„Lehmziegel" – Versionsunterschied
Version vom 12. Juli 2020, 02:40 Uhr
Ein Lehmziegel (Adobe) ist ein mit den Händen oder mit einer Verschalung geformter und luftgetrockneter Quader aus Lehm, der im Lehmbau benutzt wird. Fettem Lehm wird Sand beigemischt und manchmal faserhaltige Stoffe wie Stroh oder Tierkot von Pflanzenfressern wie Kamel, Rind und Pferd beigegeben. Pflanzenfasern verringern das Gewicht, verbessern die Wärmedämmung und geben Zugfestigkeit, so dass die Rissbildung während des Trocknens verringert wird. Bei starkem Regen weicht der Lehmziegel wieder auf, Lehmmauern müssen vor Dauernässe und Schlagregen geschützt sein. Durch Brennen wird ein Lehmziegel zum Backstein, Tonziegel oder Klinker.
Geschichte der Lehmziegel
Die Verwendung von luftgetrockneten Lehmziegeln ist seit dem Neolithikum eine wichtige Kulturtechnik des Menschen. Die Methoden des Lehmbaus wurden je nach verfügbarer Materialmischung für die Ziegel und Brennmaterial für die Brennöfen weiterentwickelt. Die Lehmziegel-Architektur ist vermutlich in mehreren Regionen der Welt unabhängig voneinander erfunden worden (Vorderer Orient, Mittelamerika, China).
Im Lehmbau werden neben der Lehmziegelbauweise auch Wände aus Stampflehm, Weller, Lehmbroten sowie Lehmfachwerk hergestellt.
Adobe
Im englischsprachigen Raum werden Bauweisen mit ungebrannten Ziegeln häufig mit dem spanischen Begriff Adobe bezeichnet, der sich über das Arabische aus koptisch „tôbe" = Ziegel herleitet. Verbreitung fand der Begriff durch spanische Beschreibungen der präkolumbianischen Bauten in Mittel- und Südamerika. Die Sonnenpyramide in Teotihuacán, die Huaca del Sol und die Huaca Larga in Peru gelten als die weltweit größten Adobe-Bauwerke.
Herstellung
Zur Herstellung der Luftziegel (Grünlinge ) wird Lehm verwendet, der meist mit Sand, pflanzlichen Fasern oder anderen Füllstoffen gemagert wird. Zu viel Sand vermindert die Tragfähigkeit der Ziegel, zu viel Lehm lässt sie rissig werden. Auch die Zugabe von trockenem oder eingeweichtem Stroh (wie in Ägypten üblich) muss wohlbemessen sein. Die sorgfältig durchgeknetete, zähflüssige Lehmmischung wird traditionell in rechteckige Holz-, heute häufig auch in Metallformen gepresst. Sobald die Masse sich gefestigt hat, wird der Rahmen der Form entfernt. Zur Trocknung werden Ziegel mit hohem Lehmgehalt meist im Schatten gelagert, da eine zu schnelle Wasserverdunstung Risse verursachen kann. In Teilen Lateinamerikas sowie in Mesopotamien werden die Rohlinge zum Trocknen jedoch auch direkter Sonnenstrahlung ausgesetzt.
Eigenschaften
Lehmziegel sind gegen ablaufendes Wasser und starke Durchfeuchtung empfindlich (nicht gegen erhöhte Luftfeuchtigkeit). Durch die gute Wärmespeicherung bieten sie in trockenen, heißen Regionen wie in Ägypten, Iran, Jemen oder Bolivien trotz der mittelmäßigen Wärmedämmung Vorteile gegenüber vielen anderen Baumaterialien. Während des Tages heizen sich die Ziegel auf und geben die gespeicherte Wärme nachts langsam an die Umgebung ab. Dadurch bleibt ein aus Lehmziegeln errichtetes Gebäude tagsüber kühl und nachts warm. In Gebieten mit starker Sonneneinstrahlung werden Gebäude auf der Sonnenseite mit einer dickeren Wand versehen, um möglichst viel Energie speichern zu können. Zur Verstärkung der Wärmespeicherung der Wand werden in nördlichen Breiten auch Glas oder transluzente (durchscheinende) Dämmstoffe vor die Wand gesetzt, um die Wärme im Bauteil zu halten (die kurzwellige Lichtstrahlung wird durchgelassen, die langwellige Wärmeabstrahlung nach außen aber gebremst).
Wiederverwendung
Lehmziegel können vollständig wiederverwertet werden. Mörtel und Putzreste aus Lehm lassen sich meist einfach abtrennen. Ganze und halbe Steine können dann wieder zum Mauern verwendet werden. Zerbrochene Steine können mit Wasser eingeweicht und zu Mörtel, Putz oder neuen Lehmsteinen verarbeitet werden.
Regelwerke
Den Lehmstein definierte bis 1973 die Vornorm DIN 18951 als Oberbegriff für Lehmquader, Lehmbatzen und Grünlinge. Lehmquader werden aus erdfeuchtem, magerem (silikatarmem) Lehm hergestellt. Die DIN sieht Formen mit den Abmessungen 365 ×ばつ 230 ×ばつ 110 mm vor, in die der Lehm gestampft und dann luftgetrocknet wird. Auf Grund des hohen Gewichtes von etwa 20 Kilogramm sind diese Lehmsteine schwer zu vermauern. Lehmbatzen werden aus einer feuchten, mittelfetten Lehmmischung hergestellt, der faserige Zuschlagstoffe beigefügt werden. Die Lehmbatzen werden dann in die Holzform eingeworfen.
Grünlinge werden aus fettem, also stark tonhaltigem Lehm (auch als blauer Lehm bezeichnet), industriell hergestellt.[1] Als Grünlinge werden auch die ungebrannten Mauerziegel im Ziegelwerk bezeichnet, die ebenso wie Lehmsteine hauptsächlich aus Ton und Sand bestehen.
Literatur
- Gernot Minke: Lehmbau-Handbuch. 1. Auflage. ökobuch, Staufen bei Freiburg 1994, ISBN 3-922964-56-7.
- Gernot Minke: Das neue Lehmbau-Handbuch. 5. Auflage. ökobuch, Staufen bei Freiburg 2001.
- Albert Neuburger: Die Technik des Altertums. Reprint der Originalausgabe von 1919, Reprint-Verlag, Leipzig, ISBN 3-8262-1400-5.
- Georges Posener: Knaurs Lexikon der ägyptischen Kultur. Droemer Knaur, 1978, ISBN 3-426-07574-1.
- Jean Dethier (Hrsg.): Lehmarchitektur. Die Zukunft einer vergessenen Bautradition. Prestel, München 1982.
- Ulrich Röhlen, Christof Ziegert: Lehmbau-Praxis Planung und Ausführung. 1. Auflage. Bauwerk, Berlin 2010, ISBN 978-3-89932-125-8.
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ Minke 1994