Europäische Finanzstabilisierungsfazilität
Der Europäische Stabilisierungsmechanismus (ESM, umgangssprachlich auch Euro-Rettungsschirm) ist eine Regelung der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion mit dem Ziel, akut drohende krisenhafte Folgen, die durch übermäßige Verschuldungen einzelnen Mitgliedstaaten der Eurozone verursacht werden können, abzumildern. Es soll damit die Eskalation zu einer unbeherrschbaren Krisensituation für überschuldete Mitgliedstaaten verhindert werden, wie auch eine potenzielle Ansteckung der übrigen Mitgliedstaaten der Eurozone mit einer Finanz-, Währungs- und Wirtschaftskrise. Der ESM sieht dazu insbesondere Notkredite durch die nicht überschuldeten Mitgliedstaaten vor.
In den Bestimmungen zur Währungsunion im Vertrag von Maastricht 1992 war zunächst kein Stabilisierungsmechanismus vorgesehen. Vielmehr sollte eine strenge Nichtbeistands-Klausel die Verantwortlichkeit jedes Mitgliedstaats der Europäischen Union für seine eigene Haushaltspolitik gewährleisten. Infolge der griechischen Finanzkrise, die sich kurz danach zur Euro-Krise 2010 ausweitete, wurde jedoch zunächst für drei Jahre begrenzt die Einführung des Stabilisierungsmechanismus beschlossen. Ende 2010 beschloss der Europäische Rat eine Reform des AEU-Vertrags, durch die der Stabilisierungsmechanismus ab 2013 dauerhaft gelten soll.
Entstehung des Stabilisierungsmechanismus
Provisorium
Die Einrichtung eines provisorischen Stabilisierungsmechanismus wurde im Zuge der Euro-Krise 2010 auf einer Sondersitzung des Europäischen Rats in der Nacht vom 9. auf den 10. Mai 2010 beschlossen.[1] Vorausgegangen war dem die griechische Finanzkrise 2009/10, die am 25. März 2010 zu einem Notfallplan geführt hatte, bei dem Griechenland jeweils bilaterale Kreditgarantien der übrigen Euro-Staaten sowie des Internationalen Währungsfonds in Höhe von insgesamt rund 110 Milliarden Euro zugebilligt wurden.[2] Allerdings stiegen schon kurz nach diesem Notfallplan die Zinsen für die wirtschaftlich schwächeren Länder wieder stark an, sodass neue Maßnahmen erforderlich schienen.
Die deutsche Bundesregierung unter Angela Merkel schlug als Lösungen zunächst den Ausschluss von überschuldeten Staaten aus der Europäischen Währungsunion[3] sowie die Einrichtung einer Staateninsolvenzordnung vor, also ein geregeltes Verfahren, durch das ein überschuldeter Staat einen Teil seiner Schulden nicht zurückbezahlen müsste.[1] Beide Vorschläge wurden jedoch von anderen Mitgliedstaaten abgelehnt, sodass auch Deutschland auf dem Gipfel am 9./10. Mai 2010 in die Einrichtung des Stabilisierungsmechanismus einwilligte. Dieser stützte sich auf Art. 122 AEU-Vertrag,[4] , demzufolge der Rat einem Mitgliedstaat, der „aufgrund von Naturkatastrophen oder außergewöhnlichen Ereignissen, die sich seiner Kontrolle entziehen, von Schwierigkeiten betroffen oder von gravierenden Schwierigkeiten ernstlich bedroht" ist, „unter bestimmten Bedingungen einen finanziellen Beistand der Union" gewähren kann. Als unmittelbare Folge des Beschlusses sanken die Risikoaufschläge für Staatsanleihen der Krisenstaaten wie Griechenland und Spanien am folgenden Tag zunächst wieder ab.[5] [6]
In der darauf folgenden Nacht wurden bei einem weiteren Sondertreffen der EU-Finanzminister weitere Beschlüsse zu den Einzelheiten gefasst. Für das Inkrafttreten des Stabilisierungsmechanismus mussten jedoch noch entsprechende Gesetze in den einzelnen Euro-Ländern verabschiedet werden, etwa das deutsche Gesetz zur Übernahme von Gewährleistungen im Rahmen eines europäischen Stabilisierungsmechanismus, das am 21. Mai 2010 beschlossen wurde. Zu einer Blockade kam es durch die Slowakei, wo der ESM Wahlkampfthema für die Parlamentswahl am 12. Juni 2010 war. Am 16. Juli bewilligte jedoch auch die neue slowakische Regierung unter Iveta Radičová den Rettungsschirm.[7]
In der provisorischen Fassung besteht der Europäische Stabilisierungsmechanismus aus garantierten Krediten über insgesamt 750 Milliarden Euro, die sich aus drei verschiedenen Töpfen speisen: 60 Milliarden Euro können Mitgliedstaaten in einer Schuldenkrise aus dem Haushalt der Europäischen Union selbst zur Verfügung gestellt werden; weitere 440 Milliarden stammen aus der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF), einer Zweckgesellschaft, die Anleihen am Kapitalmarkt aufgibt, für die alle Mitgliedstaaten der Eurozone gemeinschaftlich haften. Zudem stellt der Internationale Währungsfonds (IWF) Kredite von bis zu 250 Milliarden Euro zur Verfügung. In jedem Fall handelt es sich bei diesen Unterstützungsleistungen nur um Kredite, die das betroffene Land später zurückzahlen muss. Allerdings sind die im Rahmen des ESM vereinbarten Zinssätze niedriger als diejenigen, die das Land auf dem freien Markt bezahlen müsste. Im Ausgleich dafür vereinbart das Land mit der EU und dem IWF ein wirtschaftliches Reformprogramm, durch das künftigen Schuldenkrisen vorgebeugt werden soll.[8]
Ergänzung durch die Europäische Zentralbank
Parallel zu den Maßnahmen des Europäischen Rates begann auch die Europäische Zentralbank Staatsanleihen hoch verschuldeter Euro-Staaten zu kaufen. Diese Maßnahme ist formal allerdings nicht Teil des ESM, sondern folgte einer eigenen Entscheidung der Zentralbank. Sie wich damit von ihrem bisherigen Grundprinzip ab, niemals Staatsanleihen aus Mitgliedstaaten zu kaufen.[9] Art. 123 AEU-Vertrag, der den unmittelbaren Erwerb von mitgliedstaatlichen Schuldtiteln durch die Zentralbank verbietet, wurde dadurch umgangen, dass die Staatsanleihen von der EZB nicht direkt von den Emittenten übernommen, sondern – mittelbar – auf dem Sekundärmarkt gekauft wurden.[10] [11]
Beschluss eines dauerhaften Stabilisierungsmechanismus
In den folgenden Monaten setzte sich allerdings die Euro-Krise fort, sodass nach Griechenland auch Irland betroffen war. Daher vermehrten sich auch die Forderungen, auch nach dem Auslaufen des provisorischen Rettungsschirms 2013 einen Mechanismus für Krisenfälle zu etablieren. Nachdem verschiedene Vorschläge wie die Einführung gemeinsamer Staatsanleihen der EU-Staaten, sogenannter Eurobonds, oder die Einrichtung einer Staateninsolvenzordnung von unterschiedlichen Staaten abgelehnt worden waren, wurde auf dem Gipfel des Europäischen Rates am 16./17. Dezember 2010 beschlossen, Art. 136 AEU-Vertrag um einen Absatz zu erweitern, der die dauerhafte Einrichtung eines Stabilisierungsmechanismus ermöglicht. Diese Vertragsänderung muss nun von den Mitgliedstaaten ratifiziert werden und soll zum 1. Januar 2013 in Kraft treten.[12]
Die Ausgestaltung des dauerhaften Stabilisierungsmechanismus wurde am 21. März 2011 von den Finanzministern der Euro-Gruppe beschlossen[13] und am 24. März 2011 von den Staats- und Regierungschefs auf dem Gipfel des Europäischen Rates bestätigt.[14] Dabei fallen die unmittelbar aus dem EU-Haushalt gestellten Kredite weg; stattdessen wird ein neuer ESM-Fonds eingerichtet, in den die Mitgliedstaaten (anders als in die EFSF) 80 Milliarden Euro als Grundkapital einzahlen. Die Einzahlung soll über einen Zeitraum von fünf Jahren erfolgen. Außerdem kann der ESM-Fonds ebenso wie die EFSF eigene Anleihen bis zur Höhe von 420 Milliarden Euro ausgeben, für die die Mitgliedstaaten bürgen. Eine Neuerung gegenüber der EFSF ist zudem, dass der dauerhafte ESM auch direkt Staatsanleihen der Mitgliedstaaten ankaufen kann, so wie es während der Euro-Krise 2010 die Europäische Zentralbank getan hatte. Eine weitere Neuerung ist, dass Staatsanleihen der Mitgliedstaaten ab 2013 grundsätzlich eine Regelung beinhalten sollen, durch die in Notsituationen unter bestimmten Bedingungen auch private Gläubiger beteiligt werden können. Dies entspricht faktisch der zunächst von Deutschland geforderten Staatsinsolvenzordnung.
Vorläufiger Stabilisierungsmechanismus
Der provisorische Stabilitätsmechanismus, der bis 30. Juni 2013 in Kraft ist, wird von drei Säulen getragen:[8] [15]
- Bis zu 60 Milliarden Euro können den betroffenen Staaten aus dem EU-Haushalt zur Verfügung gestellt werden.
- 440 Milliarden Euro können den betroffenen Staaten von der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF) bereitgestellt werden. Dabei handelt es sich um eine Zweckgesellschaft, die am Kapitalmarkt Anleihen aufgibt, für die die Mitgliedstaaten der Eurozone mit unterschiedlich hohen Anteilen garantieren.[16] Der jeweilige Anteil richtet sich nach der Höhe ihres Kapitalanteils an der Europäischen Zentralbank, der sich wiederum je zur Hälfte aus der Bevölkerungszahl und dem Bruttoinlandsprodukt der Mitgliedstaaten ergibt. Für Deutschland ergibt sich damit eine Beteiligung von rund 28 %, was zunächst einer Verpflichtung von bis zu 123,2 Milliarden Euro entspricht. Bei unvorhergesehenem und unabweisbarem Bedarf kann die Garantieermächtigung – mit Einwilligung des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestags – jedoch um 20 Prozent überschritten werden, woraus sich für Deutschland eine maximale Verpflichtung von rd. 148 Milliarden Euro ergeben würde.
- Weitere Kredite in Höhe von rund 250 Milliarden Euro können gegebenenfalls vom Internationalen Währungsfonds (IWF) zur Verfügung gestellt werden. Daran sind von den europäischen EU-Mitgliedstaaten des IWF Deutschland mit 5,98 %, Vereinigtes Königreich mit 4,94 %, Frankreich mit 4,94 %, Italien mit 3,24 %, Niederlande mit 2,37 %, Belgien mit 2,12 %, Spanien mit 1,40 % Kapitalanteil beteiligt.
Europäische Finanzstabilisierungsfazilität
Die Europäische Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF, englisch European Financial Stability Facility) wurde am 7. Juni 2010 gegründet.[16] [17] Es handelt sich dabei um eine Aktiengesellschaft nach luxemburgischem Recht mit Sitz in Luxemburg (Stadt).[18] [19]
Gesellschafter der EFSF sind die Mitgliedstaaten der Euro-Gruppe, Leitungsorgan ist ein Direktorium, das aus jeweils einem Vertreter pro Staat besteht.[18] Als Geschäftsführer wurde am 1. Juli 2010 der Deutsche Klaus Regling berufen, der von 2001 bis 2008 die Generaldirektion Wirtschaft und Finanzen der Europäischen Kommission geleitet hatte.[20] [21] [22] Nachdem 90 % der Mitgliedstaaten die Gründung der EFSF ratifiziert hatten, wurde diese am 4. August 2010 voll aktionsfähig.[23] Die vollständige Ratifizierung der letzten Mitgliedstaaten (Belgien, Slowenien und die Slowakei) folgte bis Anfang Dezember 2010.[24]
Im Krisenfall kann die EFSF Kredite von bis zu 440 Milliarden Euro aufnehmen, indem sie Anleihen begibt, für die ihre Mitgliedstaaten bis zu dem vereinbarten Betrag haften. Als Dienstleister für die EFSF tritt dabei die Deutsche Finanzagentur auf, die die Begebung der Anleihen organisiert. Diese Kredite werden an die finanziell angeschlagenen Mitgliedstaaten weitergereicht, die sich am Kapitalmarkt nicht mehr selbst zu bezahlbaren Zinsen finanzieren können. Jeglicher Hilfe muss allerdings ein einstimmiger Beschluss des Direktoriums, also aller Mitgliedstaaten der Euro-Gruppe, vorangehen.[18] Die Kreditbedingungen, zu denen die EFSF die Kredite an die betroffenen Mitgliedstaaten weitergibt, sollen von der Europäischen Kommission ausgearbeitet werden. Dazu können insbesondere auch Auflagen zu Haushaltskonsolidierungsmaßnahmen zählen.[25]
Um von den Ratingagenturen für die von der EFSF zu begebenden Anleihen die Bestnote – Ratingcode AAA – zu erhalten, sind die Kredite zu 120 Prozent abgesichert. Jedes Land der Eurozone haftet bei einzelnen Emissionen also für 20 Prozent mehr, als es seinem Anteil gemäß EZB-Kapitalschlüssel entspräche.[26] Grund dafür ist, dass von den 16 Euro-Ländern zum Zeitpunkt der EFSF-Gründung nur sechs ein AAA-Rating hatten. Ohne die Übersicherung hätte eine Durchschnittsbewertung daher nicht die Bestnote AAA ergeben, was die Kreditaufnahme durch die EFSF verteuert hätte.[18] [27] [28] Nachdem festgestellt wurde, dass auch eine zwanzigprozentige Übersicherung nicht ausreichte, um ein AAA-Rating über die volle Kreditsumme von 440 Milliarden Euro zu erreichen, wurde Ende März 2011 noch einmal eine Ausweitung der EFSF beschlossen.[29]
Am 25. Januar 2011 begab die EFSF ihre erste Anleihe mit einem Volumen von 5 Mrd. Euro, einer Laufzeit von 5 Jahren und einer Anfangsrendite von 2,89 %. Das erzielte Volumen wird Irland zur Verfügung gestellt.[30]
Beteiligung der Mitgliedstaaten im Einzelnen
Die folgende Tabelle zeigt die jeweiligen Garantien der Mitgliedstaaten der Eurozone am vorläufigen ESM zum Zeitpunkt seiner Einrichtung (d.h. ohne Estland und ohne die 2011 beschlossene Erweiterung der EFSF). Die Staaten sind jeweils sowohl über Garantieleistungen an die EFSF als auch über ihren Anteil am Internationalen Währungsfonds mit an der Finanzierung beteiligt. In keinem Fall fließen jedoch unmittelbar zusätzliche Gelder: Die EFSF-Garantie kann lediglich dann abgerufen werden, wenn die EFSF selbst nicht in der Lage ist, ihre aufgenommenen Anleihen zurückzuzahlen (was nur dann der Fall ist, wenn die Mitgliedstaaten, die von der EFSF gestützt wurden, trotz deren Hilfe insolvent werden). Der IWF-Kredit wiederum wird aus dem regulären Haushalt des IWF bezahlt, an dem die EU-Mitgliedstaaten – ebenso wie die anderen IWF-Mitgliedstaaten, insbesondere die USA als Hauptfinanzier – ohnehin in Höhe ihres jeweiligen Anteils am IWF beteiligt sind. Zudem handelt es sich bei dem Betrag von 250 Milliarden Euro um die Maximalhöhe des Kredits; faktisch wurde bislang lediglich ein Teil davon für Irland in Anspruch genommen.
Land | Garantieleistung in Millionen € |
Anteil an Gesamt in Prozent |
€ pro Einwohner | Anteil am IWF-Kredit in Prozent |
Anteil am IWF-Kredit in Millionen € |
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Osterreich Österreich | 12.241,43 | 2,78 | Vorlage:nts ist VERALTET – siehe dort.
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Belgien Belgien | 15.292,18 | 3,48 | Vorlage:nts ist VERALTET – siehe dort.
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2,12 | 5.300 |
Zypern Republik Zypern | 863,09 | 0,20 | Vorlage:nts ist VERALTET – siehe dort.
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Finnland Finnland | 7.905,20 | 1,80 | Vorlage:nts ist VERALTET – siehe dort.
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Frankreich Frankreich | 89.657,45 | 20,38 | Vorlage:nts ist VERALTET – siehe dort.
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4,94 | 12.350 |
Deutschland Deutschland | 119.390,07 | 27,13 | Vorlage:nts ist VERALTET – siehe dort.
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5,98 | 14.950 |
Griechenland Griechenland | 12.387,70 | 2,82 | Vorlage:nts ist VERALTET – siehe dort.
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Irland Irland | 7.002,40 | 1,59 | Vorlage:nts ist VERALTET – siehe dort.
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Italien Italien | 78.784,72 | 17,91 | Vorlage:nts ist VERALTET – siehe dort.
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3,24 | 8.100 |
Luxemburg Luxemburg | 1.101,39 | 0,25 | Vorlage:nts ist VERALTET – siehe dort.
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Malta Malta | 398,44 | 0,09 | Vorlage:nts ist VERALTET – siehe dort.
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Niederlande Niederlande | 25.143,58 | 5,71 | Vorlage:nts ist VERALTET – siehe dort.
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2,37 | 5.925 |
Portugal Portugal | 11.035,38 | 2,51 | Vorlage:nts ist VERALTET – siehe dort.
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Slowakei Slowakei | 4.371,54 | 0,99 | Vorlage:nts ist VERALTET – siehe dort.
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Slowenien Slowenien | 2.072,92 | 0,47 | Vorlage:nts ist VERALTET – siehe dort.
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Spanien Spanien | 52.352,51 | 11,90 | Vorlage:nts ist VERALTET – siehe dort.
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1,40 | 3.500 |
Eurozone (16) ohne Estland | 440.000,00 | 100,00 | Vorlage:nts ist VERALTET – siehe dort.
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Dauerhafter Stabilisierungsmechanismus
Ab 2013 wird ein dauerhafter Stabilisierungsmechanismus in Kraft treten, über dessen genaue Ausgestaltung Ende März 2011 entschieden wurde.[13] Er wurde gegenüber dem provisorischen ESM ausgeweitet, sodass er insgesamt 500 Milliarden Euro umfasst. Auch hier richtet sich der jeweilige Anteil nach der Höhe des Kapitalanteils der Mitgliedstaaten an der Europäischen Zentralbank, wobei allerdings Mitgliedstaaten, deren Bruttoinlandsprodukt unterhalb von 75 % des EU-Durchschnitts liegt, zu einem etwas geringeren Anteil beteiligt sind.[29] Für Deutschland ergibt sich eine Beteiligung von insgesamt rund 27 %.[29]
Gegenüber dem vorläufigen ESM wurde ein etwas abgeändertes Modell gewählt. Die EFSF wird durch einen neuen ESM-Fonds abgelöst, in den die Mitgliedstaaten einen bestimmten Beitrag unmittelbar einzahlen. Anders als die EFSF hat der ESM-Fonds damit ein eigenes Grundkapital. Die im vorläufigen ESM vorgesehenen Kredite aus dem EU-Haushalt entfallen dagegen. Darüber hinaus stellen die Mitgliedstaaten ebenso wie bei der EFSF wiederum Kreditgarantien für ESM-Anleihen zur Verfügung. Insgesamt setzt sich der dauerhafte ESM also aus folgenden drei Bestandteilen zusammen:
- 80 Milliarden Euro werden von den Mitgliedstaaten direkt einbezahlt (die Zahlungen fließen ab dem Jahr 2013 in fünf Raten zu jeweils 16 Milliarden Euro) und stehen dem ESM unmittelbar zur Verfügung.
- 420 Milliarden Euro werden von den Mitgliedstaaten als Kreditgarantien für ESM-Anleihen bereitgehalten. Um für ESM-Anleihen insgesamt ein AAA-Rating zu erzielen, muss jeder Mitgliedstaat allerdings für mehr als nur seinen eigenen Anteil bürgen. Die Garantiesumme ist damit insgesamt höher, nämlich rund 620 Milliarden Euro.
- 250 Milliarden Euro stellt gegebenenfalls weiterhin der IWF als Kredit zur Verfügung.
Die Kredite des ESM sollen Mitgliedstaaten in Notsituationen zur Verfügung gestellt werden, sofern die Finanzminister der Euro-Gruppe das einstimmig beschließen und es für das Land keine andere Möglichkeit zur Refinanzierung gibt. Entsprechend dem Modell des Internationalen Währungsfonds soll der Zinssatz jeweils um einen Prozentpunkt, ab dem dritten Jahr um zwei Prozentpunkte über den Refinanzierungskosten des ESM liegen.[29] Der ESM soll dabei gegenüber anderen Gläubigern einen Vorzugsstatus erhalten, der lediglich dem IWF untergeordnet ist.[29] Zudem kann der ESM auch gewöhnliche Staatsanleihen der Mitgliedstaaten ankaufen.[13]
Neben den Krediten des ESM sollen in Notsituationen zudem private Gläubiger an der Refinanzierung beteiligt werden können. Dafür findet eine Schuldentragfähigkeitsanalyse von Europäischer Kommission und IWF statt. Sofern diese zu dem Ergebnis kommt, dass die Schuldenlast des Landes nicht dauerhaft tragfähig ist, kommt es zu einem Restrukturierungsplan, bei dem ein Teil der Schulden nicht zurückgezahlt wird. Entsprechende Regelungen sollen ab 2013 in allen Staatsanleihen europäischer Staaten aufgenommen werden.[13] [29] Faktisch entspricht dies einer Staatsinsolvenzordnung.
Verhältnis zur Nichtbeistandsklausel
Problematisch am Europäischen Stabilisierungsmechanismus ist sein Verhältnis zur Nichtbeistandsklausel in Art. 125 AEU-Vertrag, die eine Haftung von Mitgliedstaaten oder der Europäischen Union als Ganzer für die Schulden anderer Mitgliedstaaten ausschließt. Zur Rechtfertigung des Stabilisierungsmechanismus wurde Art. 122 AEU-Vertrag angeführt, der finanzielle Hilfen für einen Mitgliedstaat erlaubt, der „aufgrund von Naturkatastrophen oder außergewöhnlichen Ereignissen, die sich seiner Kontrolle entziehen, von Schwierigkeiten betroffen oder von gravierenden Schwierigkeiten ernstlich bedroht" ist.
Dennoch wurde vor dem deutschen Bundesverfassungsgericht unter anderem von Peter Gauweiler sowie von einer Gruppe, die Wilhelm Hankel, Karl Albrecht Schachtschneider, Joachim Starbatty, Wilhelm Nölling sowie Dieter Spethmann umfasst, unter Berufung auf die Nichtbeistandsklausel Klage gegen den Stabilisierungsmechanismus eingereicht.[31] [32] Das Bundesverfassungsgericht hat die Klage angenommen und den Beteiligten (Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat) zur Stellungnahme vorgelegt.[33]
Um dieses vertragsrechtliche Problem zu lösen, wurde für den dauerhaften Stabilisierungsmechanismus, der ab 2013 in Kraft treten soll, eine Änderung des AEU-Vertrags vereinbart. Dabei soll zwar die Nichtbeistandsklausel unangetastet bleiben, aber Art. 136 AEU-Vertrag um einen Absatz erweitert werden, der ausdrücklich die Einrichtung eines dauerhaften Stabilisierungsmechanismus durch die Staaten der Eurozone ermöglicht. Dieser soll aktiviert werden können, um „im Notfall die Stabilität der Eurozone als Ganzes zu sichern", Finanzhilfen im Rahmen des dauerhaften Stabilisierungsmechanismus sollen „strikten Bedingungen unterworfen" sein.[12]
Kritik
Die Einführung des Europäischen Stabilisierungsmechanismus wurde unter anderem vom ifo Institut für Wirtschaftsforschung kritisiert, dessen Präsident Hans-Werner Sinn davor warnte, dass der Rettungsschirm für Deutschland „ein unkalkulierbares Abenteuer" und „eine sichere Wachstumsbremse" darstelle. Er begründete dies unter anderem damit, dass Deutschland de facto die Gewährleistung für die Schulden der anderen Eurostaaten übernehme und dadurch die Refinanzierungskosten für den deutschen Staat steigen würden.[34]
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ a b Frankfurter Allgemeine Zeitung, 8. Mai 2010: Das Endspiel um den Euro.
- ↑ Pressemitteilung des Internationalen Währungsfonds, 2. Mai 2010: IMF Reaches Staff-level Agreement with Greece on 30ドル Billion Stand-By Arrangement (englisch).
- ↑ Handelsblatt, 26. März 2010: Sarkozy und Brown schmettern Merkels Ausschluss-Idee ab.
- ↑ Frankfurter Allgemeine Zeitung, 8. Mai 2010: „Wir werden den Euro verteidigen".
- ↑ Euronews, 10. Mai 2010: Positives Echo auf Rettungsnetz an den Börsen.
- ↑ Euronews, 10. Mai 2010: EU-Rettungspaket wirkt.
- ↑ EurActiv, 16. Juli 2010: Neue slowakische Regierung ebnet Weg für Euro-Rettungsfonds.
- ↑ a b Spiegel Online, 10. Mai 2010: EU beschließt Multi-Milliarden-Stütze für den Euro.
- ↑ Spiegel Online, 29. Mai 2010: EZB kauft griechische Anleihen. Bundesbanker vermuten französisches Komplott
- ↑ Legal Tribune Online, o.D. (Mai 2010): Euro-Krise und Rettungsschirm. Weicht das Recht der Politik?
- ↑ Frankfurter Allgemeine Zeitung, 11. Mai 2010: Wie der Euro-Rettungstopf funktioniert. (hierin: Welche Rechtsgrundlage hat der Rettungsschirm?)
- ↑ a b Der Standard, 16. Dezember 2010: EU-Gipfel über permanenten Krisenmechanismus einig.
- ↑ a b c d Süddeutsche Zeitung, 21. März 2011: Deutschland muss 22 Milliarden Euro zahlen.
- ↑ Die Presse: EU-Gipfel: Einigung auf 700 Milliarden-Rettungsschirm , 25. März 2011.
- ↑ Frankfurter Allgemeine Zeitung, 21. Mai 2010: Euro-Rettungspaket. 148.000.000.000 Euro sind beschlossen
- ↑ a b Spiegel Online, 7. Juni 2010: Finanzminister besiegeln Euro-Rettungsmechanismus.
- ↑ Die Zeit online, 8. Juni 2010: Euro-Finanzminister besiegeln 440-Milliarden-Bürgschaft
- ↑ a b c d Bundesfinanzministerium, 9. Juni 2010: Eurogruppe billigt Verträge zur Gründung der Zweckgesellschaft, hier auch als pdf: Rahmenvertrag der Garantiegeber und Gesellschaftervertrag]
- ↑ Tagesschau (ARD), 8. Juni 2010: Vorlage:Tagesschau
- ↑ EFSF: European Financial Stability Facility CEO Takes Office vom 1. Juli 2010
- ↑ Frankfurter Allgemeine Zeitung, 10. Juni 2010: Im Portrait: Klaus Regling. Europäischer Feuerwehrmann
- ↑ Financial Times Deutschland, 9. Juni 2010: Kopf des Tages: Klaus Regling – Brüssels Milliardenmann
- ↑ Pressemitteilung der EFSF, 4. August 2010: EFSF becomes fully operational (englisch).
- ↑ Pressemitteilung der EFSF, 3. Dezember 2010: Belgium, Slovakia and Slovenia now full EFSF members (englisch).
- ↑ Focus Money, 12. Januar 2011: Schuldenkrise: Unter welchen Bedingungen erhält ein Land Geld?
- ↑ EFSF: Rating agencies assign top credit rating to EFSF vom 20. September 2010
- ↑ Financial Times Deutschland, 9. Juni 2010: Wie der Super-Rettungsfonds für den Euro funktioniert
- ↑ Euronews, 8. Juni 2010: Rettungsschild der EU steht.
- ↑ a b c d e f Financial Times Deutschland, 21. März 2011: Deutschland schultert ein Viertel der Euro-Rettung.
- ↑ EFSF: EFSF places inaugural benchmark issue vom 25. Januar 2011
- ↑ Frankfurter Allgemeine, 7. Juli 2010: Warnung vor Transferunion.
- ↑ W. Hankel, W. Nölling, K.A. Schachtschneider, D. Spethmann, J. Starbatty: Presseerklärung zur Verfassungsklage gegen den Rettungsschirm für den Euro, Klageschrift im Volltext.
- ↑ Wilhelm Hankel: Danksagung an die Spender und Stand der Klage
- ↑ Handelsblatt, 20. Mai 2010: „Fehlentscheidung": Ifo-Institut verdammt Euro-Rettungsschirm