„Mathematik" – Versionsunterschied
Version vom 16. September 2004, 15:18 Uhr
Siehe das Portal Mathematik für einen Wegweiser zu den mathematischen Artikeln in der Wikipedia.
Die Mathematik (altgr.: μαθηματικη von mathema: Wissenschaft, Lernen) begann mit dem Rechnen mit Zahlen. Heute beschäftigt sich diese Wissenschaft allgemeiner mit Mengen, in deren Rahmen die Zahlen als Sonderfall auftreten. Ihre gegenwärtigen Bestrebungen gehen vorrangig dahin, beliebige Mengen an Hand ihrer inneren Verküpfungen zu klassifizieren. So untersucht man beispielsweise Gruppen, Ringe oder Körper, ebenso äußerlich verknüpfte Mengen wie Moduln und Vektorräume.
Inhalte und Teilgebiete
Die folgende Aufzählung gibt einen ersten Überblick über die Breite mathematischer Themen; sie nennt wichtige Teilgebiete der Mathematik in der ungefähren Reihenfolge ihrer geschichtlichen Entwicklung:
- die Untersuchung von Figuren (Geometrie - vorklassische Hochkulturen, Euklid),
- das Rechnen mit Zahlen (Arithmetik),
- das Auflösen von Gleichungen (Algebra - Mittelalter und Rennaissance),
- Untersuchungen zur Teilbarkeit (Zahlentheorie - Euklid, Diophant, Fermat, Leonhard Euler, Riemann, ...),
- das rechnerische Erfassen räumlicher Beziehungen (Analytische Geometrie - Descartes, 1637),
- das Rechnen mit Wahrscheinlichkeiten (Stochastik - u.a. Pascal, Jakob Bernoulli, Laplace, 17.-19. Jh.).
- das Rechnen mit dem unendlich Kleinen (Analysis - Newton und Leibniz, Ende 17. Jh.),
- die Beschreibung physikalischer Felder (Differentialgleichungen, partielle Differentialgleichungen, Vektoranalysis - Leonhard Euler, die Bernoullis, Laplace, Gauß, Poisson, Fourier, Green, Stokes, Hilbert, 18.-19. Jh.),
- die Perfektionierung der Analysis durch die Einbeziehung komplexer Zahlen (Funktionentheorie - Gauß, Cauchy, Weierstraß, 19. Jh.)
- die Vermessung gekrümmter Flächen und Räume (Differentialgeometrie - Gauß, Riemann, Levi-Civita, 19. Jh.)
- das systematische Studium von Symmetrien (Gruppentheorie - u.a. Galois, Abel, Klein, Lie, 19. Jh.),
- die Aufklärung von Paradoxien des Unendlichen (Mengenlehre, Topologie - Cantor, Frege, Russell, Zermelo, Fraenkel, Anfang 20. Jh.)
Siehe auch die Linkliste im Portal Mathematik sowie die Artikel Teilgebiete der Mathematik und Geschichte der Mathematik.
Entwicklung durch Anwendungsbezug
Zu den wichtigsten Kennzeichen der Mathematik gehört das folgerichtige Schließen im Rahmen eindeutig bestimmter Voraussetzungen. Deshalb ist Mathematik die konsequenteste aller Naturwissenschaften. Eine wichtige Folge daraus ist, daß sich die Ergebnisse mit den Voraussetzungen ändern. In den Anwendungen versucht man diesen Ansatz durch eine genau festgelegte Versuchsanordnung oder durch eindeutig definierte Meßverfahren anzunähern.
So hat sich das Fach im engen Wechselspiel mit ihren Anwendungen in den empirischen Wissenschaften entwickelt. Über viele Jahrhunderte hinweg hat die Mathematik Anregungen aus der Astronomie, der Geodäsie, der Physik und der Ökonomie aufgenommen und umgekehrt die Grundlagen für den Fortschritt dieser Fächer bereitgestellt. Beispielsweise hat Newton die Infinitesimalrechnung vorangetrieben, um das physikalische Konzept "Kraft gleich Masse mal Beschleunigung" rechnerisch zu fassen. Entwickelt wurde dieses Teilgebiet vorrangig durch Leibniz, der schon den rein mathematischen Inhalt im Auge hatte.
Fourier hat beim Studium der Wellengleichung die Grundlage für den modernen Funktionsbegriff gelegt. Gauß hat im Rahmen der Hannöverschen Landesvermessung die deren noch heute gültigen Techniken mitgeschaffen. Die Methode der kleinsten Fehlerquadrate entwickelte er, um den Planetoiden Ceres zu orten. Der Himmelskörper war um 1800 entdeckt, aber bald wieder aus den Augen verloren worden. Dank des Verfahrens fand man den Ceres wieder, obwohl nur wenige Meßwerte für die Bahnbestimmung vorlagen. Ferner hat Gauß das Lösen von linearen Gleichungen systematisiert und vieles andere mehr.
Umgekehrt haben Mathematiker zuweilen Theorien entwickelt, die erst später überraschende praktische Anwendungen gefunden haben. So schuf die Einführung binärer Zahlen durch Leibniz die Voraussetzungen für die Digitaltechnik. Die Boolesche Algebra ermöglichte das Differentialformenkalkül in der Allgemeinen Relativitätstheorie. Ferner galt lange Zeit die Beschäftigung mit der Zahlentheorie als rein intellektuelle Spielerei. Ohne sie wären heute allerdings die moderne Kryptographie und ihre vielfältigen Anwendungen im Internet nicht denkbar.
Siehe auch den Artikel Angewandte Mathematik.
Fortschreiten durch Problemlösen
Kennzeichnend für die Arbeitsweise der Mathematik ist das Voranschreiten von speziellen zu allgemeineren Lösungen.
Sobald ein Grundschüler das Addieren natürlicher Zahlen gelernt hat, ist er in der Lage, folgende Frage zu verstehen und durch Probieren zu beantworten: "Welche Zahl muss man zu 3 addieren, um 5 zu erhalten?". Die systematische Lösung solcher Aufgaben erfordert die Einführung einer neuen Grundrechenart, der Subtraktion. Sobald die Subtraktion definiert ist, kann man die Frage stellen: "Was ist 3 minus 5"? Dies führt auf negative Zahlen und damit über die Grundschulmathematik hinaus.
Ähnlich wie in diesem elementaren Beispiel ist die Mathematik auch in ihrer Geschichte fortgeschritten. Insbesondere führte die Lösung der Gleichung {\displaystyle x^{2}+1=0} auf die komplexen Zahlen. Bei jedem Stand ist es möglich, wohldefinierte Aufgaben zu stellen, zu deren Lösung neue Mittel nötig sind. Oft sind zwischen der Formulierung eines Problems und seiner Lösung viele Jahrhunderte vergangen. Manchmal wurde mit der Antwort auf eine Frage ein völlig neues Teilgebiet begründet. So konnten mit der Infinitesimalrechnung im 17. Jahrhundert Probleme behandelt werden, die seit der Antike offen waren.
Auch eine negative Antwort, der Beweis der Unlösbarkeit eines Problems, kann die Mathematik voranbringen: so ist aus gescheiterten Versuchen zur Auflösung algebraischer Gleichungen die Gruppentheorie entstanden.
Axiomatische Formulierung
Seit dem Ende des 19. Jahrhunderts, vereinzelt schon seit der Antike, wird die Mathematik in Form von Theorien präsentiert, die mit Aussagen beginnen, welche als gegeben angesehen werden. Daraus werden weitere Aussagen hergeleitet. Diese Herleitung geschieht dabei nach genau festgelegten Schlussregeln. Die Aussagen, mit denen die Theorie anfängt, nennt man Axiome . Sie werden durch Definitionen eindeutig festgelegt. Die daraus hergeleiteten Aussagen nennt man Sätze . Die Herleitung selbst ist ein Beweis des Satzes. Aufgrund dieses Aufbaus bezeichnet man die Theorien als axiomatische Theorien. (Sieh auch Logik) Unter anderem wegen dieses Vorgehens nimmt die Mathematik eine Sonderstellung unter den Wissenschaften ein.
Mathematik als menschliche Tätigkeit
Auch nichtmenschliche Lebewesen, speziell Tiere sind in begrenztem Umfang fähig, mathematische Leistungen zu erbringen, siehe dazu den Artikel Phylogenese mathematischer Fähigkeiten.
Mathematik als Schulfach
Siehe Mathematik in der Schule, Mathematikdidaktik.
Geschichte
Die Mathematik ist eine der ältesten Wissenschaften. Eine erste Blüte erlebte sie in der Antike durch die Babylonier. Damals fand man schon den Algorithmus zum Ermitteln der Quadratwurzel, der noch heute in elektronischen Rechenanlagen implementiert ist. Griechenland und der Hellenismus entwickelte vor allem die Beweisführung in der euklidische Geometrie. Im Mittelalter kamen die entscheidenden Anstöße von den Arabern, was sich unter anderem in Bezeichnungen wie Algebra vom arabischen "al shabre" für Lösen niedergeschlagen hat. Noch heute benutzen wir arabische Zahlen.
In der Neuzeit erfolgte ab 1600 ein Schub durch den Austausch mit den Naturwissenschaften. Zahlreiche Gründungen von Universitäten bewirkten zu Beginn des 19. Jahrhunderts eine wahre Explosion. Erstmals sprach man von Axiomatisierung. Cantor entwickelte die Mengenlehre. Riemann brachte Vorstöße in der Funktionentheorie und schuf das moderne Integral. Graßmann legte den Grundstein der linearen Algebra. Die Anfänge der Toplogie stammen aus dieser Zeit.
Die Computertechnik hat entgegen einem gängigen Vorurteil nur partiellen Segen beschert. Vor allem hat die Schaffung von gewaltiger numerischer Rechenleistung zur Denkfaulheit und zur Aufblähung bekannter Verfahren verleitet.
Für ausführlichere Informationen siehe den Artikel Geschichte der Mathematik.
Weblinks
- "5 Minuten Mathematik" Regelmäßige Kolumne des Mathematikprofessors Ehrhard Behrends zur Popularisierung der Mathematik
- Wikibooks: Regal Mathematik - Deutsche Wikibooks zum Thema Mathematik, Mathematik in mehreren Bänden
- Zeugnisse über Mathematik