GmbH-Geschäftsführer-Haftung
Unter Geschäftsführer-Haftung ist die Haftung des GmbH-Geschäftsführers für seine Pflichtverletzungen zu verstehen. Hier ist die Haftung nach § 43 GmbH und nach §§ 69, 71 AO relevant.
Der Hauptzweck der Gründung einer GmbH liegt darin, die Haftung der Gesellschafter auf das Stammkapital zu beschränken. Der Gesellschafter, der seine Einlage geleistet hat, kann von den Gläubigern grundsätzlich nicht für die Schulden der GmbH in Anspruch genommen werden. Davon ist die Haftung des GmbH-Geschäftsführers zu unterscheiden.
Qualifikation des Geschäftsführers
Ursächlich für die Haftung ist die oft unzureichende Qualifikation des Geschäftsführer. Da er seine Pflichten nicht erkennt und nicht wahrnimmt, läuft er in die Haftungsfalle hinein. Es ist für jeden Geschäftsführer vorrangig, sich über seine Pflichten zu informieren, da er sie nur so vermeiden kann, vgl. Pump/Fittkau, Vermeidung der Haftung S. 69- 241.
Ausnahmen der Haftungsbeschränkung
Die beschränkte Haftung der Gesellschafter hilft allerdings dem Geschäftsführer (siehe auch unten zum sogenannten faktischen Geschäftsführer) nicht weiter, da für ihn ganz andere Pflichten und damit auch Haftungsgrundsätze gelten. Während der Gesellschafter sich aus den Geschäften der GmbH weitestgehend heraushalten kann, ist der Geschäftsführer das Organ der Gesellschaft, dem eben die Führung der Geschäfte obliegt. Bei der Erfüllung dieser Pflicht hat der Geschäftsführer die „Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes anzuwenden", § 43 Abs. 1 GmbHG. Das Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) enthält an mehreren Stellen Konkretisierungen dieser Pflicht, die aber nicht abschließend sind. Allerdings haftet der Geschäftsführer für Verletzungen dieser Pflichten grundsätzlich nur der Gesellschaft gegenüber, § 43 Abs. 2 GmbHG. Er kann also insoweit nicht von Gläubigern der Gesellschaft in Anspruch genommen werden. Diese haben sich vielmehr an die Gesellschaft zu halten.
Wichtige Ausnahmen von diesem Grundsatz finden sich in §§ 266a, 14 Strafgesetzbuch (StGB), §§ 69, 34 Abgabenordnung (AO) sowie in § 15a Insolvenzordnung (InsO), bisher § 64 Abs. 1 GmbHG, geändert durch das Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) vom 23. Oktober 2008. Die ersten beiden Ausnahmen betreffen die öffentlichen Kassen. Die Geschäftsführer haften für die Abführung von bestimmten Sozialversicherungsbeiträgen (dort ist vor allem zwischen Arbeitnehmer- und Arbeitgeberbeiträgen zu unterscheiden) und Steuern persönlich über die zivilrechtliche Bestimmung des § 823 . § 15a InsO (bisher § 64 Abs. 1 GmbHG) betrifft die Spezialhaftung für die Verletzung der Insolvenzantragspflicht. Teilweise – soweit es sich bei dem Schaden um einen Gesamtschaden handelt – wird diese Haftung allerdings vom Insolvenzverwalter geltend gemacht, § 92 InsO. Die besagten Ausnahmen führen zum Teil zu Pflichtenkollisionen, die Gegenstand umfangreicher Rechtsprechung sind. Gemäß dem MoMiG führt die verspätete Insolvenzanzeige sowie die unrichtige Insolvenzanzeige zu einem Haftungsanspruch gegenüber den Geschäftsführern.
Dem Geschäftsführer hilft allerdings der Grundsatz, dass er nur der Gesellschaft haftet, allenfalls solange weiter, wie die Gesellschaft ihre Schulden – die gegebenenfalls auf Pflichtverletzungen des Geschäftsführers beruhen – bezahlen kann. Spätestens wenn die Gesellschaft es nicht mehr kann, sie also insolvent wird, wird sie den Geschäftsführer in Regress nehmen. Nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens verliert der Geschäftsführer nämlich seine Verfügungs- und Verwaltungsbefugnis (§ 80 InsO), die dann vom Insolvenzverwalter wahrgenommen werden. Dazu gehört auch, dass der Insolvenzverwalter den Geschäftsführer wegen der Verletzung seiner Pflichten in Anspruch nimmt und erforderlichenfalls verklagt.
Schon gar nicht kann sich der Gesellschafter auf seine beschränkte Haftung (§ 13 GmbHG) berufen, wenn er zugleich Geschäftsführer ist und aus den dargestellten Gründen in Anspruch genommen wird. Die sehr weit verbreitete Allein-Gesellschafter-Geschäftsführer-GmbH bedeutet für die Gläubiger durchaus kein unüberwindbares Hindernis bei der Inanspruchnahme des Handelnden. Zwar wird der Alleingesellschafter-Geschäftsführer nur selten gewillt sein, sein eigenes Vermögen freiwillig für die GmbH-Schulden zu verwenden. Doch wird er spätestens vom Insolvenzverwalter dazu gezwungen, sofern er sich in seiner Rolle als Geschäftsführer pflichtwidrig verhalten hat. Die Inanspruchnahme durch den Insolvenzverwalter kann auch nicht durch die Nichtstellung des Insolvenzantrages vermieden werden, denn auch die Gläubiger sind zum Antrag berechtigt, § 14 InsO. Zudem verschärft sich die Haftung zusätzlich, auch kommt die Strafbarkeit gem. § 84 GmbHG hinzu. Im Normalfall werden bei Ersttätern Geldstrafen zwischen 150 und 250 Tagessätzen verhängt, das kann jedoch von Fall zu Fall stark variieren.
Die Inanspruchnahme durch den Insolvenzverwalter bleibt nur dann aus, wenn die Kosten des Insolvenzverfahrens durch die vorhandene Masse nicht gedeckt sind (vgl. § 26 InsO – Abweisung mangels Masse). Zu bedenken ist dabei aber zum einen, dass die Ansprüche der Gesellschaft gegen den Geschäftsführer auch zur Masse gehören. Zum anderen kann es auch vorkommen, dass ein Gläubiger die Kosten vorschießt. Schließlich können Gläubiger auf das Vermögen des Geschäftsführers auch ohne ein Insolvenzverfahren zugreifen. Sie haben zwar grundsätzlich nur Ansprüche gegen die Gesellschaft. Wenn sie wegen dieser Ansprüche in das Vermögen der Gesellschaft vollstrecken, können sie Gegenstände der Gesellschaft pfänden. Und zu diesen Gegenständen gehören auch die Ansprüche der Gesellschaft gegen den Geschäftsführer, § 43 Abs. 2 GmbHG. Die Gläubiger können sich diese Ansprüche daher zur Einziehung überweisen lassen.
Auch der Verzicht der Gesellschaft auf die Ansprüche gegen den Geschäftsführer ist nicht unangreifbar. Zum einen gilt schon das – freilich abdingbare – Verbot des Selbstkontrahierens nach § 181 BGB. Zum anderen kann ein solcher Verzicht wegen seiner gläubigerbenachteiligenden Wirkung der (Insolvenz-) Anfechtung unterliegen.
Steuerliche Haftung
Die häufigste steuerliche Haftung des Geschäftsführers beruht auf § 69 AO. Er muss dafür vorsätzlich oder grob fahrlässig seine steuerlichen Pflichten verletzt haben. Diese steuerlichen Pflichten umfassen die Buchführung (§ 41 GmbHG), die steuerlichen Erklärungspflichten und die Bezahlung der Steuern der GmbH. Entsprechend haftet er gem. § 69 AO, wenn er durch seine Buchführungsmängel die Mehrsteuern verursacht, vgl.OVG Berlin – Brandenburg v.12.6.2012 - OVG 1 S 35.12, n.v.
Steuerstrafrechtliche Haftung
Eine weitere Haftungsnorm betrifft § 71 AO. Danach haftet der Geschäftsführer, wenn er selbst als Täter oder Gehilfe eine Steuerhinterziehung zu Gunsten der GmbH begangen hat.
Strafrechtliche Verantwortung
Eine Verletzung der Antragspflicht wird als Insolvenzverschleppung nach § 15a InsO bei vorsätzlicher Begehung (d. h. bei Kenntnis eines Insolvenzgrundes, vgl. dazu § 17 Zahlungsunfähigkeit, § 18 drohender Zahlungsunfähigkeit und § 19 InsO Überschuldung) mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. Unkenntnis der geschäftlichen Lage widerspricht den Sorgfaltspflichten des Geschäftsführers, eine Straffreiheit bei solch fahrlässigem Handeln kann nicht beansprucht werden, § 15a Abs. 5 InsO.
Bereits bei drohender Zahlungsunfähigkeit kann sich der Geschäftsführer als Kaufmann mit dem Bankrott nach § 283 StGB strafbar machen, wenn er in verschiedenen, definierten Fällen den Gepflogenheiten eines ordentlichen Kaufmanns zuwider handelt. Es droht Freiheitsstrafe von bis zu 5 Jahren. Über § 14 StGB Handeln für einen anderen fällt der Geschäftsführer als Organ der GmbH unter diese Regelungen. Insbesondere die Verpflichtung zu ordnungsgemäßer Buchführung stellt hierbei den oftmals einzig beweisbaren, strafrechtlich relevanten Verstoß dar, wenn ein Verdacht auf Bankrott (§ 283 StGB) oder Untreue (§ 266 StGB) sich nicht beweisen lässt. Die Beweisbarkeit stellt die Strafverfolgungsbehörden regelmäßig vor große Schwierigkeiten.
Auch die Gläubigerbegünstigung nach § 283c StGB kann sich für den Geschäftsführer als besonderes Problem darstellen. Schließlich muss nach Eintritt von Zahlungsunfähigkeit nicht unbedingt ausschließlich Gesellschafterinteressen nachgekommen werden, um mit Freiheitsstrafe von bis zu 2 Jahren bedroht zu werden, sondern gerade in Verbindung mit steuerrechtlichen Aspekten ergibt sich ein echtes Dilemma: Der Geschäftsführer muss genau prüfen, ob er etwa die Umsatzsteuer in voller Höhe an das Finanzamt abführt und sich damit dem Vorwurf der Gläubigerbevorzugung aussetzt.
Als letzter Punkt sei an dieser Stelle Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt § 266a StGB erwähnt. Die Nichtzahlung der Sozialversicherungsabgaben wird mit bis zu 5 Jahren Freiheitsstrafe bestraft. Gerade in einer Liquiditätskrise werden häufig nur die Nettolöhne an die Arbeitnehmer rechtzeitig, Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung jedoch verspätet bzw. gar nicht gezahlt. Daraus ergeben sich schwer abwägbare zivilrechtliche Haftungsfragen.
Haftung des „faktischen Geschäftsführers"
Das Rechtsinstrument des so genannten „faktischen Geschäftsführers" kann eine Haftungsverantwortlichkeit von Personen begründen, die nicht nominelle Geschäftsführer der GmbH sind, aber dennoch wesentliche Einflussnahmen auf die Geschäftsführung ausüben. Zu denken ist hier beispielsweise an eine wesentliche Einflussnahme von Gesellschaftern, Beiratsvorsitzenden, Organen eines Mutterunterkonzerns oder von durch Geldgeber eingesetzten Sanierern. Handelt ein solcher Dritter faktisch wie ein Geschäftsführer, so haftet er wie ein nomineller Geschäftsführer. Er haftet als Gesamtschuldner neben dem nominellen Geschäftsführer.
Neben seiner strafrechtlichen Verantwortlichkeit kann ein „faktischer Geschäftsführer" insbesondere auch persönlich in Anspruch genommen werden (z. B. kann der „faktische Geschäftsführer" bei Insolvenzverschleppung persönlich gegenüber den Gläubigern haften).
Welche Voraussetzungen dazu vorliegen müssen, hat der BGH in einer Entscheidung aus dem Jahr 2005 weiter herausgearbeitet:[1]
Der BGH führt in seiner Begründung aus, dass es für eine Haftung nicht erforderlich ist, dass der Handelnde die eigentliche Geschäftsführung völlig verdrängt. Der nominelle Geschäftsführer kann sogar zu einem „reinen Befehlsempfänger degradiert worden sein". Entscheidend sei vielmehr, dass
„der Betreffende die Geschicke der Gesellschaft durch eigenes Handeln im Außenverhältnis, das die Tätigkeit [des Geschäftsführers] nachhaltig prägt, maßgeblich in die Hand genommen hat."
Demnach kann ein Dritter aus einer Haftung als „faktischer Geschäftsführer" nur in Anspruch genommen werden, wenn sich seine Einflussnahme in einer Außenwirkung manifestiert. Als Beispiel hierzu nennt der BGH eine Abbuchung aus Konten der GmbH „per Hand" durch den Einfluss nehmenden Dritten. Zu den Einzelheiten für die Bejahung der faktischen Geschäftsführung nach der Rechtsprechung des BFH vgl. Pump/Fittkau,Die Vermeidung der Haftung des GmbH- Geschäftsführers für Steuerschulden der GmbH, S. 129 -141; Bruschke in DStZ 2012, 407.
Die Bedeutung der Haftung für den Geschäftsführer
Der Geschäftsführer einer GmbH in der Krise sollte sich spätestens zu Beginn der Tätigkeit rechtlich genau durch einen Steuerberater beraten lassen. Insbesondere die Nicht-Feststellung eines Insolvenzgrundes sollte von unabhängiger Seite überprüft werden. Der Geschäftsführer muss auch in der Krise die Einhaltung seiner steuerlichen Pflichten genau dokumentieren.Das gelingt fast nur mit Hilfe eines steuerlichen Beraters.
Die früher widersprüchlichen Anforderungen hinsichtlich Steuerzahlungen und Gläubigerbegünstigung sind zwischenzeitlich geklärt.
Bei Nichtbeachtung drohen erhebliche strafrechtliche Konsequenzen und finanzielle Gefahren durch eigene Haftung. Diese Risiken sollten unbedingt beachtet werden, wenn sich der Geschäftsführer für die Unternehmensrettung bei der GmbH einsetzt.
Die steuerliche Geschäftsführer-Haftung kann weder durch zivilrechtliche Befreiung von dieser Haftung, noch durch die Beendigung des Amtes als Geschäftsführer (Niederlegung) oder den Verkauf der GmbH vermieden werden.Das gilt erst recht für den Verkauf an einen sog. Firmenbestatter.Wird der bisherige Geschäftsführer als Liquidator (Abwickler) der GmbH tätig, so entstehen dadurch weitere steuerliche Pflichten, für deren Verletzung er ebenfalls haftet. [2]
Absicherung
Die Geschäftsführerhaftung kann – zumindest teilweise – durch eine sog. D&O-Versicherung abgesichert werden.Das gilt nicht für den faktischen Geschäftsführer, sondern nur für den nominellen Geschäftsführer gem. § 35 GmbHG, da diese Versicherung nur für sein Verhalten abgeschlossen wird.
Literatur
- Ratka/Rauter: Handbuch Geschäftsführerhaftung - mit Vorstandshaftung, 2. erw. Aufl., facultas.wuv 2011, ISBN 978-3-7089-0705-5
- Ralf Ek: Die Haftung des GmbH-Geschäftsführers, 1. Aufl., München 2011, Verlag C. H. Beck, ISBN 978-3-406-61181-0
- Ingeborg Haas: Die steuerliche Haftung des GmbH-Geschäftsführers. Gabler, Wiesbaden 2010. ISBN 978-3-8349-2524-4
- Gerd Krieger / Uwe. H Schneider: Handbuch Managerhaftung – Risikobereiche und Haftungsfolgen für Vorstand, Geschäftsführer, Aufsichtsrat, 2007
- Karl Sikora: Der GmbH-Geschäftsführer in der Unternehmenskrise – Pflichten und Haftungsrisiken im Stadium der materiellen Insolvenz, NWB 2007, 2583–2602
- Robert Weber / Florian Brügel: Die Haftung des Managements in der Unternehmenskrise: Insolvenz, Kapitalerhaltung und existenzvernichtender Eingriff, DB 2004, 1923–1928
- Bruschke: Die Haftung des "Geschäftsführers". DStZ 2012, S. 407
- Hermann Pump/Herbert Fittkau: Die Vermeidung der Haftung des GmbH-Geschäftsführers für Steuerschulden der GmbH. Erich Schmidt, Berlin 2012, ISBN 978-3-503-13666-7
Einzelnachweise
- ↑ Rn. 13 ff. BGH, Urteil vom 27. Juni 2005, II ZZ 113/03
- ↑ vgl. Leibner/Pump: Die steuerlichen Pflichten eines Liquidators einer GmbH. GmbHR 2003, S. 996.