Der begossene Gärtner

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Film
Titel Der begossene Gärtner
Originaltitel L’Arroseur arrosé
Produktionsland Frankreich
Erscheinungsjahr 1895
Länge 1 Minute
Altersfreigabe
Stab
Regie Louis Lumière
Produktion Louis Lumière
Kamera Louis Lumière
Besetzung
  • François Clerc: Der Gärtner
  • Benoît Duval: Der Junge

Der begossene Gärtner (auch bekannt als Der begossene Rasensprenger; französischer Originaltitel: L’Arroseur arrosé) ist ein französischer Kurzfilm aus dem Jahr 1895. Er zählt zu den zehn Filmen der Filmpioniere Auguste und Louis Lumière, die bei der ersten öffentlichen Präsentation ihres Cinématographe am 28. Dezember 1895 im Pariser Salon Indien du Grand Café vorgeführt wurden.

Der rund 50 Sekunden lange Streifen gilt als der erste inszenierte Spielfilm der Geschichte; die auf visuellen Humor aufbauende Handlung des Films nahm die Entwicklung der Slapstickkomödie vorweg, führte aber auch das Element der Suspense im neuen Medium Film ein. Der begossene Gärtner wurde in den Anfangsjahren der Filmgeschichte häufig kopiert, daneben war der Film Vorbild für eine Vielzahl von Werken mit ähnlichen Gags. Heute zählt Der begossene Gärtner zu den bekanntesten Werken der frühen Filmgeschichte, auch wenn der Film aufgrund der Verfilmung eines fiktionalen Stoffes als untypisch für das Schaffen der Brüder Lumière gilt.

Handlung

Ein Gärtner begießt Gartenbeete mit einem Wasserschlauch. Von ihm unbemerkt schleicht sich ein Junge heran, der auf den Schlauch tritt. Als daraufhin die Wasserzufuhr versiegt, reagiert der Gärtner verwundert und inspiziert den Schlauch. In diesem Moment hebt der Junge seinen Fuß, das Wasser kann wieder fließen und der Gärtner wird von dem Wasserschwall mitten ins Gesicht getroffen. Lachend versucht der Junge wegzulaufen, doch holt ihn der Gärtner ein, führt ihn zurück zum Ort des Geschehens und versohlt ihm den Hintern.

Entstehungsgeschichte

Louis (rechts) und Auguste Lumière, 1895

Louis und Auguste Lumière, die mit ihrer Société Lumière zu den führenden Produzenten fotografischer Platten zählten, hatten nach mehrmonatiger Entwicklungsarbeit am 13. Februar 1895 den Cinématographe, eine Apparatur, die sowohl als Filmkamera, Kopiermaschine und Filmprojektor eingesetzt werden konnte, zum Patent angemeldet.[1] Sie präsentierten ihre Erfindung erstmals am 22. März 1895 in Paris vor der Société d’Encouragement à l’Industrie Nationale. Für die Vorführung hatten sie eigens den knapp einminütigen Film Arbeiter verlassen die Lumière-Werke produziert, der bei dem Fachpublikum für großes Aufsehen sorgte.[2] Die Brüder Lumière traten mit ihrer Erfindung in Konkurrenz zur Thomas Alva Edison, in dessen Laboratorien bereits 1891 mit dem Kinetograph eine Filmkamera entwickelte wurde und der seit 1893 kommerziell Filme für das Kinetoskop, einem Bildbetrachtungsgerät, produzieren ließ.

Während Edison aber seine Filme in einem eigens errichteten Filmstudio, der Black Maria , drehen ließ, bevorzugten die Brüder Lumière als passionierte Fotografen die Arbeit im Freien. Als Reaktion auf die erste erfolgreiche Präsentation des Cinématographe nahmen die Lumières im Frühjahr und Sommer 1895 weitere Filme in ihrer Heimatstadt Lyon sowie in der südfranzösischen Hafenstadt La Ciotat auf. Mit ihren gerade einmal 50 Sekunden langen Aufnahmen dokumentierten sie Szenen aus der Arbeitswelt, aber auch Alltägliches wie das Füttern eines Kleinkinds (Babys Frühstück). Die Laufzeit der Filme entsprach der maximalen Länge der Filmstreifen von 17 Metern, die in dem Cinématographe eingelegt werden konnte.[3]

Ausschnitt aus Herman Vogels Bildergeschichte L'Arroseur, einer literarischen Vorlage von Der begossene Gärtner

Eine Sonderstellung unten den ersten Filmen der Brüder Lumière nimmt der im Frühjahr 1895 aufgenommener Streifen Der begossene Gärtner ein. Im Gegensatz zu den dokumentarischen Aufnahmen (die später als actualités bezeichnet wurden), wurde bei diesem Film eine Handlung sorgfältig inszeniert. Nach eigenen Angaben hatte Louis Lumière mit Der begossene Gärtner einen Streich nachgestellt, den sein jüngerer Bruder Edouard als Zehnjähriger einem Gärtner gespielt hatte.[4] Eine ähnlich strukturierte Geschichte wurde allerdings mehrmals in Comics beschrieben. Eine populäre Bildergeschichte namens L'Arroseur wurde im Jahr 1887 von Hermann Vogel gezeichnet[5] ; ein auch visuell stark dem Film ähnelnder Comic wurde 1889 von dem französischen Zeichner Georges Colomb (Christophe) unter dem Titel Histoire sans paroles – un Arroseur public veröffentlicht[6] .

Der begossene Gärtner wurde mit François Clerc, dem Gärtner der Familie, und Benoît Duval, einem Tischlergesellen aus der Nachbarschaft, in Szene gesetzt. Edouard Lumière trat nicht selbst vor die Kamera, da er als zu jung für diese Aufgabe erachtet wurde.[7] Der Film wurde im Garten der Lumières in Lyon-Monplaisir in einer einzigen Einstellung aufgenommen, was von den Darstellern erforderte, sich innerhalb des von der Kamera erfassten Bildfelds zu bewegen.

Aufführungsgeschichte

Programm der ersten Vorführungen im Salon Indien du Grand Café

Die erste Vorführung von Der begossene Gärtner erfolgte am 10. Juni 1895, als Louis und Auguste Lumière während eines mehrtägigen Kongresses der französischen Fotografenvereinigung in Lyon erstmals eine Auswahl ihrer Filme in einem größeren Rahmen vorstellten. In den folgenden Monaten fanden weitere private Vorführungen der Lumière-Filme für Mitglieder fotografischer und wissenschaftlicher Gesellschaften statt, darunter im November 1895 auch erstmals in Belgien. Der begossene Gärtner, damals noch unter dem Titel Le Jardinier (Der Gärtner) angekündigt, zählte bei fast allen Aufführungen zu den vorgestellten Filmen.[8] Berichte über diese Veranstaltungen in den Fachzeitschriften erweckten ein großes Interesse an dem Cinématographe.[9] Angesichts der zahlreichen Anfragen nach weiteren Filmvorführungen entschlossen sich die Lumières, eine erste kommerzielle Vorführung ihrer Filme vorzubereiten.

Antoine Lumière, der Vater von Louis und Auguste, mietete einen Kellerraum im Grand Café am Pariser Place de l’Opéra an und bereitete dort eine erste Präsentation vor. Die erste Vorführung fand am 28. Dezember 1895 vor Theaterbetreibern und Pressevertretern statt. Innerhalb einer Viertelstunde wurden zehn Filme vorgeführt; gemäß dem überlieferten Programm wurde Le Jardinier als sechster Film gezeigt. Insgesamt fanden sich am 28. Dezember nur 33 zahlende Kunden ein. In den folgenden Tagen stieg die Zahl der Interessenten aber kontinuierlich an, so dass im Januar 1896 bis zu 2500 Zuschauer täglich die Vorführungen besuchten. Das Eintrittsgeld betrug 1 Franc.[10]

Parallel zu dem Cinématographe wurden in Deutschland, in den Vereinigten Staaten und in Großbritannien konkurrierende Filmprojektoren entwickelt, doch dank der technischen Überlegenheit und der professionellen Vermarktung des Cinématographe setzten sich die Lumières mit ihrem System durch und wurden innerhalb weniger Monate zu den weltweit führenden Filmproduzenten.[11] Im Jahr 1896 wurde der Cinématographe in zahlreichen europäischen Staaten, in Nordamerika, Mexiko, Nordafrika, Indien, Japan und Australien präsentiert.[12] Bei der ersten Vorführung des Cinématographe durch Félicien Trewey in London am 20. Februar 1896 zählte Der begossene Gärtner unter dem englischsprachigen Titel Wartering the Gardener zu den gezeigten Filmen[13] , wohingegen der Film bei der New Yorker Premiere am 29. Juni 1896 als The Gardener and the Bad Boy angekündigt wurde[14] . Auch bei den ersten von Ludwig Stollwerck organisierten Filmvorführungen in Köln im April 1896 war Der begossene Gärtner Teil des Filmprogramms.[15]

Die große Nachfrage nach Filmkopien sorgte dafür, dass Der begossene Gärtner bis 1897 mindestens zweimal neu aufgenommen werden musste, da sich die Originalnegative zu schnell abnutzten. In den Katalogen der Brüder Lumière wurde der Film neben dem Originaltitel Le jardinier auch als Le jardinier et le petit espiegle, Arroseur et arrosé und schließlich unter dem heute geläufigen Titel L’Arroseur arrosé geführt.[16] Der letzte Katalog der Société Lumière erschien 1905, in diesem wurde Der begossene Gärtner als Film No. 99 aufgelistet.[17]

Nach Ansicht des Filmhistorikers Alan Williams ist die heute in Filmarchiven und auf DVD zugängliche Version von Der begossene Gärtner nicht die 1895 aufgeführte Originalfassung, sondern eine Neuaufnahme aus dem Jahr 1896, die zuerst unter dem Titel Arroseur et arrosé vertrieben wurde.[18] Verantwortlich für diese Aufnahme war Francis Doublier, der zu den ersten weltweit agierenden Kameraoperateuren der Société Lumière zählte. Nach neueren Untersuchungen führt dagegen das Institut Lumière die bekannte Version, in der der übermütige Junge am Ende des Films vom Gärtner geschlagen wird, als Originalversion von 1895 auf (unter der Katalognummer 99-1). Daneben verzeichnet das Institut zwei weitere Versionen, in denen auch der Junge vom Gärtner nassgespritzt wird, als Filme No. 99-2 und 99-3.[19]

Literatur

  • Georges Sadoul: Louis Lumière. Seghers, Paris 1964.
  • John D. Dennis: Louis Lumière: The Father of French Cinema. In: Bulletin of Hokuriki University, Vol. 30 (2006), S. 69–75.

Anmerkungen und Einzelnachweise

  1. Rémi Fournier Lanzoni: French Cinema: From its Beginnings to the Present. Continuum International Publishing, New York 2002, ISBN 0-8264-1399-4, S. 28.
  2. Conférence de M. Louis Lumière à la Société d'Encouragement pour l'Industrie Nationale. In: Bulletin du Photo-Club de Paris. No. 51, April 1895, S. 125–126.
  3. André Gaudreault: Film and Attraction: From Kinematography to Cinema. University of Illinois Press, Urbana, Ill. 2011, ISBN 978-0-252-03583-8, S. 72.
  4. Georges Sadoul: Louis Lumière, S. 106.
  5. Georges Sadoul: Louis Lumière, S. 53.
  6. Donald Crafton: Before Mickey: The Animated Film 1898–1928. MIT Press; Cambridge, Mass. 1982, ISBN 0-262-03083-7, S. 37–39.
  7. Georges Sadoul: Lumière – The Last Interview. In: Sight & Sound. No. 66, Vol. 17, Sommer 1948, S. 70.
  8. siehe hierzu die Auflistung aller Vorführungen vom Institut Lumière
  9. Die erste ausführliche Beschreibung der Technik des Cinématographe lieferte André Gay im Juli 1895 in dem Aufsatz Le Cinématographe de MM. Auguste et Louis Lumière. In: Revue générale des sciences pures et appliquées. 6e Année, No. 14, 30. Juli 1895, S. 609–648.
  10. Deac Rossell: Living Pictures: the Origins of the Movies. State University of New York Press, Albany 1998, ISBN 0-7914-3767-1, S. 132–135.
  11. Robert Pearson: Early Cinema. In: Geoffrey Nowell-Smith (Hrsg.): The Oxford History of World Cinema. Oxford University Press, Oxford 1996. ISBN 0-19-874242-8, S. 14.
  12. Erik Barnouw: Documentary: a history of the non-fiction film. Oxford University Press, New York 1993, ISBN 0-19-507898-5, S. 11.
  13. Rachael Low: The History of British Film. Volume I: The History of the British Film 1896–1906. Routledge, London 1997, ISBN 0-415-15451-0, S. 44.
  14. Charles Musser: The Emergence of Cinema: The American Screen to 1907. University of California Press, Berkeley 1994, ISBN 0-520-08533-7, S. 138.
  15. Guido Marc Pruys: Die Rhetorik der Filmsynchronisation: Wie ausländische Spielfilme in Deutschland zensiert, verändert und gesehen werden. Narr, Tübingen 1997, ISBN 3-8233-4283-5, S. 140.
  16. Jeebesh Bagchi, Lawrence Liang, Ravi Sundaram, Sudhir Krishnaswamy (Hrsg.): Contested Commons / Trespassing Publics: A Public Record. Sarai Programme, Delhi 2005, ISBN 81-901429-6-8, S. 44.
  17. Georges Sadoul: Louis Lumière, S. 152.
  18. Alan Williams: Republic of Images: A History of French Filmmaking. Harvard University Press, Cambridge 1992, ISBN 0-674-76267-3, S. 408.
  19. Jane M. Gaines: Early Cinema's Heyday of Copying: The Too Many Copies of L'Arroseur arrosé (The Waterer Watered). In: Cultural Studies Vol. 20, Nos. 2/3, March/May 2006, S. 227–244.
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