Kaltenleutgeben
Kaltenleutgeben ist eine Marktgemeinde im Bezirk Mödling in Niederösterreich mit 3312 Einwohnern (Stand 1. Jänner 2024).
Geografie
Kaltenleutgeben liegt im Industrieviertel in Niederösterreich, im südlichen Wienerwald. 73,41 Prozent der Fläche sind bewaldet, wobei die Fläche der Marktgemeinde 17,5 Quadratkilometer umfasst. Die Gemeinde grenzt direkt an den äußersten Südwesten der Stadt Wien an und ist ein beliebtes Naherholungsgebiet der Wiener Bevölkerung.
Die Bebauung Kaltenleutgebens befindet sich im Tal der Dürren Liesing, die nach Perchtoldsdorf (nach Osten) fließt. Das recht enge und bis zu 80 Meter tiefe Tal weist eine teilweise erhebliche Hangneigung auf. Das Kaltenleutgebener Tal dient aufgrund seiner Orographie dem Wiener Südraum als eine Frischluftschneise.
Es existieren keine weiteren Katastralgemeinden außer Kaltenleutgeben.
Das Gebiet von Kaltenleutgeben ist wegen seiner komplizierten geologischen Struktur in einer Reihe geologischer Fachpublikationen eingehend untersucht worden.[1]
Nachbargemeinden
Geschichte
Im Altertum war das Gebiet Teil der Provinz Pannonia.
Am Lauf des Baches lagen eine Reihe von Mühlen, deren Namen (Waldmühle, Neumühle, Polsterer-Mühle) noch darauf hinweisen.[2]
Kaltenleutgeben war ein frühes Wintersportgebiet: Bereits 1890 hatte auf einer Waldwiese westlich des Ortes, der „Norwegerwiese", der aus Norwegen stammende Bäckergeselle Wilhelm Bismark Samson durch seine Schilaufkenntnisse beeindruckt, wobei er auch 15 m weite Sprünge über selbstgebaute Schanzen zeigte.[3] Vor dem Ersten Weltkrieg gab es in Kaltenleutgeben bereits einen Schiverleih mit 30 Paar Schiern, auf der Wiese wurden Schirennen abgehalten.[4] 1952 wurde auf der Wiese ein 198 m langer[3] Schischlepplift gebaut, der bis zu seiner Abtragung 2015 als der wahrscheinlich älteste noch im Originalzustand befindliche Schilift der Welt galt.[5] Diese Anlage war in den letzten Jahrzehnten, nachdem ihr Besitzer bereits den Betrieb einstellen wollte, nur mehr fallweise von freiwilligen Helfern der Bergrettung betrieben worden.[6]
Nach dem Anschluss Österreichs 1938 wurde der Ort nach Groß-Wien zum 25. Bezirk eingemeindet.
Erst 1954 wurde der Ort wieder eigenständig und fiel an Niederösterreich zurück. Im Zuge der Ausgemeindung wurden die Gemeindegrenzen neu festgelegt. So kam ein Teil der Kuhheide zu Gießhübl, sowie die Rotte Wassergspreng zur damaligen Nachbargemeinde Weissenbach.
Zu Jahresbeginn 2012 tauschte Kaltenleutgeben mit Perchtoldsdorf einen kleinen Teil seines Gemeindegebietes in der Größe von 58 Hektar, wodurch sich die Gemeindegrenzen etwas verschoben. Einige Grundstücke der Perchtoldsdorfer Tirolerhofsiedlung lagen bis dahin auf Kaltenleutgebener Gebiet, obwohl die Bewohner alle Einrichtungen der Marktgemeinde Perchtoldsdorf und nicht ihrer Heimatgemeinde nutzten. Kaltenleutgeben war auf direktem Weg für sie nicht erreichbar. Perchtoldsdorf trat im Gegenzug eine ebenso große Fläche auf den Grundstücken der ehemaligen Perlmooser AG an Kaltenleutgeben ab.[7] [8]
Bevölkerungsentwicklung
Volkszählung | 1971 | 1981 | 1991 | 2001 | 2011 |
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Einwohner | 2.520 | 2.552 | 2.699 | 2.998 | 3.357 |
Politik
Bürgermeister der Marktgemeinde ist Josef Graf (SPÖ) und Vizebürgermeister ist Hannes Stiehl (FPÖ).
Im Marktgemeinderat gibt es bei insgesamt 23 Sitzen nach der Gemeinderatswahl 2015 folgende Mandatsverteilung: SPÖ 11,ÖVP 8, FPÖ 2, Die Grünen 2
Wirtschaft
Nichtlandwirtschaftliche Arbeitsstätten gab es im Jahr 2001 124, land- und forstwirtschaftliche Betriebe nach der Erhebung 1999 11. Die Zahl der Erwerbstätigen am Wohnort betrug nach der Volkszählung 2001 1403. Die Erwerbsquote lag 2001 bei 48,93 Prozent.
Der Hauptbetrieb in Kaltenleutgeben war über Jahrzehnte die Zementfabrik Perlmooser, die zum Konzern Lafarge gehört, für welche am Ortsbeginn von Kaltenleutgeben und östlich davon als Rohstoff der dort vorhandene Kalkstein (Jurahornsteinkalk, Schrambach-Neokomaptychenschichten) abgebaut wurde. Der Betrieb besteht nur mehr aus Lagerhallen, der Kern des Werkes wurde 2012/13 abgetragen. Für das Werk und die vor seiner Einrichtung verbreitete Kalkproduktion wurde auch die 2014 eingestellte Kaltenleutgebener Bahn zur Südbahn nach Liesing gebaut. Zwei Bergbaue auf Kohle östlich der Mündung des Flösselgrabens und an der Einmündung des Wienergrabens[10] sind seit Beginn des 20. Jahrhunderts ebenfalls eingestellt.
Sonst ist die Gemeinde eher eine Wohnsitzgemeinde. Viele Wiener haben hier ihre Zweitwohnsitze aufgebaut, da Wien recht nahe liegt.
Kultur und Sehenswürdigkeiten
- Katholische Pfarrkirche Kaltenleutgeben hl. Jakobus der Ältere: Die Kirche, 1728–1729 geplant und 1729–1732 ausgeführt, ist das Hauptwerk des Barockbaumeisters Jakob Oeckhl. Er errichtete und finanzierte den Bau nach dem Tode seiner zweiten Frau aufgrund eines Gelübdes zur Geburt seines Sohnes. Das Hochaltarbild entstammt der Heiligenkreuzer Schule um Martino Altomonte, die aus Lindenholz geschnitzte Dreifaltigkeitsgruppe wird Giovanni Giuliani zugerechnet.
Persönlichkeiten
- Söhne und Töchter der Gemeinde
- Joe Berger (1939–1991), Lyriker, Dramatiker, Erzähler, Journalist, Schauspieler und Aktionist, Mitglied der Grazer Autorenversammlung
- Personen mit Bezug zur Gemeinde
- Mark Twain (1835–1910), US-amerikanischer Schriftsteller, Autor der Bücher über die Abenteuer von Tom Sawyer und Huckleberry Finn, lebte 1898 ein halbes Jahr[11] [12] in der Villa Paulhof in Kaltenleutgeben
- Henryk Sienkiewicz (1846–1916), polnischer Schriftsteller, hielt sich ab 1885 mehrmals als Kurgast in Kaltenleutgeben auf.
- Michael Pewny (* 1963), Pianist und Wirtschaftswissenschaftler spielte zwischen 1995 und 2018 im Kaltenleutgebener Hof und Restaurant Kaiserziegel, unter anderem mit Christian Dozzler, Oscar Klein, Al Cook, Dana Gillespie, Herbert Swoboda und Big Jay McNeely.
- Wilhelm Winternitz (1834–1917), Internist, Hydrotherapeut und Balneologe, errichtete die Kaltwasseranstalt.[13]
Weblinks
- 31713 – Kaltenleutgeben. Gemeindedaten der Statistik Austria
Einzelnachweise
- ↑ Georg Rosenberg: Der kalkalpine Wienerwald um Kaltenleutgeben (Niederösterreich und Wien). Jahrbuch der Geologischen Bundesanstalt. Band 108, Wien 1965. Seiten 115–153. [1] (PDF; 4,3 MB) mit umfangreichem Literaturverzeichnis und farbiger geologischer Karte 1:10.000.
- ↑ Ferdinand Opll: Karten als Quelle topographischer Erkenntnis. Der Liesinger Raum im Süden Wiens zur Zeit Maria Theresias. In: Wiener Geschichtsblätter. Hrsg. vom Verein für Geschichte der Stadt Wien. 68. Jahrgang. Heft 2/2013. ISSN 0043-5317 ZDB-ID 2245-7 . S. 117.
- ↑ a b Christine Mitterwenger: Winterfreuden auf der Perchtoldsdorfer Heide. Zum Après-Ski in die Rablhütte. In: Perchtoldsdorf Rundschau. Heft 2/3 aus 2015. S. 5.
- ↑ BergNews.com Kaltenleutgeben – Höllenstein (abgerufen 20. Dezember 2016).
- ↑ Liftdatenbank Seilbahntechnik (abgerufen 20. Dezember 2015).
- ↑ Thomas Kaltenegger, Anna-Maria Walli: Bericht der Ortsstelle Wienerwald Süd. In: Jahresbericht 2016/17 des Österreichischen Bergrettungsdienstes, Ausgabe Wien. Hrsg. vom Österreichischen Bergrettungsdienst, Landesorganisation Niederösterreich/Wien. Wien 2016. S. 22.
- ↑ Alle Tirolerhofer nun „Landsleute" in der NÖN Ausgabe Mödling: Woche 04/2012
- ↑ grenzänderung zwischen den marktgemeinden kaltenleutgeben und perchtoldsdorf auf der Gemeindehomepage Perchtoldsdorf abgerufen am 28. Jänner 2012
- ↑ Bevölkerungsentwicklung von Kaltenleutgeben. (PDF)
- ↑ Rosenberg, Seite 120 und Tafel 1.
- ↑ in Kaltenleutgeben (Personalnachricht.) Badener Zeitung, 22. Oktober 1898, S. 4, links Mitte [2]
- ↑ Marktgemeinde Kaltenleutgeben: Kaltenleutgeben von damals bis heute
- ↑ KaltwasseranstaltWinternitz im RegiowikiAT vom 20. März 2017