„Collonil" – Versionsunterschied
Version vom 21. April 2020, 11:04 Uhr
Collonil – Salzenbrodt GmbH & Co. KG | |
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Rechtsform | Kommanditgesellschaft |
Gründung | 1909 |
Sitz | Berlin-Reinickendorf, Deutschland, Hermsdorfer Straße |
Leitung | Frank Becker, geschäftsführender Gesellschafter[1] |
Mitarbeiterzahl | 97 Lohn- und Gehaltsempfänger[2] |
Umsatz | Rohertrag=18,3 Mio. €[2] |
Branche | Schuhpflege |
Website | collonil.com |
Stand: 2018 |
Collonil ist der Markenname von Schuh- und Autopflegemitteln. Die Herstellerfirma heißt Salzenbrodt GmbH & Co. KG.[1] Die Firma wurde 1909 von einem Redakteur und zwei Kaufleuten in Berlin gegründet. Der Werbeslogan lautet „Schuhe wollen Collonil".
Geschichte
Der luxemburgische Zeitungsredakteur Karl Esslen (im Adressbuch 1911 als Carl Eßlen geführt)[3] , der einige Semester Medizin in Paris studiert hatte und bei seinem Vater in einer Zeitungsredaktion arbeitete, gab diese Tätigkeit bald auf und machte sich Anfang des 20. Jahrhunderts als Generalvertreter für den schwedischen Lederöl-Hersteller Olsen selbstständig. Er füllte das von Olsen bezogene Öl, das für die Pflege der Transmissionsriemen größerer Maschinen und später zum Imprägnieren der Seile von Luftschiffen eingesetzt wurde, in Flaschen ab und vertrieb es in Deutschland.[4] Für diese Reisetätigkeit holte sich Esslen mit den Gebrüdern Paul und Walter Salzenbrodt weitere Mitstreiter. Der Umsatz war aber nicht zufriedenstellend, sodass die drei neue Kundschaft in Schuhträgern suchten und fanden. Dazu entwickelten sie aus Öl und südamerikanischem Baumharz eine eigene Schuhpflegecreme und eröffneten 1909 in Berlin-Kreuzberg eine kleine Produktionsstätte in zwei gemieteten Räumen auf einem Hinterhof der Köpenicker Straße 9. Zunächst galt die Firma als Filiale von Olsen: „Die Collan Oelfabriken in Stockholm errichteten hier eine Filiale in der Köpenickerstr. 9a, die unter Leitung des Herrn Carl Eßlen steht".[5] [6] Die Nachfrage stieg so schnell und stark, dass Esslen und die Salzenbrodts zunächst in der Umgebung nach Erweiterungsmöglichkeiten suchten; im Jahr 1912 entstanden in der Schlesischen Straße 12 in Berlin-Kreuzberg die ersten Fabrikgebäude.[7] Ab 1914 hieß die Fabrik Salzenbrodt & Co KG , die Brüder Salzenbrodt waren zu Geschäftsführern ernannt worden. Die Erzeugnisse bekamen nun einen eigenen Namen: Collonil. Das Wort soll laut Eigendarstellung der Salzenbrodt-Fabrik auf das französische „coller" (kleben) Bezug nehmen und damit auf die klebrige Konsistenz des zähflüssigen Pflegemittels hinweisen. Wesentlich wahrscheinlicher war die Namensgebung in Ableitung des schwedischen Erzeugnisses, das Collan-Oil (auch Collan Olja) hieß, daraus entstand das Kofferwort Collonil. Jedenfalls ließen die neuen Hersteller den Namen im Mai 1914 patentieren.[8]
Im Ersten Weltkrieg wurden die Salzenbrodts zum Kriegsdienst in die Kaiserliche Armee einberufen. Esslen konnte wegen seiner nicht-deutschen Staatsbürgerschaft Herstellung und Vertrieb des Lederpflegemittels gewinnbringend weiterführen. In einer Veröffentlichung zur Firmengeschichte heißt es wörtlich: „Der erhöhte Bedarf wasserabweisender Pflegemittel für Soldatenstiefel tat den Umsätzen gut."[6] Die Brüder Paul und Walter Salzenbrodt überstanden den Kriegsdienst und kehrten anschließend in das Unternehmen zurück. Es firmierte jetzt unter dem Namen Esslen & Co GmbH . Die Verantwortungsbereiche der drei Firmeninhaber unterteilte sich wie folgt: Esslen war für den Rohstoffeinkauf zuständig, Paul Salzenbrodt wurde der Technische Leiter und Walter Salzenbrodt war der Chefkaufmann.[6] Nun brachten sie gemeinsam eine Serie Schuhpflege für höchste Ansprüche heraus: Edelcreme, Lackleder-Pflege, Wildleder-Dressing und einen Rau(h)leder-Stift. Wieder stieg die Nachfrage, die Fabrik in Berlin wurde bald zu klein und so wich das Management ins brandenburgische Mühlenbeck aus, wo es 1921 eine größere Produktionsstätte neu bauen und eröffnen konnte.[4] Das Sortiment wurde auch stetig erweitert und neuen Erfordernissen angepasst. Mit großem Erfolg verkaufte sich das Leder-Glanz-Fett, mit dem die Nachteile des Imprägnierens und des dadurch fehlenden Glanzes beseitigt wurden.[9] Steigende Produktionszahlen führten zu einem florierenden Geschäft, auf das die politischen Änderungen keinen nachweisbaren Einfluss hatten. Einschneidender waren hingegen der plötzliche Tod von Karl Esslen im Jahr 1930 und der von Paul Salzenbrodt 1935. Der verbliebene Firmengründer Walter Salzenbrodt schaffte es jedoch allein, das Unternehmen über die NS-Zeit und den Krieg hinweg weiterzuführen. Hilfreich war hier auch die Markteinführung neuer Pflegemittel für Leder-Oberbekleidung.[6] Aus der Zeit des Nationalsozialismus sind Werbeanzeigen in NS-nahen Zeitschriften wie NS-Frauen-Warte, Wille und Macht. Führerorgan der nationalsozialistischen Jugend, Das Junge Deutschland, amtliches Organ des Jugendführers des Deutschen Reichs oder Der Pimpf: Nationalsozialistische Jugendblätter überliefert. Ab 1930 unterhielt Salzenbrodt in Wien (Holochergasse 34a) ein Zweigwerk, das unter anderem kosmetische Artikel vertrieb.[6]
Nach dem Zweiten Weltkrieg lag Mühlenbeck in der sowjetischen Besatzungszone, die dortige Fabrik wurde enteignet.[10] Dagegen gründete ein Sohn von Walter Salzenbrodt im Jahr 1947 in Schildow bei Berlin die Kosmetikfabrik WaSalCo (Walter Salzenbrodt & Co). Im Rahmen der Verstaatlichung von Betrieben in der DDR wurde auch WaSalco 1953 enteignet, die Produktionsstätte hieß fortan VEB Gerdeen.[11]
Walter Salzenbrodt setzte sich im Jahr 1948 samt seiner Familie wegen der Enteignungen nach West-Berlin ab, das von den westlichen Alliierten verwaltet wurde. Esslens Witwe und Kinder folgten der Rückkehr nach Berlin nicht. Im Norden Berlins, am Eichborndamm 103 in Borsigwalde,[12] fanden sie gute Bedingungen für einen Neuanfang und stellten ab zirka 1953 nun als Familienunternehmen unter ihrem Namen wieder Collonil-Schuhpflegemittel her. Dank des beginnenden Wirtschaftswunders stieg auch der Bedarf an hochwertigen Schuhen und damit an guten Pflegemitteln. Das steigerte den Gewinn im westdeutschen Markt, außerdem konnten Collonil-Mittel auch nach Frankreich, Dänemark und in die Niederlande exportiert werden. Weil der Nutzungsvertrag für das Firmengelände in Borsigwalde zeitlich begrenzt war, musste ein neuer Standort gefunden werden.
So wurde im Reinickendorfer Ortsteil Berlin-Wittenau in den 1950er Jahren noch einmal ein neues Werk aufgebaut.[13] In dieser Zeit übergab Paul Salzenbrodt die Unternehmensleitung an seinen Sohn Rolf. Dieser führte die Geschäfte bis 1985 und übergab sie dann an Sohn Michael. Nach dessen plötzlichem Tod 1987 übernahm der langjährige Prokurist Gert Thuner die Geschäftsführung und behielt diese bis zu seiner Rente.[6]
Einige Jahre nach der Wiedervereinigung erhielt Collonil den Grundbesitz in Mühlenbeck zurück und errichtete darauf bis 2013 ein Logistikzentrum.[4] Inzwischen sind hier auch die Bereiche Materialwirtschaft, Organisation und IT ansässig.[14]
Das Unternehmen war inzwischen in finanzielle Schwierigkeiten geraten; der Geschäftsmann Frank Becker übernahm die angeschlagene Firma als Geschäftsführer. Ihm gelang ab 1998 die Sanierung durch Modernisierung der Produktionsanlagen, Einführung zeitgemäßer Produkte und der Erschließung neuer Absätzmärkte in Australien, Asien und Russland.[6] Zwischen 1998 und 2018 stieg so der Exportanteil von acht auf 65 Prozent; Collonil exportierte seine Erzeugnisse in über 100 Länder, nur der südamerikanische Markt ist nicht erschlossen.[13]
Im Ausland gibt es Niederlassungen in Wien, Frankreich und Dänemark (Stand: 2020).
Produkte (Auswahl)
- Schuhcremes in Dosen
- Lederöl
- Lederfett
- Glanz-Fett
- Sport-Wax für Bergsteiger- und Wintersportschuhe (ab den 1960er Jahren)[6]
- Aerosole, die anstelle von Cremes ohne Mühe lückenlosen Schutz schaffen, der auf dem Leder unsichtbar bleibt (späte 1960er Jahre)[13]
- Selbstglanz mit dem von Collonil selbst entwickelten Schwammaufträger (in den 1970er Jahren)
- Luftdruck-Sprays zum Ersatz der mit FCKW gefüllten Spraydosen (ab den späten 1980er Jahren)
- Komplette Sets
- Pflegemittel für Autozubehör (Collonil Car Care)
- Pflegemittel für Sneaker : Atmungsaktives wasser- und schmutzabweisendes Carbonschutz-Spray, das aber Feuchtigkeit und Wärme nach außen dringen lässt (Collonil Carbon Lab) (ab den 1990er Jahren)[13]
- Im 21. Jahrhundert stieg Collonil auch in den Gesundheitsschutz ein und produziert nach Firmenübernahmen nun auch Fußzubehör wie Einlegesohlen, Gelpolster, Fersenkissen, Schuhspanner und anderes wie Bürsten und Tücher unter der Serienbezeichnung Collonil Ped.
- Im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie im Frühjahr 2020 entwickelte Collonil ein Desinfektions-Pumpspray mit dem Handelsnamen Virus Stop und produziert es seither.[4] [15]
Literatur
- Kim Himer, Axel Himer: Das große Buch der Lederpflege: Schuhpflege – Bekleidung – Möbelpflege, HEEL Verlag, 2014.
- Faust 100 Jahre Collonil – Eine Erfolgsgeschichte , 2009, Lockstein, Journalistenteam.
Weblinks und Hauptquellen
- Homepage Collonil Berlin
- Videos zur Firmengeschichte: eine Kurzdarstellung und Einzelvideos zu einzelnen Produktgruppen
Einzelnachweise
- ↑ a b Impressum der Website, auf collonil.com, abgerufen am 21. April 2020
- ↑ a b Bundesanzeiger: Salzenbrodt GmbH & Co. KG, Berlin. Jahresabschluss zum Geschäftsjahr vom 01.01.2018 bis zum 31.12.2018, auf bundesanzeiger.de, abgerufen am 21. April 2020. (Da es nicht möglich ist, einen deeplink anzugeben, muss der Firmenname in die Suchmaske eingegeben werden.)
- ↑ Eßlen, Carl; Köpenicker Straße 9a. In: Berliner Adreßbuch , 1911, I, S. 596.
- ↑ a b c d Jochen Knoblach: Lederfett und Virenkiller. In: Berliner Zeitung , 3. April 2020, S. 16.
- ↑ Bericht von Olsen in der Zeitschrift Der Motorwagen : automobil- und flugtechnische Zeitschrift, 1909.
- ↑ a b c d e f g h Das große Buch der Lederpflege: Schuhpflege • Bekleidung • Möbelpflege. Von Kim Himer, Axel Himer in der Google-Buchsuche, Verlag Heel, 2011, ISBN 978-3-86852-458-1
- ↑ Die Geschichte von Collonil
- ↑ Official Gazette of the United States Patent Office, Band 773, veröffentlicht 1961; abgerufen im April 2020.
- ↑ Werbedruck zu Collonil aus dem Jahr 1924: „Collonil - anerkannt bestes Lederöl"; mit dem Hinweis auf die Fabrik in Mühlenbeck und deren Name Esslen & Co GmbH, abgerufen am 6. April 2020.
- ↑ Ein Werbedruck zu Collonil aus dem Jahr 1947, abgerufen am 6. April 2020.
- ↑ Chronik im Mühlenspiegel, Heft 2 , 2016. Abruf am 12. April 2020.
- ↑ Collonil Salzenbrodt und Co. GmbH in: Berliner Adressbuch 1955; S. 374.
- ↑ a b c d Susanne Kollmann: In Reinickendorf stehen die heiligen Hallen der Schuhcreme. Berliner Morgenpost, 1. Dezember 2018, abgerufen am 3. April 2020.
- ↑ Helge Treichel: Schuhpflege von Oberhavel in die Welt. MAZ online, 5. September 2013, abgerufen am 4. April 2020.
- ↑ Eine aktuelle (2020) Produktübersicht, abgerufen am 6. April 2020.