„Netzfrequenz" – Versionsunterschied
Version vom 13. Februar 2013, 12:55 Uhr
Mit Netzfrequenz wird in einem Stromnetz die Frequenz zur elektrischen Energieversorgung mittels Wechselspannung bezeichnet. Die Netzfrequenz ist in einem Stromversorgungsnetz einheitlich und, bis auf kleinere regeltechnische Abweichungen vom Nennwert, zeitlich konstant.
Die Netzfrequenz wird in Hertz, abgekürzt Hz angegeben. Die Einheit Hertz ist nach dem deutschen Physiker Heinrich Hertz benannt.
Netzfrequenzen und Netze
In Europa wird für das allgemeine Stromnetz, das so genannte Verbundnetz, eine Netzfrequenz von 50 Hz verwendet. Einige Eisenbahnen verwenden davon abweichende Netzfrequenzen. So nutzen beispielsweise die ÖBB, SBB und die Deutsche Bahn für ihre Bahnstromversorgung eine nominale Frequenz von 16,7 Hz. Früher betrug die nominale Bahnnetzfrequenz 162/3 Hz, was genau einem Drittel der im Verbundnetz verwendeten 50 Hz entspricht. Mit den früher bei rotierenden Umformern üblichen Drehstrom-Synchronmaschinen konnte diese Frequenz exakt eingehalten werden. Durch den vermehrten Einsatz von leistungsfähigeren und wartungsärmeren asynchronen Umformern wurde aus regeltechnischen Gründen die nominale Bahnfrequenz auf 16,7 Hz geändert [1] [2] .
In Nordamerika verwendet man im Allgemeinen ein Stromnetz mit einer Netzfrequenz von 60 Hz. Für Eisenbahnen und industrielle Abnehmer findet man dort auch eine Netzfrequenz von 25 Hz vor. Der Netzfrequenz kann auch eine Tonhöhe zugeordnet werden, 50 Hz entsprechen fast einem Kontra-G (‚G). Der Ton, welcher beispielsweise aus einer örtlichen Umspannstation als Brummton wahrzunehmen ist, hat wegen der Magnetostriktion des Eisenkerns die doppelte Netzfrequenz, nämlich 100 Hz, und entspricht dem um eine Oktave höheren G.
Die vor allem im Bahnbereich vergleichsweise niedrigen Netzfrequenzen resultieren aus der technologischen Entwicklung der ersten elektrischen Maschinen: Man konnte Anfang des 20. Jahrhundert elektrische Maschinen größerer Leistung nur mit diesen niedrigen Frequenzen bauen. Dies ist zwar seit Mitte des 20. Jahrhundert keine technologische Beschränkung mehr und es wäre möglich, im Bahnbereich höhere Frequenzen - also auch 50 Hz - einzusetzen, was eine leichtere Stromversorgung aus dem Verbundnetz ermöglichen würde. Wegen des großen Umstellungsaufwandes werden jedoch diese damals eingeführten niedrigen Netzfrequenzen im Bahnbereich auch noch heute beibehalten.
In speziellen Bereichen, so z. B. im Bordnetz von Flugzeugen, sind höhere Netzfrequenzen üblich, z. B. 400 Hz, da sich für höhere Frequenzen kleinere und leichtere Transformatoren bauen lassen.
Qualitätsindikator
Die Netzfrequenz und deren Abweichung vom Nennwert ist ein direkter Qualitätsindikator über die Relation der über Erzeuger wie Kraftwerke angebotenen elektrischen Momentanleistung und der Abnahme der elektrischen Momentanleistung durch Verbraucher. Elektrische Energie kann in Verbundnetzen kaum gespeichert werden, sondern nur zwischen Erzeuger und Verbraucher verteilt werden. Der abgegebenen Leistung muss, bis auf die Blindleistung bei Wechselstrom, zu jedem Zeitpunkt eine gleich große Leistungsaufnahme gegenüberstehen.
Kommt es zu Abweichungen, führt dies in Wechselspannungsnetzen zu einer Veränderung der Netzfrequenz: Bei einem Überangebot von elektrischer Leistung kommt es zu einer Steigerung der Netzfrequenz, bei einem Unterangebot zu einer Absenkung der Netzfrequenz. Im Normalfall sind diese Abweichungen im westeuropäischen Verbundnetz minimal und bewegen sich unter 0,2 Hz. Die Aufgabe der Leistungsregelung in Verbundnetzen ist es, die zeitlichen Schwankungen auszugleichen und so die Netzfrequenz auf konstantem Nennwert zu halten. Je kleiner ein Stromversorgungsnetz ist, und je schlechter die Netzregelung funktioniert, desto stärkere Schwankungen treten bei der Netzfrequenz auf.
Kommt es durch nicht kompensierbare Fehler zu einem massiven Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage von elektrischer Leistung, sind entsprechend starke Netzfrequenzschwankungen die Folge, wie es nebenstehende Abbildung für den Stromausfall in Europa im November 2006 darstellt. Dargestellt ist der Verlauf der Netzfrequenz für einen Teil des westeuropäischen Verbundnetzes: Zum Zeitpunkt des Ausfalles kam es zu einem massiven Unterangebot an elektrischer Leistung und damit zu einer Unterfrequenz. Im gleichen Zeitrahmen kam es im osteuropäischen Teil des Verbundnetzes zu einem Überangebot und einer Steigerung der Netzfrequenz. Im Zeitbereich des Ausfalls wurde das Verbundnetz durch Schutzeinrichtungen automatisch in mehrere autonome Segmente aufgeteilt, welche asynchron zueinander arbeiteten. Durch Lastabwurf konnten diese Netzsegemente wieder stufenweise synchron zusammengeschaltet werden [3] .
Maßnahmen der Stromerzeuger zum Netzmanagement
Primärregelung
Wird dem Netz mehr Leistung entnommen als über die Generatoren eingespeist wird, dann wird die fehlende Leistung aus der Rotationsenergie der Generatoren entnommen, wodurch diese langsamer werden und die Netzfrequenz sinkt. Bei zu geringer Leistungsentnahme oder zu hoher Einspeisung steigt die Frequenz. Bei einer zwischengeschalteten Kette aus Gleichrichter und Wechselrichter tritt dieser Effekt jedoch nicht in diesem Maße auf bzw. kann leichter gesteuert werden.
Die Primärregelung hat die Aufgabe, den Abfall der Netzfrequenz zu begrenzen.[4] Als schneller Proportionalregler speist sie eine Leistung in das Netz, die proportional zum Frequenzabweichung vom Sollwert ist.
Sekundär- und Minutenreserve
Die Sekundärregelung hat die Aufgabe, die Frequenz wieder auf den Sollwert zurückzuführen. Hierzu ist sie als Integralregler ausgeführt. Sobald die Sekundärregelung aktiv wird und mit ihrer Leistung den Frequenzfehler verringert, nimmt die Primärregelung Leistung zurück und wird damit wieder für den nächsten Einsatz frei. Wenn absehbar ist, dass die Sekundärregelleistung länger aktiv bleiben müsste (z.B. Prognosefehler im Verbrauch, Kraftwerksausfall oder Windprognosefehler), dann wird die Minutenreserve (auch: Tertiärregelung) manuell aktiviert, wodurch die Leistung der Sekundärregelleistung automatisch zurückgeht. Damit wird die Sekundärregelleistung wieder für den nächsten Einsatz frei.
Netzzeit
Die Netzfrequenz im europäischen Verbundnetz eignet sich wegen der geringen Abweichungen von der Nennfrequenz als Zeitgeber für Uhren. Trotz der geringen Abweichungen können sich dabei Fehler von einigen Sekunden pro Tag ergeben. Um den Zeitfehler gering zu halten wird die Netzzeitabweichung als Differenz zwischen Koordinierter Weltzeit und der auf Basis der Netzfrequenz ermittelten Zeit zentral[5] erfasst und korrigiert. Überschreitet die Netzzeitabweichung +/-20 Sekunden, dann wird die Nennfrequenz für die Frequenzregler bei vorauseilender Netzzeit um 10 mHz auf 49,990 Hz reduziert, bei nacheilender Netzzeit um 10 mHz auf 50,010 Hz erhöht[6] . Dadurch passt sich die Netzzeit langsam wieder an die Koordinierte Weltzeit an. Die Netzzeit stellt damit eine langfristig sehr genaue Zeitbasis mit kurzfristigen Schwankungen im Sekundenbereich dar.
In Europa erfasst Swissgrid im Auftrage des Stromverbundes UCTE die Abweichungen und koordiniert die Korrekturen.
Kriterien zur Wahl der Netzfrequenz
Die Wahl der Netzfrequenz ist ein Kompromiss aus verschiedenen technischen Randbedingungen. Die Festlegung erfolgte in der Anfangszeit der Elektrifizierung, also um die Jahrhundertwende zwischen dem 19. und dem 20. Jahrhundert. Die maßgeblichen Randbedingungen waren also diejenigen, die sich zu jenem Zeitpunkt ergaben. Hier sind einige davon:
- Im Gegensatz zu Gleichstrom kann man Wechselstrom durch Transformatoren in der Spannung umsetzen. Dadurch wird ermöglicht, dass man verhältnismäßig niedrige und damit relativ ungefährliche Spannungen zum Endverbraucher führt, während man hohe Spannungen für die Minimierung von Verlusten in Überlandleitungen einsetzen kann.
- Höhere Frequenzen erlauben es, kleinere Transformatorkerne zu verwenden. Die Transformatoren werden dadurch bei gleicher Leistung kleiner, leichter und billiger.
- Höhere Frequenzen erzeugen größere Verluste in Leitungen durch den Skin-Effekt. Dadurch wird in der Praxis die maximale wirtschaftliche Dicke einer Leitung festgelegt.
- Die Netzfrequenz in einem Verbundsystem muss überall gleich und synchronisiert sein.
- Höheren Frequenzen entsprechen kürzere Wellenlängen. In räumlich weit verteilten Verbundsystemen machen sich dadurch eher Phasenverschiebungen bemerkbar, wodurch die Synchronisation erschwert wird.
- Die Netzfrequenz steht in direktem Bezug zur Drehzahl und zur Polzahl von Generatoren und von Motoren. Eine Steigerung der Frequenz erfordert entweder eine Steigerung der Drehzahl (mögliche Probleme mit Fliehkräften und/oder Lagern) oder eine Vergrößerung der Polzahl (größerer technischer Aufwand und dadurch höhere Kosten).
- Eine Frequenzumsetzung ist aufwendig. Man setzt dafür Stromrichter ein. Zu Beginn der Elektrifizierung stand als Umsetzer nur eine Kopplung aus Motor und Generator zur Verfügung. Transformatoren sind nicht in der Lage, die Frequenz umzusetzen. Heutzutage werden dafür Wechselrichter und geeignete Leistungselektronik eingesetzt. Im Bereich der Energieversorgung und zur Kopplung asynchroner Stromnetze finden die Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung (HGÜ) und die HGÜ-Kurzkopplung Anwendung.
Messung
Da Abweichungen von der korrekten Netzfrequenz oft zu Problemen führen, vor allem in Verbundnetzen oder bei der Parallelschaltung mehrerer Stromerzeuger, ist es von immenser Wichtigkeit, die Netzfrequenz zu überwachen. So können bei Problemen Maßnahmen zum Schutz des Netzes eingeleitet werden, zum Beispiel Lastabwurf.
Zur Messung der Netzfrequenz gibt es mehrere verschiedene Bauarten von Instrumenten. Klassischerweise und primär für die manuelle Ablesung werden Zungenfrequenzmesser eingesetzt. In größeren Netzen wird die Netzfrequenz an mehreren Punkten automatisch mittels digitaler Messtechnik und elektronischen Frequenzmessern gemessen und der Verlauf aufgezeichnet.
Siehe auch
- Übersicht der Stromnetzfrequenzen weltweit
Einzelnachweise
- ↑ Bahnstromsysteme: Umstellung der Bahnnetzfrequenz von 16 2/3 auf 16,70 Hz
- ↑ C. Linder: Umstellung der Sollfrequenz im zentralen Bahnstromnetz von 16 2/3 Hz auf 16,70 Hz. In: Elektrische Bahnen. Heft 12. Oldenbourg-Industrieverlag, 2002, ISSN 0013-5437 .
- ↑ UCTE: Final Report on the disturbances of 4. November 2006. (https://www.entsoe.eu/fileadmin/user_upload/_library/publications/ce/otherreports/Final-Report-20070130.pdf PDF).
- ↑ Netzfrequenzmessung und Infos zur Primärregelleistung
- ↑ swissgrid: Messung der Netzzeit im Auftrag der UCTE
- ↑ swissgrid zu Netzzeitabweichung
Literatur
- Gerhard Neidhöfer: Der Weg zur Normfrequenz 50 Hz - Wie aus einem Wirrwarr von Periodenzahlen die Standardfrequenz 50 Hz hervorging. VDE-Verlag, 2008 (Online [PDF] Bulletin SEV/AES 17).
Weblinks
- Verband Europäischer Übertragungsnetzbetreiber: Verlauf der Netzfrequenz des europäischen Verbundnetzes in den letzten Minuten
- Süddeutsche Zeitung: Methoden beim Landeskriminalamt - Dem Verbrechen auf der Spur (Bericht über die Verwendung der Netzfrequenz-Messwerte zur Verbrechensaufklärung in Deutschland)
- Online-Messung der Netzfrequenz: Aktuelle Netzfrequenz mit Darstellung des zeitlichen Verlaufs