {4\pi n_{e}e^{2}}{m_{\mathrm {e} }}}}} (CGS-Einheiten),
- {\displaystyle \omega _{p}={\sqrt {\frac {n_{e}e^{2}}{\varepsilon _{0}m_{\mathrm {e} }}}}} (SI-Einheiten),
wobei
- {\displaystyle n_{e}} die Elektronendichte ist,
- e die Elementarladung,
- {\displaystyle \varepsilon _{0}\!} die elektrische Feldkonstante und
- {\displaystyle m_{\mathrm {e} }} die Elektronenmasse.
Betrachtet man den Ladungsträger in einem Dielektrikum mit einer Permittivität {\displaystyle \varepsilon _{g}>1}, so verringert sich die Plasmafrequenz:
- {\displaystyle \omega _{p}={\sqrt {\frac {n_{e}e^{2}}{\varepsilon _{g}\varepsilon _{0}m_{\mathrm {e} }}}}} (SI-Einheiten).
Herleitung
Die Plasmafrequenz ergibt sich aus dem zweiten newtonschen Gesetz, wenn man die Bewegung eines Elektrons im Feld der als ruhend angenommenen Ionen betrachtet. Der Einfachheit halber kann der eindimensionale Fall angenommen werden. Außerdem betrachten wir nur ein Wasserstoff-Plasma mit einfach geladenen Ionen. Das Feld der Ionen erhält man aus dem Gaußschen Gesetz
mit der Ladungsdichte {\displaystyle \rho =e\cdot n_{\mathrm {e} }}
und der eindimensionalen Divergenz {\displaystyle \mathrm {div} \mathbf {E} =\mathrm {d} E/\mathrm {dx} }
nach Integration zu {\displaystyle E(x)=en_{\mathrm {e} }x/\varepsilon _{0}}.
Daraus folgt die Bewegungsgleichung {\displaystyle {\ddot {x}}=F/m_{\mathrm {e} }=-eE/m_{\mathrm {e} }=-(e^{2}n_{\mathrm {e} }/\varepsilon _{0}m_{\mathrm {e} })x} eines harmonischen Oszillators, die durch eine harmonische Schwingung mit {\displaystyle \omega =\omega _{p}} gelöst wird.
Dispersionsrelation
Weil die Plasmafrequenz unabhängig von der Wellenlänge ist (!), haben Plasmaoszillationen eine unendliche Phasengeschwindigkeit und eine verschwindende Gruppengeschwindigkeit. Die im Beispiel oben einfallende elektromagnetische Welle regt die Ladungsträger des Plasmas zum Schwingen an (senkrecht zur Ausbreitungsrichtung, weil die Welle transversal polarisiert ist), bewirkt aber keinen Ladungstransport in Einfallsrichtung der Welle.
Wenn die Elektronen eine endliche thermische Geschwindigkeit {\displaystyle v_{e,th}={\sqrt {\frac {k_{B}T_{\mathrm {e} }}{m_{e}}}}} haben mit
- {\displaystyle k_{B}}: Boltzmann-Konstante
- {\displaystyle m_{\mathrm {e} }}: Ruhemasse der Elektronen
- {\displaystyle T_{\mathrm {e} }}: die auf {\displaystyle m_{\mathrm {e} }} normierte Elektronentemperatur {\displaystyle T},
wirkt der Elektronendruck zusätzlich zum elektrischen Feld als Rückstellkraft. Dann propagieren die Oszillationen mit der Bohm-Gross-Dispersionsrelation [1]
- {\displaystyle \omega ^{2}=\omega _{pe}^{2}+3(k\cdot v_{\mathrm {e,th} })^{2}} (k: Wellenzahl).
Wenn die räumliche Skala groß ist gegenüber der Debye-Länge, spielt der Druck eine untergeordnete Rolle:
- {\displaystyle \omega \approx \omega _{pe}.}
Auf kleinen Skalen dagegen dominiert der Druck:
- {\displaystyle {\begin{aligned}\omega ^{2}&\approx 3(k\cdot v_{\mathrm {e,th} })^{2}\\\Leftrightarrow \omega &\approx k{\sqrt {3}}\cdot v_{\mathrm {e,th} }\\\Leftrightarrow v_{ph}\equiv {\frac {\omega }{k}}&\approx {\sqrt {3}}\cdot v_{e,th},\end{aligned}}}
d.h. die Wellen werden dispersionslos mit der Phasengeschwindigkeit {\displaystyle {\sqrt {3}}\cdot v_{e,th},} so dass die Plasmawelle einzelne Elektronen beschleunigen kann. Dieser Prozess ist eine Art kollisionslose Dämpfung, Landau-Dämpfung genannt. Aus dem Grund ist die Dispersionbeziehung bei großem k schwer zu beobachten und nur selten wichtig.
Anwendung
Elektronen mit einer bestimmten Plasmafrequenz können also fast instantan Bewegungen ausführen, die "langsamer" als die Plasmafrequenz ablaufen. Das heißt insbesondere, dass Plasmen elektromagnetische Wellen mit Frequenzen unterhalb der Plasmafrequenz fast vollständig reflektieren, für Wellen mit Frequenzen oberhalb der Plasmafrequenz hingegen transparent sind.
Reflexion von Licht an Metallen
Die Plasmafrequenz liegt in metallischen Festkörpern bei typischen Elektronendichten von {\displaystyle n_{\mathrm {e} }=10^{28},円\mathrm {m} ^{-3}} im Bereich von {\displaystyle \omega _{p}=5\cdot 10^{15},円\mathrm {s} ^{-1}}, was über die Phasengeschwindigkeit für elektromagnetische Wellen in eine Wellenlänge von {\displaystyle \lambda _{p}\approx 300,円\mathrm {nm} } umgerechnet werden kann, die im UV-Bereich liegt. Metalle reflektieren deshalb Licht im optischen Bereich und erst recht Radio- und Radarwellen, nicht aber elektromagnetische Wellen mit höherer Frequenz, wie UV- oder Röntgenstrahlung. Da es auch keine Linsen für Röntgenstrahlen nach dem Vorbild optischer Linsen gibt, weil der Brechungsindex kaum vom Wert eins abweicht, ist es schwierig, Röntgenteleskope zu bauen. Metalle sind im Wellenlängenbereich oberhalb der Plasmafrequenz trotzdem nicht transparent, weil beispielsweise der photoelektrische Effekt für starke Absorption sorgt.
Reflexion von Radiowellen an der Atmosphäre
Plasmaoszillationen in der Ionosphäre der Erde sind der Grund dafür, dass mit Kurzwellen ausgestrahlte Radioprogramme eine sehr große Reichweite besitzen. Die Radiowellen treffen auf die Ionosphäre und regen vor allem die Elektronen zu erzwungenen Schwingungen mit gleicher Frequenz an. Weil die Bewegung der Elektronen kaum gedämpft wird, strahlen die Elektronen die HF-Energie wieder ab.
Aus der relativ geringen Elektronendichte der F-Schicht von nur 1012 m-3 kann eine Plasmafrequenz von etwa 9 MHz berechnet werden. Dies führt zu einer Reflexion aller senkrecht einfallenden Wellen mit tieferer Frequenz an der Ionosphäre – höhere Frequenzen werden durchgelassen. Bei flacherem Einfallswinkel kann die benutzbare Grenzfrequenz auf Werte bis über 50 MHz steigen. Über Kurzwelle ausgesendete Programme kann man deshalb auch an Orten empfangen, die eigentlich im Sichtschatten des Senders liegen. Eine Kommunikation mit höher fliegenden Satelliten oder GPS ist nur über noch höhere Frequenzen im UKW-Band möglich.
Das ist vergleichbar mit der Reflexion von Licht am Elektronengas einer Metallfläche, auch hier ist der Reflexionsgrad frequenzabhängig und wird bei der Reflexion von noch kurzwelligeren Röntgenstrahlen ebenfalls beobachtet (siehe Röntgenoptik#Streifender_Einfall).
Siehe auch
Einzelnachweise
- ↑ J. A. Bittencourt: Fundamentals of Plasma Physics. Springer, 2004, ISBN 978-0-387-20975-3, S. 269– (google.com [abgerufen am 11. November 2012]).