„Schuldnerberatung" – Versionsunterschied
Version vom 6. Mai 2005, 09:34 Uhr
Schuldnerberatung bezeichnet die Hilfestellung, die Menschen mit Schuldenproblemen (Schuldnern) in Form von Rat und Hilfe in psycho-sozialer, finanzieller und rechtlicher Hinsicht gewährt wird. Die Verbraucherzentralen der Bundesländer bezeichnen die Beratung aus Anlass von Schuldenproblemen als Schuldenberatung ähnlich den Begriffen Rentenberatung und Steuerberatung, bei denen das Sachgebiet und nicht der zu beratende Personenkreis zum Ausgangspunkt der Begriffsbildung genommen wird.
Die meisten Ratsuchenden geraten in Folge eines sogenannten "kritischen Lebensereignisses" in die Situation einer Zahlungsüberpflichtung, beispielsweise durch Verlust des regelmäßigen Einkommens oder durch Entzweiung einer Partnerschaft. Auch Kurzarbeit, Schwangerschaft, Bürgschaften oder eine fehlgeschlagene Selbstständigkeit können ein solches kritisches Lebensereignis darstellen. Wenn die -meist ungewollte- neue Einkommens-Situation nach Abzug des pfändungsrechtlich -für den Lebensbedarf- zu Belassenden die Erfüllung der Zahl-Pflichten -oft für ein betagtes Verbraucherdarlehen- nicht ermöglicht, ist zwar die Insolvenz-Situation gegeben, nicht jedoch schon die Situation der insolvenzrechtlichen Zahlungs-Überpflichtung. Als zahlungsüberpflichtet ist (nach den aktuellen Vorgaben der Insolvenzordnung) anzusehen, wer mit dem Veräußerungserlös seiner zwangsvollstreckungsrechtlich aktuell verwertbaren Vermögensgegenstände zuzüglich der pfändbaren Einkommens-Anteile der nächsten sechs Jahre seine Schulden mit Wahrscheinlichkeit nicht vollständig tilgen kann. (Lewerenz)
Manche Schulden-Probleme sind aber auch auf die unzureichende Fähigkeit zurückzuführen, mit Geld umzugehen. Das Angebot des Handels, auf Darlehensbasis zu kaufen, bzw. der Banken, das Konto zu überziehen, verführt oftmals dazu, mehr Geld auszugeben, als eingenommen wird. Es ist natürlich schwieriger, die eigenen Lebenshaltungskosten zu erfassen als Kredite in Anspruch zu nehmen. Auch der bargeldlose Zahlungsverkehr ist eine Schuldenfalle. Da heutzutage das Konsumieren von Waren und Dienstleistungen mit dem Bezahlen meist nicht mehr zeitlich zusammenfällt (Gebührenrechnungen kommen erst einen Monat später, automatische Abbuchungen vom Konto) entsteht die Vorstellung, unbegrenzt über Geldreserven verfügen zu können. In diesen Fällen sind die betroffenen Menschen bei Lektüre der entsprechenden Abrechnungen (z.B. Handy-Rechnungen) sehr überrascht und reagieren dann zum Teil mit Verdrängung.
Viele Schuldenberatungsstellen orientieren sich an einem ganzheitlichen Beratungskonzept, in der Regel unter Einbindung von Sozialarbeiterinnen, Sozialpädagogen, Psychologen, Betriebswirten, Ökotrophologen und Juristen. Vordringlichstes Ziel der Einzelberatung ist es zunächst, die elementaren Lebensbedürfnisse der ratsuchenden Menschen und ihrer Angehörigen abzusichern, indem alle tatsächlichen und rechtlichen Möglichkeiten ausgeschöpft werden. Mittelfristig wird dann auch eine psycho-soziale Stabilisierung, die Aktivierung des Selbsthilfe-Potenzials und langfristig die Schuldenbefreiung angestrebt. In Deutschland ermöglicht die Insolvenzordnung ("InsO") den zahlungsüberpflichteten Menschen die Beantragung der Eröffnung eines gerichtlichen Verbraucherinsolvenzverfahrens. Dieses führt nach Ablauf einer sechsjährigen Treuhandzeit ("Wohlverhaltensperiode") zu einer Zahlungs-Entpflichtung durch Gerichts-Beschluss ("Restschuldbefreiung").
Die Zahlungsüberpflichtung von Menschen (insolvenzrechtliche Verbraucher-Überschuldung) hatte in den letzten Jahrzehnten des vergangenen Jahrhunderts so stark zugenommen, dass schließlich auch der BRD-Gesetzgeber sich veranlasst gesehen hat, neue gesetzliche Regelungen zum Zwecke der Verbraucher-Entschuldung einzuführen, um diese wieder marktfähig werden zu lassen. Schätzungen zufolge war in Deutschland im Jahre 2003 rund 10% der erwachsenen Bevölkerung als zahlungsüberpflichtet anzusehen. Die Höhe des pfändbaren Betrages ist in der gesetzlichen Zumutbarkeitstabelle ("Lohnpfändungstabelle") festgelegt, die als Anlage zu § 850 c der Zivilprozessordnung (ZPO) veröffentlicht ist. Die ab Juli 2005 geltende Tabelle weist kleinere Verbesserungen zu Gunsten der zahlungspflichtigen Personen auf. (Bundesgesetzblatt Teil I vom 8.März 2005, Seite 494)
Die vom Insolvenzgericht (meistens das Amtsgericht am Ort des örtlich zuständigen Landgerichts) bestimmte Treuhandstelle ("Treuhänder") verwertet zunächst im eröffneten Insolvenzverfahren die noch vorhandenen Vermögensgegenstände einschließlich der anfallenden pfändbaren Beträge der Bezüge aus Dienstverhältnissen oder an deren Stelle tretende Bezüge. Während der sogenannten Treuhandzeit (Restschuldbefreiungsverfahren)zieht die Treuhandstelle die bei Lohn- oder Lohnersatzleister nach der gesetzlichen Zumutbarkeits-Tabelle pfändbaren Einkommens-Anteile ein und verteilt das Angesammelte im Abstand von 12 Monaten nach Maßgabe der entsprechenden Vorschriften an die beteiligten Forderungspersonen (Gläubiger und Gläubigerinnen).
Im Restschudlbefreiungsverfahren (sogenannte Wohlverhaltensperiode oder Treuhandzeit) ist der betroffene Mensch verpflichtet, im Falle einer gegebenen Arbeitslosigkeit -in nachweisbarer Weise- ein angemessenes Erwerbseinkommen anzustreben. Im Falle eines Umzugs oder wenn Änderungen bei Lohnleister(n) (Arbeitgebern) oder bei Lohnersatzleistern (bei Krankengeld die Krankenkasse und bei Renten der Rententräger) eintreten, sind die jeweiligen neuen Verhältnisse der Treuhandstelle mitzuteilen. Auch Erbschaften oder Vermächtnisse ("Vermögens-Erwerb von Todes wegen") müssen der Treuhandstelle mitgeteilt werden, die dann die Hälfte des Vermögenwertes zu Gunsten der Forderungspersonen beansprucht. Bei Nicht-Einhaltung dieser Verpflichtungen ("Obliegenheitsverletzungen") kann das Insolvenzgericht die Zahlungs-Entpflichtung verweigern ("die Restschuldbefreiung versagen").
Die insolvenzrechtliche Treuhandzeit ("Wohlverhaltensperiode") endet nach 72 Monaten mit Ablauf des Tages, der in seiner nach Monat und Tag gebildeten Zahl dem Tage entspricht, an welchem das gerichtliche Insolvenzverfahrens eröffnet wurde.
SB-Stellen gelten -insbesondere nach Ansicht von unkündbar festangestellten Beratungskräften- nur dann als seriös, wenn sie für die Ratsuchenden kostenfrei arbeiten. Nach anderer Auffassung wird jedoch auch in solchen Beratungsstellen ernsthaft und den fachlichen Standards entsprechend gearbeitet, die sich wegen fehlender oder nicht ausreichender anderweitiger Finanzierung zu einer Gebühren-Erhebung veranlasst sehen. In einigen seriösen Schuldnerberatungsstellen ist die kostenfreie Beratung auf einen definierten Kreis Anspruchsberechtigter beschränkt. Als seriös werden in der Regel Beratungsstellen angesehen, die von Kommunen, Verbraucherzentralen, Wohlfahrtsverbänden oder diesen angeschlossenen Vereinen getragen werden.
Auskünfte über die jeweils zuständige Beratungsstelle erteilen die zuständigen Kommunalverwaltungen. Im Auftrag des Bundes-Familienministeriums bearbeitet die Redaktion des "Forum Schuldnerberatung" ein Verzeichnis aller seriösen Schuldnerberatungsstellen in Deutschland. Die Liste ist unter www.forum-schuldnerberatung.de oder unter www.ass-ma.de zu erreichen. Seit dem Jahre 2000 entstehen jedoch immer mehr SB-Stellen, die keine soziale Arbeit sondern -ähnlich wie Mietervereine oder Lohnsteuerhilfevereine- ausschließlich Resolvenz-Beratung als Sachberatung anbieten.(z.B. Resolvenz-Bund)
Im Jahre 2004 war die Hälfte aller Schuldnerberatungsstellen in Deutschland nur mit einer einzigen Beratungskraft besetzt, so dass oft Wartezeiten von unzumutbarer Dauer entstanden. Die Verknappung der öffentlichen Mittel, die großenteils auf die politisch gewollte Ermäßigung der Besteuerung von supra-nationalen Wirtschafts-Unternehmen zurückzuführen ist, wird von den politisch Verantwortlichen gerne für den weiteren Personal-Abbau im Bereich der SB zum Anlass genommen.
Weblinks
- http://www.schulden-online.de/ (Uni Mainz)
- http://www.forum-schuldnerberatung.de
- http://www.schuldnerhilfe.de
- http://www.insolvenzhilfeverein.de
- http://www.fachverband-schuldnerberatung.de
- http://www.ass-ma.de
- http://www.bag-sb.de (Bundesarbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung)
- http://www.existenzgruender.de/03/01/14/index.php (Schuldnerberatung des BMWA für "Existenzgründer")