„Isenhammer" – Versionsunterschied
Version vom 17. Oktober 2018, 15:55 Uhr
Isenhammer, auch Eisenhammer, ist ein Weiler an der Glatt im Schweizer Kanton St. Gallen, der teils auf Gossauer, teils auf Flawiler Gebiet liegt.
Isenhammers Geschichte ist mit der der Schweizer Textilfirma Cilander verbunden: Bereits 1814 war die Firma Appretur Meyer und Mittelholzer am Glattbach gegründet worden. 1871 erfolgte die Inbetriebnahme einer neu erstellten Bleicherei mit Sengerei im Werk Eisenhammer in Flawil, 1873 die Umwandlung in eine Aktiengesellschaft. Den Namen «Cilander» trägt das Unternehmen, das auch in Isenhammer tätig war, seit 1887.[1]
Genehmigt worden war die Nutzung der Wasserkraft in Isenhammer im Jahr 1870 für einen unbefristeten Zeitraum und über ein Bruttogefälle von 13,51 Metern, obwohl die Betreiber der Kaltwasseranstalt Buchenthal Einspruch dagegen erhoben hatten, da sie eine Verschlechterung der Wasserqualität befürchteten. Cilander führte das lautere Wasser durch einen Kanal zum Firmengelände. Bis 1980 wurde das Wasser von Cilander genutzt. Seit August 2008 nutzt die Atel Ecopower AG die Wasserkraftanlage, die auf Cilander zurückgeht.[2]
Wasserwirtschaft und Naturschutz
Die Glatt und weitere Gewässer um Isenhammer wurden auch in weiteren Wasserkraftwerken genutzt.
Kressbrunnenmühle, Eberleweiher und Kleinkraftwerk Buchholz
In Isenhammer mündet der Kellenbach in die Glatt.[3]
In und um Isenhammer wurden mehrere Mühlen betrieben. Die Mühle Kressbrunnen[2] – auch Chressbrunnen geschrieben – wurde bereits 1545 erwähnt. Etwa um die Mitte des 19. Jahrhunderts ging sie in die Hände Johann Eberles aus Häggenschwil über. Dessen ältester Sohn übernahm 1888 den Betrieb, zog sich aber bald nach Rickenbach zurück und übergab die Mühle schliesslich ganz seinem Bruder Victor. Die Gebrüder Eberle erhielten 1892 die Konzession zur Nutzung der Wasserkraft. Im selben Jahr noch liess Victor Eberle eine Staumauer aus Beton im Glattbett errichten; der Eberleweiher entstand. Die Staumauer hatte eine Kronenlänge von 48 Metern. Eberles Anlage gilt als die zweitälteste im Schweizer Talsperrenverzeichnis. Vom Eberleweiher führte eine 700 Meter lange Druckwasserleitung zur Kressbrunnenmühle, die mit den 110 kW stets bei voller Leistung genutzt werden konnte. Doch ein Brand setzte dem Mühlenbetrieb 1909 ein Ende und nach einem zweiten Brand zehn Jahre später war die Geschichte der Kressbrunnenmühle beendet.[2]
Der Weiher, der zeitweise ein Stauvolumen von 250’000 m3 gehabt hatte, begann dann zu verlanden und es entwickelte sich ein Auengebiet.
Da die Staumauer sanierungsbedürftig war und die flussabwärts gelegenen Dörfer gefährdet waren, wurde zunächst über einen Teilabbruch diskutiert. Stattdessen wurde aber beschlossen, ein Kleinwasserkraftwerk zu errichten. Bauherrin und Betreibergesellschaft sollte die Glattstrom Buchholz AG werden, die 2004 in St. Gallen gegründet wurde. Das Projekt Buchholz erhielt vom Bundesamt für Energie einen Förderbeitrag, nachdem ihm ökologischer Vorbildcharakter bescheinigt worden war: Die Staumauer hatte Fische und andere Lebewesen am Flussaufstieg gehindert. Nachdem die Wiedernutzung der Wasserkraft beschlossen worden war, wurde eine Fischschleuse errichtet, um diese Barriere überwinden zu helfen. Auch hätte ein Abriss der Staumauer den Verlust der Auenlandschaft oberhalb bedeutet.
Das Kleinwasserkraftwerk Buchholz nutzt zwei Propellerturbinen mit fünfflügeligen Laufrädern, die an der Universität Stuttgart entwickelt und in Indonesien gebaut wurden. Bei einem Nenndurchfluss von 1,35 m3 pro Sekunde und einer Brutto-Fallhöhe von 14,5 Metern erreicht das Kraftwerk eine Leistung von 140 kW. Die mittlere Jahresproduktion seit Betriebsaufnahme beträgt 530’000 kWh. In Betrieb genommen wurde das Kraftwerk, für das eine Konzession von 60 Jahren besteht, im Jahr 2006.[4]
Haslenmühle und Klingler-Kraftwerke
Zu den ältesten Mühlen in der Region gehört die Haslenmühle in Gossau. Als «Hasilouve» wurde sie schon im Jahr 1225 erwähnt. Ab 1838 gehörte sie der Familie Klingler, die auch die Klingmühle in Bischofszell besass und die Nutzung der Wasserkraft in der Umgebung von Isenhammer vorantrieb. Auf ein Wasserkraftwerk am Dorfbach Gossau folgte die Errichtung eines Wehrs im Wissenbach, so dass ein künstlicher Weiher aufgestaut wurde. Mit einer Fallhöhe von 27,21 Metern und einer 150 Meter langen Druckleitung wurde die Wasserkraft in einem Turbinenhaus genutzt, das in eine halbmondförmige Höhle im Wissenbachtal hineingebaut wurde. Den hier erzeugten Strom leitete Franz Klingler über eine drei Kilometer lange oberirdische Starkstromleitung zur Haslenmühle.[2]
Robert Klingler beantragte im Jahr 1914 eine Umbaugenehmigung für das Wissenbach-Kraftwerk. Die alte Turbine wurde damals ersetzt und um eine zweite Turbine und eine zweite Druckleitung ergänzt. Nach einem Silobrand in der Haslenmühle 1934 wurde statt des alten Silos ein Holzturm errichtet. 1947 brannte fast die gesamte Mühlenanlage ab, und nach einem weiteren Brand 1959 gab Robert Klingler den Mühlenbetrieb auf und verkaufte sein Getreidekontingent an die Ostschweizerische Mühlen-AG. Das einst im Besitz der Familie Klingler befindliche Kraftwerk gehört seit 2005 der Bieri Energie GmbH in Baar; der dort erzeugte Strom wird ins Gossauer Netz eingespeist. Der zugehörige Weiher ist zu einem grossen Teil verlandet. Die Turbinenstation in der Höhle gilt als Industriedenkmal.[2]
Auf die Familie Klingler geht ausserdem das Kraftwerk Niederglatt zurück, das ein Jahr nach dem Turbinenbau am Wissenbach errichtet wurde. Hermann Klingler liess durch den Baumeister Wilhelm Epper ein 35 Meter langes Stauwehr in der Glatt errichten, dazu ein Maschinenhaus und einen Unterwasserkanal. Den erzeugten Strom liess er in einer sechs Kilometer langen Leitung nach Gossau übertragen. Inspiriert hatte ihn die 1891 in Frankfurt am Main präsentierte Drehstrom-Übertragungsleitung, die 175 Kilometer lang war und Strom vom Neckar nach Frankfurt leitete. 1893 wurde in Gossau der Beginn der elektrischen öffentlichen Beleuchtung gefeiert. Klingler verkaufte sein Werk 1909 an die Dorfkorporation Gossau. Das Stauwerk Niederglatt wirkt mittlerweile, wie viele der alten, langsam wieder verlandenden Stauweiher, im Sinne des Naturschutzes. Unter anderem finden sich Geburtshelferkröten in der Umgebung.[2]
Stüdli-Kraftwerk
Ein weiteres Turbinenhaus am Wissenbach gehört zum Kraftwerk Schwänberg bei der Schwänberg-Brücke. Der zugehörige aufgestaute Weiher wird als Stüdli-Weiher bezeichnet. Benannt ist er nach dem Fabrikanten und Sägewerksbesitzer Ulrich Stüdli, der 1890 eine Kraftwerkskonzession beantragt hatte. Trotz der Einsprüche Robert Klinglers und Victor Eberles erhielt Stüdli seine Genehmigung, die bis ins Jahr 1966 galt. Die Staustufe hatte eine Höhe von 15 Metern. Das Kraftwerk Sägerei Stüdli wurde im Jahr 2003, weil der bisherige Betreiber eine erforderliche Sanierung nicht bezahlen konnte, von der Vereinigung Appenzeller Energie übernommen und saniert. Der Stüdli-Weiher wird zum Baden genutzt, die Auenlandschaft gilt als schützenswert und das Turbinenhaus als Industriedenkmal. Es wurde 2004 wieder eröffnet. Das Kraftwerk wird von der SAK AG betrieben und hat eine Konzession bis 2026.[2]
Isenhammerweiher und Schutzgebiet Isenhammer
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde der Isenhammerweiher angelegt. Er befand sich oberhalb des Zusammenflusses der Glatt und des Dorfbaches Gossau. Im Zuge der Renaturierung wurden im Jahr 2012 Wehr und Weiher beseitigt.[5] Die Glatt erhielt ein Gerinne mit mehreren Inseln, der Wanderweg wurde auf die rechte Seite der Glatt verlegt und die Brücke über den Gossauer Dorfbach wurde saniert. In der neu geschaffenen Auenlandschaft sollte ein Lebensraum für Amphibien etc. entstehen; ausserdem wurde damit eine Vernetzung zu den Amphibienlaichgebieten Espel und Kiesgruben Burgauerfeld geschaffen. Das 3,4 ha grosse Schutzgebiet wurde 2014 an Pro Natura verkauft.[6]
Kleinwasserkraftwerk Isenhammer
1993 wurde das Kleinwasserkraftwerk Isenhammer errichtet, das 190 Haushalte mit Strom versorgt. Es wird von der Alpiq betrieben.[7]
Ehemalige Kiesgruben
Zum Gemeindegebiet Gossau gehört die ehemalige Kiesgrube Espel. Bis 1978 wurde auf dem Gebiet Kies abgebaut, danach diente das Gelände als Mülldeponie,[8] später wurde es unter Naturschutz gestellt: In den verlandenden Gewässern laichen mehrere Amphibienarten. Deren Wanderungen über die Staatsstrasse machten den Bau eines Amphibienleitwerks notwendig, das 2005 erstellt wurde.[9]
Das Burgauerfeld galt 1923 als grösste Abfalldeponie der Umgebung. Auf dem Gebiet zwischen Burgau und Glatt wurde Kies für den Hoch- und Tiefbau gewonnen. Tätig war hier die Herbag AG als Nachfolgerin von Jakob Heer.[10] Im Jahr 2009 sollte das 30'000 Quadratmeter grosse Gebiet, das etwa 200 Meter vom Weiler Burgau entfernt liegt, an die Brunner Transport AG aus Flawil verkauft werden, die dort ein Reststofflager einrichten wollte. Aufgrund heftiger Proteste der Anwohner entschied der Flawiler Gemeinderat schliesslich, den Verkauf der Fläche für diesen Zweck nicht zuzulassen.[11] Laut Beobachter lagern auf dem Burgauer Feld allerdings «grosse Sauereien» in Gestalt diverser Industrieabfälle.[12]
Sehenswürdigkeiten und Freizeiteinrichtungen
Salpeterhöhle/Kolumbanshöhle
Vermutlich weil hier einst Salpeter gebrannt wurde, heisst eine Höhle unterhalb der Ruine Helfenberg Salpeterhöhle. Mitunter wird diese Höhle auch St. Kolumbanshöhle oder Kolumbanshöhle genannt, doch gehört dieser Name möglicherweise zu einer weiteren, kleineren Höhle glattabwärts. Seit Mai 1998 ist das Betreten der Salpeterhöhle wegen Einsturzgefahr verboten. In der Nähe der Salpeterhöhle gibt es eine Feuerstelle.[13]
Militärsteg
Der sogenannte Militärsteg, 1988 von der Felddivision 7 errichtet, ist für Wanderer gedacht, die die Glatt überqueren wollen. Aus Eisenträgern auf Betonpfeilern gebaut und mit Bohlen quer belegt, ist diese Brücke 36,8 Meter lang und drei Meter breit und für eine Belastung von 0,5 Tonnen ausgelegt. Sie ist mit Geländern gesichert und darf nicht befahren werden.[14]
Bildung
1890 wurden Egg, Burgau, Oberglatt und Isenhammer zur sogenannten äusseren Gegend zusammengefasst und gemeinschaftlich durch einen Schulrat vertreten. Die Burgauer Schule wurde 2004 geschlossen.[10]
Einzelnachweise
- ↑ www.cilander.ch
- ↑ a b c d e f g Die genutzte Glatt, in: Glattblatt 2010, S. 4 ff. (Digitalisat)
- ↑ Herbert Mayr: Bodensee Süd: Thurgau – St. Gallen – Appenzeller Land – Vorarlberg. 50 Touren. Mit GPS-Tracks. Bergverlag Rother GmbH, 2017, ISBN 978-3-7633-4348-5, S. 86 (google.com).
- ↑ Kleinwasserkraftwerk Buchholz auf www.entegra.ch
- ↑ Fünf Jahre Renaturierung Isenhammer – ein Projekt, das sich lohnte, in: Glatt-Express 2017, S. 10 f. (Digitalisat)
- ↑ Isenhammer auf www.pronatura-sg.ch
- ↑ Kleinwasserkraftwerk Eisenhammer auf www.alpiq.com
- ↑ Nina Rudnicki, Wie im Espel die Natur erwacht, 14. April 2014 auf www.tagblatt.ch
- ↑ SG600 Espel auf www.naturinfo.ch
- ↑ a b Ruth Gartner, Kurzfassung der Burgauer Chronik, 2015 (Digitalisat)
- ↑ Bernard Marks, Millionär um Haaresbreite, 12. März 2009 auf www.tagblatt.ch
- ↑ Altlasten. Hier lagern grosse Sauereien, 4. April 2001 auf www.beobachter.ch
- ↑ Salpeterhöhle (Kolumbanshöhle) auf m.stadtgossau.ch
- ↑ Militärsteg auf www.swiss-timber-bridges.ch
47.411319.216288Koordinaten: 47° 24′ 40,7′′ N, 9° 12′ 58,6′′ O; CH1903: 734155 / 252686