„Toleranz" – Versionsunterschied

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Liegt eine Not, ein Urteil zu fällen und zu artikulieren, nicht vor, gebietet schon die soziale Lebens[[effizienz]], sich der Urteilsfindung zu enthalten.
Liegt eine Not, ein Urteil zu fällen und zu artikulieren, nicht vor, gebietet schon die soziale Lebens[[effizienz]], sich der Urteilsfindung zu enthalten.


Gemäß der [[(削除) Nikomachische Ethik (削除ここまで)|Mesotes-Lehre]] des altgriechischen Philosophen [[Aristoteles]] haben [[Tugend|gute Charaktereigenschaften]] immer zwei negative Gegensätze, in deren Mitte sie sich befinden. So ist es auch bei der (aktiven) Toleranz: ihre Gegensätze sind Intoleranz und die Ignoranz (auch Gleichgültigkeit oder Beliebigkeit s.u.)
Gemäß der [[(追記) Mesotes (追記ここまで)|Mesotes-Lehre]] des altgriechischen Philosophen [[Aristoteles]] haben [[Tugend|gute Charaktereigenschaften]] immer zwei negative Gegensätze, in deren Mitte sie sich befinden. So ist es auch bei der (aktiven) Toleranz: ihre Gegensätze sind Intoleranz und die Ignoranz (auch Gleichgültigkeit oder Beliebigkeit s.u.)


===Intoleranz===
===Intoleranz===

Version vom 2. Januar 2006, 22:38 Uhr

Dieser Artikel beschäftigt sich mit Toleranz im ethisch-sozialen Sinne. Zu anderen Bedeutungen von Toleranz, siehe Toleranz (Begriffsklärung)

Der Ausdruck Toleranz [toleˈrants ] bezeichnet die soziale, kulturelle und religiöse Nichtverfolgung von Einzelnen oder Gruppen, deren Glaubens- und Lebensweise vom etablierten religiösen oder gesellschaftlichen System abweichen.

Autoritäre Systeme praktizieren das der Toleranz Entgegengesetzte: die Intoleranz. Toleranz als gutmütige "Duldung" ist aber nicht gleichbedeutend mit Übereinstimmung und stellt die Vorstufe zur Akzeptanz dar. Toleranz umfasst einerseits die Vollmacht zur Sanktionierung des Abweichlers und andererseits die bewusste Entscheidung, davon Abstand zu nehmen. Sie wird normalerweise bei gewaltlosem, auf Einigung zielendem Verhalten geübt. Toleranz kann Gewalt vermindern.

Im weiteren soziologischen Sinn gilt, dass "Intoleranz" und Konformität Gewalt und soziale Destabilisierung bewirken. "Toleranz" ist folglich die Schaffung eines Spielraums für Menschen abweichenden sozialen Verhaltens und anderer Normen. Toleranz richtet sich nur auf Menschen, die wegen ihrer Andersartigkeit ausgeschlossen sind. Anders als die Masse, die gegen das Abweichende rigide vorgeht, erforderte die "Toleranz", dass andersgeartete Parteien oder Gruppen diesbezüglich leiblich wie seelisch nicht behindert werden.

Politik und Religion

Historisch gesehen war die politische und religiöse Toleranz der wichtigste Aspekt der Toleranz, da Unterschiedlichkeiten in politischen und religiösen Systemen zu zahllosen Kriegen, Verfolgungen und anderen Verbrechen geführt haben. Die Philosophen und Autoren der Aufklärung, besonders Voltaire und Lessing verhalfen wohl der religiösen Toleranz nachdrücklich zum Durchbruch und waren von großem Einfluss auf die westliche Gesellschaft (siehe Pluralismus). Sie vermochten jedoch nicht mit entsprechender Beharrlichkeit den bedeutsamen Bereich der politischen Toleranz auszubauen. Wohl ist der Mangel an religiöser Toleranz gegenwärtig für viele Probleme in der Welt verantwortlich, politische Meinungsverschiedenheiten haben jedoch Hunderte Millionen Todesopfer allein im zwanzigsten Jahrhundert gefordert.

Grenzen und potentielle Problematik von Toleranz

Das Zitat "es gibt nur eine Sache, die ich nicht zulassen kann – das ist die Intoleranz" veranschaulicht, dass es Begrenzungen der Toleranz gibt. Insbesondere kann eine tolerante Gesellschaft keine solche Intoleranz zulassen, die sie zerstören würde.

Es gibt daher ein Paradoxon der Toleranz. Wer Intoleranz toleriert ist sowohl tolerant als auch intolerant. Man kann zwar sagen, das der, der Intoleranz intoleriert, tolerant ist, aber so einfach geht das nicht. Besonders deutlich wird dieses Problem anhand einer Massenmeinung A und einer Massenmeinung B. Beide Meinungen sind völlig verschieden und halten sich für richtig und die andere für verwerflich. Deshalb halten beide Meinungen die andere für intolerant. Die Prinzipien beider Ansichten sind unbeweglich und unveränderbar. Beide meinen, dass Toleranz dort aufhört, wo Intoleranz toleriert wird. Eine tolerante Meinung kann keine solche Intoleranz zulassen, die sie zerstören würde. Aber welche Meinung ist nun tolerant?

Andererseits bringen restriktive Maßnahmen eine rasche Minderung einer allgemein herrschenden Toleranz mit sich, und eine "Diktatur der Toleranz", die unter der Bezeichnung Toleranz Übereinstimmung der Meinungen oder ethischen Überzeugung fordert ("du musst mir recht geben, sonst bist du intolerant"), ist ebenfalls eine massive Einschränkung der Meinungsfreiheit - im Gegensatz dazu Toleranz nach Voltaire: "Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst."

Es ist schwierig, ein Gleichgewicht herzustellen, und verschiedene Gesellschaften sind sich keineswegs über die Details einig. In Deutschland etwa gilt eine gesetzlich sanktionierte Intoleranz gegen den Nazismus.

In vielen Ländern kommt es zu Problemen mit der Toleranz in Bereichen wie Trennung von Kirche und Staat, Homosexualität, Genuss von Tabak, Alkohol und anderen Drogen, kritischer politischer Literatur und Publizistik oder abweichenden sexuellen Handlungen, wobei die Probleme in manchen Fällen durch den Konflikt zwischen persönlicher Freiheit des einzelnen und potentieller Schädigung von Dritten (Passivrauchen, Pädophilie) bedingt sind.

Auch beim Umweltschutz oder in der Gentechnologie gibt es Toleranzgrenzen, die nicht überschritten werden dürfen, ansonsten wird möglicherweise die Ökologie schwer geschädigt, was unter Umständen sogar zum Aussterben der Menschheit führen kann.

Sozialethik

In der Sozialethik bedeutet Tolerieren, dass ein einzelner Mensch oder eine Gruppe nach Maßgabe der Gleichberechtigung störende Einflüsse, die von anderen Menschen oder Gruppen ausgehen, nicht mit (scharfen) sozialen Sanktionen ahndet. Toleranz geht nicht so weit wie Akzeptanz – bei letzterer wird ein Zustand als von den eigenen Wünschen zwar abweichend, aber als dem Gemeinnutz dienlich anerkannt.

Soziologie

Im Bereich der öffentlichen Meinung hat die Demoskopin Elisabeth Noelle-Neumann in diesem Zusammenhang eine Wechselbestärkung scheinbarer Toleranz soziologisch als "Schweigespirale" beschrieben.

Erziehung

Hier wird Toleranz, oft im Rahmen der "Politischen Bildung", als aktive Bürgertugend gefördert und gilt als Kennzeichnung eines funktionierenden Rechtsstaates und einer 'lebenden' Demokratie. Es werden auch Formen der Toleranz unterschieden:

Passive Toleranz

Tolerieren im passiven Sinn bedeutet, dass eine negative, Akzeptanz ausschließende Beurteilung zwar getroffen wurde, der Bewertende enthält sich jedoch einer offenen Reaktion, zum Beispiel um des 'lieben Friedens' willen. In diesem Sinne sagen zum Beispiel Eltern mit entsprechendem Unterton zu ihren Kindern: "Na gut, ich toleriere das!" Ausschließlich passive Toleranz wird pädagogisch nicht begrüßt, weil sie einer Vermeidungshaltung gegenüber Problemen (Robert K. Merton: retreatism) gleichkommt und der Ignoranz sehr nahe kommt.

Aktive Toleranz

Toleranz im positiven Sinn und als Grundwert freier, pluralistisch ausgerichteter Gesellschaften bedeutet absolute geistige Offenheit bezüglich der Option einer möglichen Akzeptanz des tolerierten Sachverhaltes in der Zukunft. Beim positiven Tolerieren wird eine abschließende Bewertung des tolerierten "Einflusses" nicht nur durch entsprechende Reaktionen nicht zum Ausdruck gebracht, sondern eine Beurteilung unterbleibt auch bewusst im Geiste.

Ein toleranter Mensch ist sich im sokratischen Sinne über die Grenzen des eigenen Wissens bewusst. Insbesondere lässt er eine intuitive Gefühlsreaktion, die oft auf Grund von allgegenwärtigen Vorurteilen oder Stereotypen ins Bewußtsein gelangt, nicht als Grundlage für eine abschließende Bewertung gelten. Das Nicht-Nachgeben gegenüber solchen Gefühlslagen wird zu einer charakterprägenden Übung, die das Entstehen dieser irrational negativen Gefühlsreaktionen in der Zukunft vermindert und die tolerante Grundhaltung dieses Menschen festigt.

Kann ein toleranter Mensch aus dem eigenen, sicheren Wissen heraus keine negative Bewertung des Einflusses ableiten, dann wird er auch kein Urteil fällen und keine entsprechende Reaktion äußern. Wirkt der Einfluss aber als Beeinträchtigung und erfordert somit eine Bewertung, bemüht sich der dem Wesen nach tolerante Mensch um ein genaues Verständnis der Situation, auf dessen Grundlage er sich mit dem Einfluss adäquat auseinander setzen kann.

Toleranz im positiven Sinn (deshalb auch "Aktive Toleranz" genannt) schließt die Fähigkeit ein, zu erkennen, wann eine Urteilsfassung und das zum Ausdruck Bringen derselben geboten ist. Dieses schließt die Fähigkeit zur Non-Akzeptanz und ihrer angemessenen Äußerung ein; damit unterscheidet sie sich wesentlich von der Ignoranz.

Liegt eine Not, ein Urteil zu fällen und zu artikulieren, nicht vor, gebietet schon die soziale Lebenseffizienz, sich der Urteilsfindung zu enthalten.

Gemäß der Mesotes-Lehre des altgriechischen Philosophen Aristoteles haben gute Charaktereigenschaften immer zwei negative Gegensätze, in deren Mitte sie sich befinden. So ist es auch bei der (aktiven) Toleranz: ihre Gegensätze sind Intoleranz und die Ignoranz (auch Gleichgültigkeit oder Beliebigkeit s.u.)

Intoleranz

Intoleranz (Unduldsamkeit) bedeutet, dass Akzeptanz abschließend versagt wird, obwohl

  • außer einer irrationalen Gefühlsregung nichts für eine solche Bewertung spricht
  • das eigene Wissen für eine abschließende Bewertung nicht ausreicht
  • die zuvor angestrengte gedankliche Auseinandersetzung der abschließenden Beurteilung nicht gerecht wird, oder
  • keine Not bestand, eine solche abschließende Bewertung zu treffen, da Beeinträchtigungen für einen selbst und andere, die von dem entsprechenden Sachverhalt ausgehen, offensichtlich vernachlässigbar sind

Toleranz gegenüber Intoleranz

Zur Toleranz gehört in der Politischen Bildung Nicht-Akzeptanz gegenüber Intoleranz mit hinzu (siehe Aktive Toleranz). Die Grenzen zwischen Toleranz und Intoleranz sind politische Grenzen. Beide Begriffe werden auch als politische Kampfbegriffe verwendet.

Ignoranz

Auf der einen Seite findet Toleranz ihre Grenzen in der Gleichgültigkeit und der Beliebigkeit. Toleranz an sich sagt nicht zwangsläufig aus, dass der tolerierte Sachverhalt wirklich zur Kenntnis genommen und bewertet wird. Toleranz kann daher auch zur Abschottung führen (Papst Johannes Paul II).

Im Falle von Ignoranz finden prinzipiell entweder gar keine Bewertungsbemühungen statt oder diese Bemühungen bestehen in einer vorhersagbar simplen Gedankenmechanik, die stets zu positiven Ergebnissen kommt. Ignorante Menschen äußern entweder völlige Gleichgültigkeit, oder sie signalisieren immer nur Zustimmung – zum Beispiel aus Opportunismus. Im Ergebnis ähnelt Ignoranz der oben erwähnten passiven Form von Toleranz, wobei bei passiv toleranter Haltung Non-Akzeptanz verdeckt vorhanden ist und nicht selten subtil (etwa durch die Tonlage) ausgedrückt wird.

Ignoranz steht mit Toleranz insofern im Widerstreit, da sie auch echte Intoleranz, das Gegenteil von Toleranz, duldet. Ignoranz ist deshalb mit einer toleranten Geisteshaltung unvereinbar. Dennoch können die beiden Charaktereigenschaften leicht verwechselt werden, insbesondere bei Abwesenheit intoleranter oder anderer schwerwiegend negativer Einflüsse.

Zitate

  • Der Bürger aber ist tolerant. Seine Liebe zu den Leuten, wie sie sind, entspringt dem Hass gegen den richtigen Menschen.Theodor W. Adorno (Minima Moralia)
  • Ich ziehe Demonstrationen der Toleranz den Demonstrationen der Intoleranz jederzeit vor, und doch habe ich weiterhin gewisse Vorbehalte gegenüber dem Wort 'Toleranz' und dem Diskurs, den es organisiert. Es ist ein Diskurs mit religiösen Wurzeln, er steht meistens auf Seiten der Macht, immer verbunden mit gewissen herablassenden Konzessionen ...Jacques Derrida (2001; in: Philosophie in Zeiten des Terrors, ISBN 3865723586, S. 168)

Siehe auch

Wikiquote: Toleranz  – Zitate
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