„Retrowelle" – Versionsunterschied

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Oberflächlich betrachtet zeigt sich das Phänomen "Retro" in der immer rascheren Reanimation vergangener Jahrzehnte. So kehrten die Siebziger, Sechziger und Achziger in den Neunzigern ein ums andere Mal in großen Revivals mit Kordsamt, Schlaghosen und Gitarrenrock wieder.
Oberflächlich betrachtet zeigt sich das Phänomen "Retro" in der immer rascheren Reanimation vergangener Jahrzehnte. So kehrten die Siebziger, Sechziger und Achziger in den Neunzigern ein ums andere Mal in großen Revivals mit Kordsamt, Schlaghosen und Gitarrenrock wieder.
Dass die Kinder der Siebziger, damals von der Wirtschaft zum ersten Mal als kaufkräftige Zielgruppe erkannt, Mitte der Neunziger, also in der Phase ihres Erwachsenwerdens die Produkte ihrer Jugend, Spielzeug, Lebensmittel und Fernsehserien (Wicki, Fanta-JoJo, [[Playmobil]], [[Lego]], [[Tom Sawyer]], [[Zauberwürfel]], [[Barbapapa]], TriTop, Brauner Bär, Slime) wiederentdeckten, kann als Unterphänomen eingeschätzt werden. Belletristischen Niederschlag fand dies in [[Florian Illies]] Buch (削除) " (削除ここまで)[[Generation Golf]](削除) " (削除ここまで). In Wien wurden [[1999]] zahlreiche Exponate unter dem Ausstellungstitel "Wicki, Slime und Co" zusammengetragen.
Dass die Kinder der Siebziger, damals von der Wirtschaft zum ersten Mal als kaufkräftige Zielgruppe erkannt, Mitte der Neunziger, also in der Phase ihres Erwachsenwerdens die Produkte ihrer Jugend, Spielzeug, Lebensmittel und Fernsehserien (Wicki, Fanta-JoJo, [[Playmobil]], [[Lego]], [[Tom Sawyer]], [[Zauberwürfel]], [[Barbapapa]], TriTop, Brauner Bär, Slime) wiederentdeckten, kann als Unterphänomen eingeschätzt werden. Belletristischen Niederschlag fand dies in [[Florian Illies]] Buch [[Generation Golf]]. In Wien wurden [[1999]] zahlreiche Exponate unter dem Ausstellungstitel "Wicki, Slime und Co" zusammengetragen.


== Retro und Moderne ==
== Retro und Moderne ==


Tatsächlich jedoch geht es um mehr. Das Phänomen "Retro" ist ohne den engen Zusammenhang zur [[Moderne]], die sich die "Jagd nach dem Neuen", die ''ständige'' Innovation auf die Fahnen geschrieben hat, nicht zu verstehen. So gesehen ist "Retro" als Gegenpol zum (hoch-)kulturellen Haupttrend zu verorten. Wurde dieser in Frage gestellt, wie in der Pop-Art, waren stets auch "Retro"-Tendenzen zu bemerken. In einer Welt, die sich rasant verändert, immer weniger Fixpunkte bietet und in der alles alte, liebgewonnene vom Verschwinden bedroht ist, scheinen "Retro"-Trends eine logische Folge, auf die wiederum folgerichtig der Vorwurf folgen muss, lediglich die Sehnsucht nach heimeliger Geborgenheit zu bedienen(削除) , (削除ここまで) (削除) ein (削除ここまで) Vorwurf, der in einem Deutschland, dessen Moderne sich stets als radikalen Bruch mit der Geschichte definiert hat, besonders schnell formuliert wird.
Tatsächlich jedoch geht es um mehr. Das Phänomen "Retro" ist ohne den engen Zusammenhang zur [[Moderne]], die sich die "Jagd nach dem Neuen", die ''ständige'' Innovation auf die Fahnen geschrieben hat, nicht zu verstehen. So gesehen ist "Retro" als Gegenpol zum (hoch-)kulturellen Haupttrend zu verorten. Wurde dieser in Frage gestellt, wie in der Pop-Art, waren stets auch "Retro"-Tendenzen zu bemerken. In einer Welt, die sich rasant verändert, immer weniger Fixpunkte bietet und in der alles alte, liebgewonnene vom Verschwinden bedroht ist, scheinen "Retro"-Trends eine logische Folge, auf die wiederum folgerichtig der Vorwurf folgen muss, lediglich die Sehnsucht nach heimeliger Geborgenheit zu bedienen(追記) . (追記ここまで) (追記) Ein (追記ここまで) Vorwurf, der in einem Deutschland, dessen Moderne sich stets als radikalen Bruch mit der Geschichte definiert hat, besonders schnell formuliert wird.


Seit den frühen Siebzigern, als unübersehbar wurde, dass sich die Moderne in einer schweren Krise befand, gab es selbst innerhalb der Reihen der "Fortschrittsgläubigen" erste "Retro"-Bewegungen. Die "[[New York Five]]", zu denen [[Richard Meier]], [[Michael Graves]] und [[Peter Eisenmann]] gehörten, setzten sich zum Ziel den Weg der Moderne bis zu [[Le Corbusier]] zurückzugehen, weswegen sie auch die "Whities" genannt wurden. Ihr Gegenspieler [[Robert Venturi]] dagegen gilt als Erfinder der [[Postmoderne]], der ersten wirklichen "Retro-Bewegung", zu deren Protagonisten außerdem [[Philip Johnson]], [[Moore, Ruble, Yudell]], sowie [[James Stirling (Architekt)|James Stirling]] gehören. Selbst ein scheinbar modernistisches Gebäude wie das von 1975 bis 1979 erbaute ICC in West-Berlin ist mit seinen Bezügen zum Science-Fiction-Film und seiner Gegenständlichkeit eher einer Art Retro-Futurismus zuzurechnen.
Seit den frühen Siebzigern, als unübersehbar wurde, dass sich die Moderne in einer schweren Krise befand, gab es selbst innerhalb der Reihen der "Fortschrittsgläubigen" erste "Retro"-Bewegungen. Die "[[New York Five]]", zu denen [[Richard Meier]], [[Michael Graves]] und [[Peter Eisenmann]] gehörten, setzten sich zum Ziel den Weg der Moderne bis zu [[Le Corbusier]] zurückzugehen, weswegen sie auch die "Whities" genannt wurden. Ihr Gegenspieler [[Robert Venturi]] dagegen gilt als Erfinder der [[Postmoderne]], der ersten wirklichen "Retro-Bewegung", zu deren Protagonisten außerdem [[Philip Johnson]], [[Moore, Ruble, Yudell]], sowie [[James Stirling (Architekt)|James Stirling]] gehören. Selbst ein scheinbar modernistisches Gebäude wie das von 1975 bis 1979 erbaute ICC in West-Berlin ist mit seinen Bezügen zum Science-Fiction-Film und seiner Gegenständlichkeit eher einer Art Retro-Futurismus zuzurechnen.

Version vom 13. April 2005, 16:09 Uhr

Der Ausdruck Retro-Welle (v. lat. retro rückwärts) bezeichnet ein kulturelles Phänomen der Neuzeit, bei dem kulturelle Erinnerungsstücke zurückliegender Jahrzehnte auf unterschiedliche Weise, vom Alltagsgegenstand bis zum Musikstück, wieder aufgenommen und neu verarbeiten werden.

Retro als Trend

Oberflächlich betrachtet zeigt sich das Phänomen "Retro" in der immer rascheren Reanimation vergangener Jahrzehnte. So kehrten die Siebziger, Sechziger und Achziger in den Neunzigern ein ums andere Mal in großen Revivals mit Kordsamt, Schlaghosen und Gitarrenrock wieder. Dass die Kinder der Siebziger, damals von der Wirtschaft zum ersten Mal als kaufkräftige Zielgruppe erkannt, Mitte der Neunziger, also in der Phase ihres Erwachsenwerdens die Produkte ihrer Jugend, Spielzeug, Lebensmittel und Fernsehserien (Wicki, Fanta-JoJo, Playmobil, Lego, Tom Sawyer, Zauberwürfel, Barbapapa, TriTop, Brauner Bär, Slime) wiederentdeckten, kann als Unterphänomen eingeschätzt werden. Belletristischen Niederschlag fand dies in Florian Illies Buch Generation Golf. In Wien wurden 1999 zahlreiche Exponate unter dem Ausstellungstitel "Wicki, Slime und Co" zusammengetragen.

Retro und Moderne

Tatsächlich jedoch geht es um mehr. Das Phänomen "Retro" ist ohne den engen Zusammenhang zur Moderne, die sich die "Jagd nach dem Neuen", die ständige Innovation auf die Fahnen geschrieben hat, nicht zu verstehen. So gesehen ist "Retro" als Gegenpol zum (hoch-)kulturellen Haupttrend zu verorten. Wurde dieser in Frage gestellt, wie in der Pop-Art, waren stets auch "Retro"-Tendenzen zu bemerken. In einer Welt, die sich rasant verändert, immer weniger Fixpunkte bietet und in der alles alte, liebgewonnene vom Verschwinden bedroht ist, scheinen "Retro"-Trends eine logische Folge, auf die wiederum folgerichtig der Vorwurf folgen muss, lediglich die Sehnsucht nach heimeliger Geborgenheit zu bedienen. Ein Vorwurf, der in einem Deutschland, dessen Moderne sich stets als radikalen Bruch mit der Geschichte definiert hat, besonders schnell formuliert wird.

Seit den frühen Siebzigern, als unübersehbar wurde, dass sich die Moderne in einer schweren Krise befand, gab es selbst innerhalb der Reihen der "Fortschrittsgläubigen" erste "Retro"-Bewegungen. Die "New York Five", zu denen Richard Meier, Michael Graves und Peter Eisenmann gehörten, setzten sich zum Ziel den Weg der Moderne bis zu Le Corbusier zurückzugehen, weswegen sie auch die "Whities" genannt wurden. Ihr Gegenspieler Robert Venturi dagegen gilt als Erfinder der Postmoderne, der ersten wirklichen "Retro-Bewegung", zu deren Protagonisten außerdem Philip Johnson, Moore, Ruble, Yudell, sowie James Stirling gehören. Selbst ein scheinbar modernistisches Gebäude wie das von 1975 bis 1979 erbaute ICC in West-Berlin ist mit seinen Bezügen zum Science-Fiction-Film und seiner Gegenständlichkeit eher einer Art Retro-Futurismus zuzurechnen.

Retro und Historismus

Ein anderer Ansatz ist es, "Retro" nicht als Antwort auf die Moderne zu begreifen, sondern genau umgekehrt, eine paradoxe Idee, die sich jedoch aufdrängt, wenn man die Postmoderne mit dem Historismus vergleicht. Hier wie dort findet sich die berühmte "anything goes"-Haltung, die Gleichzeitigkeit verschiedenster Stile, die Wiederaufbereitung unterschiedlicher Epochen und der Verlust von Maß, Kontrolle und Maßstab. In dieser Hinsicht liegt es nahe, den Historismus als ersten "Retro"-Trend zu bezeichnen. Wenn sich nun die Moderne lediglich zwischen zwei "Retro"-Trends geschoben hat, auf den einen als Antwort funktioniert, vom anderen abgelöst wird, stellt sich die Frage, ob die Moderne die wahre Natur unserer modernen Zeit ist, oder ob nicht doch Historismus und "Retro"-Trend viel mehr sind, als temporär (und intellektuell) begrenzte Phasen und Zeiterscheinungen.

Frühere Retrotrends

Der Historismus war nicht der erste Retro-Trend. Die Renaissance, die die antike Kunst wiederbelebte, trägt ein anderes Wort für Retro sogar im Namen. Die römische Antike kopierte die griechischen Antike. Der Klassizismus entdeckte Ende des achtzehnten Jahrhunderts die hellenistische Architektur neu und stellte ihre Strenge gegen den an der römischen Antike orientierten Barock. Erst mit der enormen Betonung der Innovation durch die Moderne geriet das Nachahmen, Aufgreifen und Wiederentdecken als Teil der Kultur ins Abseits.

Massenmediengesellschaft und Mythos

Die moderne Welt ist in erster Linie als Massenmediengesellschaft zu begreifen, in der alles gleichzeitig passiert, in der Unmassen von Informationen mit Lichtgeschwindigkeit an jeden Ort gelangen, an der nach jedem nur vorstellbaren Bedürfnis gesucht wird, um es zu befriedigen. Man sollte annehmen, in einer solchen Gesellschaft würde es allein durch die schiere Zunahme von Informationen auch zu einer allgemeinen Zunahme von fundiertem, differenzierten Wissen kommen. Diese Annahme bestätigt sich nicht, im Gegenteil, die Massengesellschaft neigt, wie der Medientheoretiker Marshall McLuhan bemerkte, vielmehr zum Mythos und zwar aus ganz praktischen Gründen - ein Mythos ist für die Massengesellschaft schlicht und ergreifend zeitsparender! Wenn wir uns nun fragen, in welchem Verhältnis ein Mythos zum tatsächlichen Ereignis steht, scheint er sich ebenso zu verhalten, wie ein Photo zum abgebildeten Geschehnis. Und bei einem Blick auf die Themenhotels von Las Vegas, die Vergnügungsparks und Jahrmärkte überall in der Welt stellt man fest, dass auch die massenhafte Reproduktion von Mythen, ebenso wie die eines Photos, über das (im Falle des Fotos über das Druck- oder Nyloprint-)Klischee funktioniert. Was hat das nun mit "Retro" zu tun? Kehren wir zur Moderne zurück, deren oft geradezu fanatische Suche nach Reinheit, Wahrheit und Übereinstimmung von Gehalt und Gestalt nicht zuletzt auch in ihrer Abneigung gegen Bild und Mythos begründet liegt - Bild und Mythos, denen fast zwingend Vereinfachung, Transformation und Verzerrung eigen zu nennen ist. So gesehen, ist ein "Retro"-Trend zwangsläufig mit der Revitalisierung und Reproduktion vergangener Mythen verkettet - ja untrennbar verbunden. Wie bei den New York Five, die einen mittlerweile zum Mythos gewordenen Le Corbusier in einem "Retro"-Klassische-Moderne-Trend wiederbeleben - und damit unwissentlich selbst die Moderne zum bloßen Trend degradieren?

Aktuelle Retrotrends

Denkt man dies nun zuende, Historismus vor der Moderne, Postmoderne danach, die Massengesellschaft als Welt der Mythen, nicht mehr der Wahrheiten und damit als Ort von permanentem "Retro" - bedeutet das nicht: "Retro" überall? Der italienische Schriftsteller Roberto Calasso schreibt dazu: "... die Welt unentrinnbar in einer giftige Hülle der Parodie eingewickelt ist. Nichts ist, was es zu sein vorgibt. Alles ist schon im Augenblick seines Erscheinens ein Zitat". Ein besonders aufschlussreiches Beispiel für Verwendung und Verquickung von verschiedene Formen des Zitats ist es, wenn Michael Stipe in "Man on the Moon" ein "Hey Baby" wie Elvis Presley zu singen scheint. In Wirklichkeit jedoch ist sein Gesang eine Hommage an die berühmte Elvis-Parodie des amerikanischen Komikers Andy Kaufmann. Dieser jedoch parodiert nicht Elvis Presley, sondern dessen Imitatoren. Vor uns liegt also die Hommage an die Parodie einer Imitation. Besonders moderne Ausdrucksformen, wie das Kino und die Pop-Musik, die im engen Verhältnis zur Massengesellschaft entstanden, sind voller solcher sich überlagernder Zitate. Herausragende Vertreter dieses sogenannten postmodernen Kinos sind die Coen-Brüder, Wes Anderson und Quentin Tarantino. Im Winter 2004 kamen mit Sky Captain, Polar Express und Die Unglaublichen gleich drei ausgesprochene Retro-Filme ins Kino. In der Rock- und Popmusik wurde an die sechziger Jahre angelehnter Gitarrenrock von Bands wie den Strokes, White Stripes,Black Rebel Motorcycle Club und Int. Noise Conspiracy zum ersten Boom und Hype des neuen Jahrtausends. Allerdings war auch schon die Grunge-Welle Anfang der Neunziger mit ihren Bezügen zu Siebziger-Jahre Bands wie The Who, Led Zeppelin, Black Sabbath eine Wiedererinnerung an Verlorengegangenes. Dies lässt sich noch weiter zurückverfolgen. In den spätern Siebzigern propagierten AC/DC, Ramones und Motörhead eine Rückkehr zu den rohen Ursprüngen der Rockmusik im Gegensatz zum aufgeblähten Pomp von Pink Floyd, YES und Queen. Die British Invasation der Sechziger dagegen speiste sich aus zwei Quellen. Während die Rolling Stones, Yardbirds, Cream und Free die grosse Blueswelle der Vierziger von Otis Rush und Muddy Waters aufgriffen, wurde den Beatles von ihrer Plattenfirma entgegnet Gitarrenrock wäre nicht mehr modern. Was auch stimmte seit Elvis zur Armee gegangen war und Jerry Lee Lewis seine 13-jährigen Cousine Myra geheiratet hatte.


Siehe auch

Regression, Rekursion, Innovation

Literatur

  • Rem Koolhaas: Delirious New York
  • Robert Venturi: Learning from Las Vegas
  • Heinrich Klotz: Postmoderne und Moderne
  • Marshall McLuhan: Das Medium ist die Botschaft
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