„Umformen" – Versionsunterschied
Version vom 17. Juni 2016, 09:45 Uhr
Hallo Ihr Gurken! Umformen ist der Oberbegriff aller Fertigungsverfahren, in denen Metalle oder thermoplastische Kunststoffe wie PTFE gezielt plastisch in eine andere Form gebracht werden. Je nach Schule wird auch von bildsamer Formgebung gesprochen. Dabei werden ein urgeformtes (beispielsweise gegossenes) Vormaterial (ein Strang aus dem Strangguss oder ein Block aus dem Blockguss) in ein Halbzeug umgeformt (erste Verarbeitungsstufe) oder Werkstücke aus dem Halbzeug erzeugt (zweite Verarbeitungsstufe). Der Werkstoff behält seine Masse und seinen Zusammenhalt bei der Umformung. Umformen unterscheidet sich von Verformen dadurch, dass die Formänderung gezielt eingebracht wird. Verformung ist eine ungezielte plastische Formänderung (z. B. beim Zusammenstoß von Automobilen).
In der Einteilung der Fertigungsverfahren nach DIN 8580 ist Umformen der Überbegriff der zweiten Hauptgruppe und steht neben den anderen Hauptgruppen Urformen, Trennen, Fügen, Beschichten und Stoffeigenschaft ändern.
Nach dem Urformen wird der größte Teil der Werkstoffe durch Umformen zu Halbzeugen (Blechen, Drähten und anderen Profilen (beispielsweise Stäbe, Knüppel)) weiterverarbeitet. Für die Fertigung von Massenprodukten ist die weitere Umformung der Halbzeuge meist das wirtschaftlichste Verfahren.
Grundlagen
Metalle sind aus Kristalliten aufgebaut, deren Orientierung isotrop oder anisotrop ist. Plastische Formänderungen metallischer Werkstoffe erfolgen durch Fließen auf kristallographisch bevorzugten Gleitebenen und in bevorzugten Gleitrichtungen innerhalb der Kristallite. Gleitebenen und -richtungen sind abhängig vom Aufbau der Metalle und ihrer Gitterstrukturen. Es werden kubisch raumzentrierte, kubisch flächenzentrierte oder hexagonale Gitterstrukturen unterschieden. Das Umformen der Metalle geschieht durch Wandern von Versetzungen (Translation) oder durch sog. Zwillingsbildung. Wandern beginnt, wenn eine angelegte Schubspannung die kritische Schubspannung überschreitet. Bei hexagonalem Aufbau der Metalle klappt das Gitter von einer Lage in eine andere Lage (Zwillingsbildung).
Es wird zwischen Kaltumformung, Halbwarmumformung und Warmumformung unterschieden. Bei der Warmumformung wird das Werkstück vor der Umformung auf eine Temperatur über der Rekristallisationstemperatur des Werkstoffs erwärmt. Dadurch kommt es während der Umformung regelmäßig zur Rekristallisation, die einer Verfestigung des Werkstoffes entgegenwirkt. Eine Kaltumformung geschieht unterhalb der Rekristallisationstemperatur. Diese liegt für reines Eisen bei 450 °C und für Blei bei 3 °C, weshalb eine Umformung von Blei bei Raumtemperatur bereits Warmumformen ist. Bei der Halbwarmumformung erwärmt man das Werkstück auf eine Temperatur unterhalb der Rekristallisationstemperatur, wodurch man die Vorteile der Warmumformung (leichtere Umformbarkeit und höheres Umformvermögen) mit den Vorteilen des Kaltumformens (Verfestigung, höhere Genauigkeit) verbinden kann. Für Stähle liegen technisch und ökonomisch sinnvolle Temperaturen zwischen 500 °C und 900 °C.[1]
Wenn aufgrund der Umformung die im Werkstoff wirksamen Spannungen die Schubfestigkeit oder Trennfestigkeit ungewollt übersteigen, kommt es zu Schiebungs- oder Trennungsbrüchen, die das Werkstück unbrauchbar machen. Entgegenwirken kann man diesem Werkstoffversagen durch eine angepasstere Umformung, d. h. einen geänderten Stadiengang oder eine Temperaturerhöhung des Werkstoffs.
Heutzutage ist ein großes Forschungsgebiet in der Umformtechnik, ähnlich wie in anderen Fachbereichen, die Simulation. Mit Hilfe von verschiedenen Programmen (meist auf Grundlage der Finite-Elemente-Methode, beispielsweise Autoform oder LS-DYNA) werden Umformverfahren modelliert, berechnet und die Berechnungsergebnisse visuell dargestellt. Dies ermöglicht eine genauere Fehlerprognose bei der Herstellung der Bauteile sowie die Optimierung des Materialverbrauchs und der Prozessgestaltung.
Umformverfahren
Die Umformverfahren werden nach DIN 8582 unterteilt nach den Spannungen, die die Umformung vorwiegend bewirken.
Es werden folgende Gruppen unterschieden:
Druckumformen nach DIN 8583
Umformen bei vorherrschender Druckbeanspruchung; Untergruppen:
- Walzen zwischen zwei oder mehreren (bis zu zwanzig) rotierenden Werkzeugen, den so genannten Walzen. Beispiele hierfür sind Brammen, Bleche, Folien, Schraubengewinde.
- Freiformen; hierzu gehören u. a. Elektrostauchen (beispielsweise als Arbeitsgang vor dem Gesenkformen von Tellerventilen), Rundkneten und Treiben.
- Gesenkformen (Schmieden), Beispiele sind Kurbelwellen, Schraubenschlüssel, Pleuel oder Zahnräder.
- Eindrücken, zum Beispiel Körnen oder Anreißen, Prägen von Blechteilen oder Münzen.
- Durchdrücken, hierzu gehört das Strang- und Fließpressen, beispielsweise Fließpressen von Patronenhülsen.
Zugdruckumformen nach DIN 8584
Umformen bei gleichzeitiger Beanspruchung durch Zug- und Druckbelastungen unterschiedlicher Wirkrichtung; Untergruppen:
- Durchziehen (Ziehen von Draht, Rohren und Profilen)
- Tiefziehen (beispielsweise von einer Blech-Platine/Ronde zu einer Getränkedose in einer oder mehreren Stufen)
- Drücken
- Kragenziehen
- Knickbauchen
- Innenhochdruck-Weitstauchen
Zugumformen nach DIN 8585
Umformen bei vorherrschender Zugbeanspruchung; Untergruppen:
- Längen
- Weiten
- Tiefen beispielsweise Hohlprägen von KFZ-Schildern
Biegeumformen nach DIN 8586
Umformen bei vorherrschender Biegebeanspruchung; Untergruppen:
- Biegeumformen mit geradliniger Werkzeugbewegung
- Biegeumformen mit drehender Werkzeugbewegung
- Walzbiegen: Walzrunden, Walzrichten, Wellbiegen, Walzprofilieren (Walzsicken, Walzbördeln), Walzziehbiegen,
- Schwenkbiegen
- Rundbiegen: Wickeln
- Umlaufbiegen
Schubumformen nach DIN 8587
Umformen bei vorherrschender Schubbeanspruchung; Untergruppen:
- Verdrehen von Geländerstäben
- Verschieben
Weitere Verfahren
Siehe auch
Literatur
- Hartmut Hoffmann, Reimund Neugebauer, Günter Spur: Handbuch Umformen, Hanser, 2012.
- Eckart Doege, Bernd-Arno Behrens: Handbuch Umformtechnik, Springer, 2010, 2. Auflage.
- Fritz Klocke, Wilfried König: Fertigungsverfahren 4 - Umformen, Springer, 5. Auflage.
Einzelnachweise
- ↑ König, Klocke: Fertigungsverfahren - Band 4: Umformen Springer, 5. Auflage S. 222f.