(788 dazwischenliegende Versionen von mehr als 100 Benutzern, die nicht angezeigt werden)
Zeile 1:
Zeile 1:
{{(削除) Dieser Artikel (削除ここまで)|(削除) beschreibt die psychische Situation. (削除ここまで)Für weitere Bedeutungen (削除) des (削除ここまで)(削除) Wortes (削除ここまで)(削除) siehe (削除ここまで) [[(削除) Amok (削除ここまで) (Begriffsklärung)]].}}
{{(追記) Weiterleitungshinweis|Amoklauf (追記ここまで)|Für weitere Bedeutungen (追記) siehe (追記ここまで) (追記) [[Amok (追記ここまで) (追記) (Begriffsklärung)]] bzw. (追記ここまで) [[(追記) Amoklauf (追記ここまで) (Begriffsklärung)]].}}
Als '''Amok''' (von [[Malaiische Sprache|malaiisch]] ''amuk'' „wütend", „rasend")<ref name="Duden_Amok">Duden online: [https://www.duden.de/rechtschreibung/Amok ''Amok'']</ref> bezeichnet man einen [[Massenmord]] oder den Versuch eines Massenmords, der aus [[Terrorismus|terroristischen]] Motiven oder aufgrund einer [[Psychische Störung|psychischen Erkrankung]] mit [[Realitätsverlust]] begangen wird, und bei dem der Täter das Risiko, selbst getötet zu werden, in Kauf nimmt.<ref>Lothar Adler: ''Amok – Geschichte und Ergebnisse aus psychiatrischer Perspektive.'' In: Ralf Junkerjürgen, Isabella von Treskow (Hrsg.): ''Amok und Schulmassaker: Kultur- und medienwissenschaftliche Annäherungen.'' transcript Verlag, Bielefeld 2015, ISBN 978-3-8376-2788-6, [https://books.google.de/books?id=tn2tCAAAQBAJ&pg=PA26&dq=amok+definition&hl=de&sa=X&redir_esc=y#v=onepage&q=amok%20definition&f=false S. 26.]</ref><ref>''[https://www.bdp-verband.de/psychologie/glossar/amok.shtml Amok]'' im Glossar des [[Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen|Berufsverbands Deutscher Psychologen und Psychologinnen]], bdp-verband.de, abgerufen am 5. Oktober 2017.</ref>
'''Amok''' ([[Malaiische Sprache|malaiisch:]] meng-âmok, ''in blinder Wut angreifen und töten'') ist eine psychische Extremsituation, die durch [[Unzurechnungsfähigkeit]] und absolute [[Gewalt]]bereitschaft gekennzeichnet ist. Die Täter, die in einer solchen Ausnahmesituation [[Straftat]]en begehen können, nennt man ''Amokläufer'' oder auch ''Amokschützen'', falls sie Schusswaffen gebrauchen, oder ''Amokfahrer'', falls sie Fahrzeuge einsetzen.
Der entsprechende Vorgang wird als '''Amoklauf''' oder '''Amoktat''' bezeichnet, der Täter als '''Amokläufer''' oder '''Amoktäter''' – oder auch als '''Amokschütze''', wenn er eine Schusswaffe verwendet. Falls der Täter ein Fahrzeug einsetzt, spricht man von einem '''Amokfahrer'''.<ref>Duden online: [https://www.duden.de/rechtschreibung/Amoklaeufer ''Amokläufer''], [https://www.duden.de/rechtschreibung/Amokschuetze ''Amokschütze''], [https://www.duden.de/rechtschreibung/Amokfahrer ''Amokfahrer'']</ref><ref>{{Internetquelle |autor=Gisela Mayer, Andreas Unger |url=http://www.zeilenmacher.de/wp-content/uploads/2017/07/BegegnungmitLeid_web.pdf |titel=Begegnung mit dem Leid |datum=2017 |seiten=41 |format=PDF |sprache=de |abruf=2019年11月21日 |archiv-url=https://web.archive.org/web/20210507105345/https://www.zeilenmacher.de/wp-content/uploads/2017/07/BegegnungmitLeid_web.pdf |archiv-datum=2021年05月07日 |offline=ja |archiv-bot=2024年07月06日 02:08:01 InternetArchiveBot }}</ref> In Anlehnung daran wird in den Medien auch der Begriff ''Amokflug'' mit diffuser Bedeutung verwendet, ähnlich finden sich auch der Definition nicht entsprechende sensationalisierende oder umgangssprachliche Verwendungen für allgemeinere blindwütige oder außer Kontrolle geratene Verhaltensweisen.
==Definitionen==
Laut Definition der [[Weltgesundheitsorganisation]] (WHO) versteht man unter Amok "''eine willkürliche, anscheinend nicht provozierte Episode mörderischen oder erheblich (fremd-)zerstörerischen Verhaltens. Danach [[Amnesie]] und/oder Erschöpfung. Häufig auch der Umschlag in selbst-zerstörerisches Verhalten, d.h. Verwundung oder Verstümmelung bis zum [[Suizid]]''".<ref name="Volker Faust: Psychosoziale Gesundheit"> [http://www.psychosoziale-gesundheit.net/psychiatrie/amok.html Volker Faust: Psychosoziale Gesundheit ] </ref>
== Definitionen ==
Im [[DSM-IV]] wird Amok in den Rubriken [[Dissoziative Störungen]] und [[Störung der Impulskontrolle|Störungen der Impulskontrolle]] aufgeführt, im Glossar [[Kulturgebundenes Syndrom|kulturabhängiger Syndrome]] wird Amok als „''eine dissoziative Episode, die durch eine Periode des Grübelns charakterisiert ist, auf die ein Ausbruch gewalttätigen, aggressiven oder menschengefährdenden Verhaltens folgt, das sich auf Personen und Objekte richtet''" definiert. Das [[ICD-10]] dagegen verwendet den Begriff nicht <ref>Knecht, T. 1999: Amok und Pseudo-Amok, Schweizer Archiv für Neurologie und Psychiatrie 150, 142-148</ref>
=== Kulturgebundenes Syndrom ===
Sowohl das [[DSM-IV]] als auch das [[ICD-10]] führen Amok unter den [[Kulturgebundenes Syndrom|kulturgebundenen Syndromen]] auf.<ref name="S20">Scheithauer, Bondü: ''Amoklauf und School Shooting'' S. 20</ref> Das DSM-IV definiert Amok als eigene [[psychische Störung]]: „Eine dissoziative Episode, die durch eine Periode des [[Grübeln]]s charakterisiert ist, auf die ein Ausbruch gewalttätigen, aggressiven oder menschengefährdenden Verhaltens folgt, das sich auf Personen und Objekte richtet".<ref>Scheithauer, Bondü: ''Amoklauf und School Shooting'' S. 50</ref> Im Gegensatz zum DSM-IV empfiehlt das ICD-10 die Einordnung von Amok in das bestehende System unter [[Persönlichkeitsstörung|Persönlichkeits-]] und [[Verhaltensstörung]]en im Kapitel 6 (F68.8). Amok wird im Anhang II zum ICD-10 (Forschung und Praxis) für [[Indonesien]] und [[Malaysia]] aufgeführt und wie folgt beschrieben: „Eine willkürliche, anscheinend nicht provozierte Episode mörderischen oder erheblich [[destruktiv]]en Verhaltens, gefolgt von [[Amnesie]] oder Erschöpfung. Viele Episoden gipfeln im [[Suizid]]" (S. 207).<ref>WHO (2004): ''Internationale Klassifikation psychischer Störungen'': ICD-10 Kapitel V(F).</ref><ref>''Diagnostische Kriterien für Forschung und Praxis''. Hans Huber, Bern.</ref>
Die Betrachtung des Phänomens Amok als kulturgebundenes Syndrom ist jedoch umstritten, denn es lassen sich weltweit Taten beobachten, die ähnliche Auslöser, Abläufe und Opferkonstellationen aufweisen.<ref name="S20" /><ref>Lothar Adler, ''Amok aus psychiatrischer Perspektive'', in ''Amok und Schulmassaker: Kultur- und medienwissenschaftliche Annäherungen'', Herausgeber: Ralf Junkerjürgen, Isabella von Treskow, transcript Verlag, 2015, ISBN 3-8394-2788-6, S. 24–25</ref> Außerdem wird in der neueren Literatur Amok nicht selbst als psychische Störung begriffen, sondern es werden andere psychische Störungen genannt, die eine solche Tat möglicherweise begünstigen.<ref>Scheithauer, Bondü: ''Amoklauf und School Shooting'' S. 51</ref><ref>Lothar Adler, ''Amok aus psychiatrischer Perspektive'', S. 24</ref>
== Sprachliche Abgrenzung ==
In der US-amerikanischen [[Kriminologie]] gibt es eine weitere sprachliche Unterscheidung, den so genannten ''spree killer'' (abgeleitet von ''killing spree'' – ins Deutsche übersetzt etwa ''Töten im Rausch''). Während der als „spree killer" bezeichnete Täter sein Wirkungsgebiet sehr weit ausdehnen kann, beschränkt sich der ''klassische'' Amokläufer auf ein relativ kleines Gebiet. Im deutschen Sprachgebrauch gibt es diese Unterteilung nicht. Im Gegensatz zu einem [[Serienmörder]] sind die Taten von Amokläufern auf einen eher kurzen Zeitraum beschränkt und unterliegen äußerst selten sexualpathologischen Motiven.
=== Geplante Taten ===
In jüngster Zeit erfährt der Begriff Amoklauf dadurch eine Bedeutungsveränderung, dass er meistens für Taten benutzt wird, die keinesfalls spontan erfolgen (siehe oben), sondern geplant und häufig auch angekündigt werden. Hierzu gehört vor allem das ''[[Schulmassaker|School Shooting]]'', bei dem es sich um einen lange geplanten Racheakt gegen ein bestimmtes Objekt handelt. Der Täter sieht dabei meist die Schule als Institution und will so die Gemeinschaft als Ganzes zerstören.<ref>"Amokläufer im Visier" Dokumentation von Marita Neher auf dem Fernsehsender [[ARTE]] im März 2008. Aussagen der Bielefelder Kriminologin Prof. Dr. Britta Bannenberg, dem Münsteraner Kriminalrat Holger Engels (zuständig für das School Shooting in Emsdetten 2006) und die für das School Shooting in Columbine zuständige Psychologin Katherine Newman. </ref>
Es gilt heute als [[Empirie|empirisch]] abgesichert, dass eine Vielzahl der Taten nicht impulsiv stattfindet, sondern oft sogar über mehrere Jahre hinweg detailliert von den Tätern geplant wurde. In der aktuellen wissenschaftlichen Literatur werden Amoktaten deshalb wie folgt definiert: „Bei einem Amoklauf handelt es sich um die (versuchte) Tötung mehrerer Personen durch einen einzelnen, bei der Tat körperlich anwesenden Täter mit (potenziell) tödlichen Waffen innerhalb eines Tatereignisses ohne Abkühlungsperiode, das zumindest teilweise im öffentlichen Raum stattfindet."<ref>[[Herbert Scheithauer]], Rebecca Bondü: ''Amoklauf und School Shooting. Bedeutung, Hintergründe und Prävention.'' Vandenhoeck & Ruprecht, 2011, ISBN 3-525-40435-2, S. 15; {{Webarchiv |url=http://www.v-r.de/pdf/titel_leseprobe/1006452/978-3-525-40435-5.pdf |text=PDF |wayback=20160528162816 |archiv-bot=2023年03月03日 17:39:21 InternetArchiveBot}}.</ref>
Die gemeinsame [[Polizeidienstvorschrift]] der deutschen Länder (PDV 100 Nr. 4.12.1.1) stellt unter dem Stichwort '''Amoklage''' fest:
Ursprünglich war Amok keine private Einzeltat, sondern das genaue Gegenteil. Es handelte sich im indonesischen Kulturkreis um eine kriegerische Aktion, bei der einige wenige Krieger eine Schlacht dadurch zu wenden versuchten, dass sie ohne jegliche Rücksicht auf Gefahr den Feind blindwütig attackierten (dieses Muster findet sich auch beim ''[[Berserker]]'').
{{Zitat
Noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts glaubte man, dass Amokläufer nur im [[Vollrausch]] ihre Tat begingen. Im renommierten [[Meyers Konversations-Lexikon|Lexikon von Meyer]] aus dem Jahre 1888 heißt es dazu:
|Text=Eine Amoklage im polizeitaktischen Sinne liegt vor, wenn ein Täter
* Zitat aus Meyer: ''„Amucklaufen (Amoklaufen, vom javan. Wort amoak, töten), eine barbarische Sitte unter mehreren malaiischen Volksstämmen, z. B. auf Java, besteht darin, dass durch Genuss von Opium bis zur Raserei Berauschte, mit einem [[Kris]] (Dolch) bewaffnet, sich auf die Straßen stürzen und jeden, dem sie begegnen, verwunden oder töten, bis sie selbst getötet oder doch überwältigt werden."''
* anscheinend wahllos oder gezielt
* insbesondere mittels Waffen, Sprengmitteln, gefährlichen Werkzeugen oder außergewöhnlicher Gewaltanwendung,
* eine in der Regel zunächst nicht bestimmbare Anzahl von Personen verletzt oder getötet hat bzw. wenn dies zu erwarten ist und
* er weiter auf Personen einwirken kann.
Eine Amoklage im polizeitaktischen Sinn liegt bereits dann vor, wenn Anhaltspunkte ein solches Täterverhalten unmittelbar erwarten lassen.
Diese „pragmatische Definition"<ref>Christoph Seidler: ''[https://www.spiegel.de/panorama/justiz/muenchen-was-ist-ein-amoklauf-was-ist-terrorismus-a-1104416.html Schwierige Definition: Was ist Terror? Was ist Amok?]'' Spiegel online, 23. Juli 2016</ref> stellt auf die erkennbare Gefahrensituation ab, damit die Polizeikräfte schnell und angemessen reagieren können. Ob die Tat geplant war oder welches Motiv der Täter hat, ist kein Kriterium in der Dienstvorschrift, da die Motivation des Täters oft nicht sofort erkennbar ist und erst später ermittelt werden kann.
Inzwischen hat das Amok-Phänomen längst die Industrienationen erreicht und die [[Soziologie]] führt den Amoklauf nicht mehr auf Rauschgiftgebrauch zurück.
=== Amoklauf und Terrorismus ===
== Auslösende Faktoren ==
Amokläufen und [[Terrorismus|terroristischen]] Aktionen (soweit zusammenfassbar) ist die [[Öffentlichkeit]]swirksamkeit gemeinsam. Eine gewisse Gemeinsamkeit besitzen Amokläufer und Terroristen auch dadurch, dass es keine eindeutige „[[Persönlichkeit]] des Täters" gibt, was eine Vorhersagbarkeit potenzieller Taten erschwert. Eine Gleichsetzung von Terrorismus und Amoklauf ist trotzdem unangebracht.<ref name="Preuß">Torsten Preuß: ''[https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:bsz:15-qucosa-88619 Terrorismus und Innere Sicherheit. Eine Untersuchung der politischen Reaktionen in Deutschland auf die Anschläge des 11. September 2001].'' auf ''[[Qucosa]]'', S. 42, [[Dissertation]] an der [[Universität Leipzig]] 2012 bei [[Andreas Anter (Politikwissenschaftler)|Andreas Anter]] und [[Felix Ekardt]]</ref>
Während Terroristen letztendlich politische Forderungen platzieren wollen, sind die Ziele von Amokläufern eher auf einer persönlichen Ebene zu suchen.<ref name="Preuß" /> Das [[Außenministerium der Vereinigten Staaten|US-Außenministerium]] definiert Terrorismus als „geplante, politisch motivierte Gewalt gegen nicht-militärische Ziele durch subnationale Gruppen oder verdeckt handelnde Agenten – üblicherweise mit dem Ziel, die Öffentlichkeit zu beeinflussen".<ref>Frank J. Robertz, Robert Kahr: ''Die mediale Inszenierung von Amok und Terrorismus: Zur medienpsychologischen Wirkung des Journalismus bei exzessiver Gewalt.'' Springer-Verlag, 2016, ISBN 978-3-658-12136-5 ({{Google Buch |BuchID=fcr7CwAAQBAJ |SeitenID=PA121 |KeinText=1}})</ref> (Nicht-terroristischen) Amoktaten fehlt gemäß [[Kriminalistik]]-Professor Adam Lankford von der [[University of Alabama]] das bei terroristischen Selbstmordattentaten erkennbare religiöse oder politische Motiv.<ref>Adam Lankford: ''A comparative analysis of suicide terrorists and rampage, workplace, and school shooters in the United States from 1990 to 2010''. In: ''Homicide Studies: An Interdisciplinary & International Journal'', Vol 17, Issue 3, 2013. S. 255–274 [[doi:10.1177/1088767912462033]]</ref> Unterschiede bestehen zudem auch in der Auswahl der Opfer. Die meisten Amokläufer beschränken sich eher auf ein ihnen in gewisser Weise nahe stehendes Umfeld, um dieses im Regelfall durch die Taten auch zu beeindrucken. Auch kann man den meisten Amokläufern – im Gegensatz zu Terroristen – keine Rationalität im Sinne einer geeigneten Auswahl der Mittel zum Erreichen dieser (oder anderer) Ziele unterstellen.<ref name="Preuß" />
Erklärungsansätze, die Amoklauf auf eine einzige Ursache zurückführen wollen ([[Monokausalität]]) scheitern bei der Erklärung des Phänomens. Vielmehr wirken Voraussetzungen des sozialen Umfelds mit Voraussetzungen in der Person des Amokläufers selbst zusammen. Während früher Amoklauf als direkte Folge einer individuellen psychischen Störung angesehen wurde, gilt diese Erklärung heute als widerlegt. Als Auslöser eines Amoklaufs gelten eine fortgeschrittene psychosoziale Entwurzelung des Täters, der Verlust beruflicher Integration durch Arbeitslosigkeit, Rückstufung oder Versetzung, zunehmend erfahrene Kränkungen sowie Partnerschaftskonflikte.
Die Tat des Amokläufers ist der exzessive Ausdruck des Bedürfnisses nach Anerkennung, während der terroristische Attentäter an der Anerkennung eines Ideals interessiert ist.<ref>[[Christian Buder (Schriftsteller)|Christian Buder]]: [http://sicetnon.org/index.php/sic/article/viewFile/88/105 ''Zur tödlichen Strategie der Selbstmordattentäter''.] In: ''Sic et Non''. 10 2008</ref> Gemäß dem [[Medienwissenschaftler]] Christer Petersen versteht man unter Amoklauf einen [[Idiosynkratisch|idiosynkratischen]], [[Egozentrik|egozentrischen]] und unpolitischen Gewaltakt. Amokläufe werden in den [[Massenmedien]] als persönlich und damit nicht politisch motivierte Gewaltakte eines psychisch gestörten Täters (re)konstruiert und kolportiert, wogegen Terroristen sich selbst als [[Freiheitskämpfer]] sehen.<ref>Christer Petersen: ''Terror und Propaganda: Prolegomena zu einer Analytischen Medienwissenschaft'' [[transcript Verlag]], 2016, ISBN 978-3-8394-2243-4 ({{Google Buch |BuchID=6YM6DAAAQBAJ |SeitenID=PP1 |KeinText=1}})</ref>
Oft spielen vor einem Amoklauf mehrere Faktoren eine Rolle. Dabei sind sie nicht unmittelbar direkt vor dem Ereignis gelegen, sondern können bereits längere Zeit bestehen. Die Täter sind meist Männer mit aggressions- und konfliktgehemmter Persönlichkeit. Typisch ist, dass es sich bei Amokläufen nicht um [[Affekthandlung]]en (relativ spontanen, vom Täter nicht kontrollierbaren Handlungen aus starken Gefühlen heraus) handelt. Die Tat ist vielmehr eine Folge allmählicher Entwicklung gewalttätiger Gedanken und Fantasien.<ref>[[Agence France-Presse|afp]]: [http://www.tagesschau.de/aktuell/meldungen/0,1185,OID6630488_REF1_NAV_BAB,00.html Stichwort Amoklauf], Tagesschau.de, 16. April 2007</ref> Nur bei sieben Prozent der Täter ist eine [[Psychische Störung|psychiatrische Erkrankung]] festzustellen. Tatmotiv ist meist [[Rache]] (61 Prozent).<ref name="Volker Faust: Psychosoziale Gesundheit"/>
Trotzdem ist die Unterscheidung zwischen Terror und Amoktat manchmal schwierig,<ref name="Schulte von Drach">[[Markus C. Schulte von Drach]]: ''[https://www.sueddeutsche.de/politik/psychologie-was-einen-terroranschlag-von-einem-amoklauf-unterscheidet-1.3085290 Was einen Terroranschlag von einem Amoklauf unterscheidet]'' In: ''[[Süddeutsche Zeitung]]''. 25. Juli 2016</ref> die Übergänge sind fließend. Psychologe [[Jens Hoffmann (Psychologe)|Jens Hoffmann]] sagt: „Es ist nicht immer leicht zu entscheiden, was zuerst kam: der Gedanke, ich will ein Terrorist sein oder ich will meinen Frust loswerden."<ref name="Böckler">Nils Böckler, [[Jens Hoffmann (Psychologe)|Jens Hoffmann]], [[Andreas Zick]]: ''The Frankfurt airport attack: A case study on the radicalization of a lone-actor terrorist.'' In: ''Journal of Threat Assessment and Management''. 2015 2. 153-163. [[doi:10.1037/tam0000045]]</ref> Der Fall des [[Anschlag in einer Regionalbahn bei Würzburg|Anschlags in einer Regionalbahn bei Würzburg]] wurde z. B. von Innenminister [[Thomas de Maizière]] „im Grenzgebiet zwischen Amoklauf und Terror" angesiedelt.<ref>[https://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/attentat-in-wuerzburg-zwischen-amoklauf-und-terror/13901470.html „''Zwischen Amoklauf und Terror"''] In: ''[[Handelsblatt]]''. 20. Juli 2016</ref> Oft wird fälschlich von „Amok" gesprochen, obwohl sich Terroristen durch ihre politische Motivation von bloßen Amoktätern, die scheinbar aus pathologischen Gründen handeln, durchaus unterscheiden.<ref>Michael König: ''Poetik des Terrors: Politisch motivierte Gewalt in der deutschen Gegenwartsliteratur transcript Verlag'', 2015 S. 9 [[Dissertation]] an der [[Universität Münster]] bei [[Moritz Baßler]] ISBN 978-3-8394-2987-7 ({{Google Buch |BuchID=9NbGBgAAQBAJ |SeitenID=PA9 |KeinText=1}})</ref> Im Gegensatz zu anderen Kriminellen sind Terroristen politisch-ideologisch oder politisch-religiös motiviert, Mitglied einer Organisation oder konspirativen Zelle oder fühlen sich einer solchen zumindest verbunden. Täter, die als Amokläufer bezeichnet werden, sind in der Regel psychisch schwer gestört, manchmal geisteskrank. Da diese Täter meist getötet werden, sind entsprechende Untersuchungen nicht häufig, die Datenlage ist dünn. Es gibt aber Hinweise darauf, dass viele Amokläufer unter Störungen wie [[Narzissmus]], [[Paranoia]] oder [[Borderline-Persönlichkeitsstörung|Borderline]] gelitten haben.
== Phasenartiger Ablauf ==
Es gibt z. B. Hinweise darauf, dass im Westen vor allem frustrierte junge Menschen mit schweren Problemen etwa bei der Identitätsfindung anfällig sind für die Propaganda des „[[Islamischer Staat (Organisation)|Islamischen Staates]]" (IS) und anderer Terrororganisationen. Im Unterschied zu den tatsächlich ideologisch motivierten Terroristen, mit denen die Welt es früher vor allem zu tun hatte, ähneln manche von ihnen wie z. B. der [[Anschlag in Nizza 2016|Anschlag in Nizza]] heute offenbar eher Amokläufern, die ihre Tat nur zusätzlich mit einer Ideologie rechtfertigen.<ref name="Schulte von Drach" /> Der IS dürfte besonders attraktiv für instabile Persönlichkeiten sein, die ihr als verkorkst empfundenes Leben für eine große Sache umdrehen und in ein heldenhaftes Ende münden lassen wollen. Ein Amoklauf ohne ideologischen Hintergrund würde längst nicht mehr so viel Aufmerksamkeit erregen wie ein [[Islamistischer Terrorismus|islamistischer Terroranschlag]].<ref name="Böckler" /> Gemäß dem Suizidpräventionsexperten Armin Schmidtke von der [[Universität Würzburg]] sind daher auch 10 % von international aufgetretenen Fällen von Amokläufen politisch motiviert.<ref>[[Herbert Scheithauer]], Rebecca Bondü: ''Amoklauf und School Shooting: Bedeutung, Hintergründe und Prävention'' [[Vandenhoeck & Ruprecht]] 2011 S. 60 ISBN 978-3-647-40435-6 ({{Google Buch |BuchID=3-OMBQAAQBAJ |SeitenID=PA60 |KeinText=1}})</ref>
In seiner Dissertation „Über nicht kulturgebundene Amokläufe" hat Schünemann 1992 die These der sogenannten Amokphasen aufgestellt <ref> K.-F. Schünemann. Über nicht kulturgebundene Amokläufe. Dissertation. 1992. S.105 </ref>, der ''typische Amoklauf'' spielt sich demnach nach folgenden Muster ab:
In Studien zu Einzeltätern wie z. B. beim [[Mordanschlag am Frankfurter Flughafen am 2. März 2011|Mordanschlag am Frankfurter Flughafen]] stellte Hoffmann fest, dass diese oft in [[Psychische Krise|psychischen Krisen]] steckten oder sogar psychisch krank seien. Ihr Lebensstil sei eher aggressiv als religiös. In der Radikalisierung sehen sie eine Möglichkeit, ihrem Leben einen Sinn zu geben, Öffentlichkeit zu erzeugen, endlich jemand zu sein – und je nach kulturellem Angebot oder auch durch Zufall wenden sie sich den Islamisten oder auch den Rechts- oder Linksradikalen zu.<ref name="Böckler" />
=== Vorstadium ===
Zunächst erfolgt das Vorstadium eines mehr oder weniger langen ''Brütens'' und Grübelns. Dem potenziellen Täter erscheint sein Umfeld zusehends undurchdringlich, seine Sichtweise der Welt verdunkelt sich mehr und mehr, er isoliert sich selbst, vor allem bezüglich seiner sozialen Kontakte und zieht sich weitgehend aus der Welt zurück, die für ihn immer bedrohlichere Züge annimmt. Die erlernten Anpassungsmechanismen zerfallen allmählich, soziale und psychische [[Desintegration]] vermischen sich und setzen einen Regressionsprozess in Gang.
== Begriffsgeschichte ==
Bei einigen Amokläufen in der jüngeren Geschichte (speziell die in [[Emsdetten]] und [[Blacksburg (Virginia)|Blacksburg]]) zeichnet sich zudem ab, dass die späteren Täter ihre Vorbereitungshandlungen sowie ihren seelischen und geistigen Zustand selbst protokollieren, indem sie beispielsweise Homepages erstellen oder Videos drehen, in welchen sie ihre Sichtweise der Öffentlichkeit präsentieren.
=== Ursprüngliche Bedeutung ===
Das Wort Amok leitet sich vom Kriegsgeschrei der sogenannten Amucos ab. Diese Elitekrieger im hinduistischen Indien verpflichteten sich ihrem König gegenüber rituell zum bedingungslosen Kampf bis zum Tod. Gegner vermieden daher den König zu töten oder zu verletzen, um nicht der bedingungslosen Rache der Amucos anheimzufallen. Ansehen und Macht eines Königs waren abhängig von der Anzahl derartiger Kämpfer.<ref name="Adler52">Lothar Adler, Historie und Überblick. In: Jens Hoffmann, Karoline Roshdi (Hrsg.), Amok und andere Formen schwerer Gewalt: Risikoanalyse – Bedrohungsmanagement – Präventionskonzepte, Schattauer Verlag, 2015, ISBN 3-7945-2881-6, S. 52</ref> Malaiische und javanische Krieger übernahmen den indischen Begriff und das einschüchternde Kriegsgeschrei „Amok! Amok!". Im Zuge der Islamisierung des malaiisch-indonesischen Kulturkreises im 14. Jahrhundert wurde der Amoklauf gegen „Ungläubige" zu einem Akt religiösen Fanatismus und der so gefundene Tod galt im Gegensatz zum Muslimen verbotenen Suizid als Allah wohlgefällig.<ref name="Jilek">Wolfgang Georg Jilek, Louise Jilek-Aall, Kulturspezifische psychische Störungen. In: Hanfried Helmchen, F. Henn, H. Lauter, N. Sartorius (Hrsg.), Psychiatrie spezieller Lebenssituationen, Band 3 von Psychiatrie der Gegenwart, Springer-Verlag, 2013, ISBN 3-642-59625-8, S. 406–407</ref> Eine ähnliche Art des Kampfes war bereits bei den [[Assassinen]] oder [[Berserker]]n verbreitet.
Etwa zeitgleich zum Amok als militärische Strategie traten im malaiisch-indonesischen Kulturkreis auch individuelle Amokläufe auf.<ref name="Adler52" /> Zum Beispiel versuchten sich zahlungsunfähige Schuldner ihrer unweigerlich drohenden Versklavung dadurch zu entziehen, dass sie so lange töteten, bis sie selbst getötet wurden. Dies war auch eine Form des sozialen Protestes, denn die Drohung eines Amoklaufes bei grober Ungerechtigkeit hielt [[Machtmissbrauch]] von Herrschern und Reichen in gewissen Schranken.<ref name="Jilek" />
=== Tat ===
Unmittelbar vor der Tat erfolgt ein [[Wut]]anfall, der sich in einer Reihe von Tötungshandlungen ohne ersichtliches Motiv entlädt. Dabei wird der Blick des Amokläufers starr, er reagiert kaum auf andere Reize, ist nicht mehr ansprechbar. Während der Tat ist die [[Selbstregulation (Psychologie)|Impulskontrolle]] ausgeschaltet, der Täter befindet sich in einem "Zustand der inneren Leere".
Ab Ende des 17. Jahrhunderts erreichte der Begriff die [[Westliche Welt|westliche]] Welt. Dies geschah insbesondere durch europäische Berichterstatter, zuerst wohl [[Wouter Schouten]],<ref>{{Literatur |Autor=Wouter Schouten |Titel=Oost-Indische Voyagie |Band=Eerste Boeck |Verlag=Jacob Meurs / Johannes van Someren |Ort=Amsterdam |Datum=1676 |Sprache=nl |Seiten=27 |Online=https://archive.org/details/oostindischevoya00scho}}</ref><ref>{{Literatur |Autor=Wouter Schouten |Titel=Oost-Indische Reys-Beschryving |Band=Derde Boeck |Verlag=Jacob Meurs / Johannes van Someren |Ort=Amsterdam |Datum=1676 |Sprache=nl |Seiten=151f. |Online=https://archive.org/details/oostindischevoya00scho}}</ref> wurde aber weiterhin mit der [[malaiisch]]-indonesischen Kultur in Verbindung gebracht.<ref name="Faust">Volker Faust: [https://www.psychosoziale-gesundheit.net/psychiatrie/amok.html ''Psychosoziale Gesundheit'']</ref>
=== Abschluss ===
Der Täter befindet sich danach oft in einem Zustand der [[Amnesie]] und Erschöpfung oder zeigt selbstzerstörerisches Verhalten bis hin zum Selbstmord. Statistisch gesehen töten sich 27 Prozent der Täter selbst, in 16 Prozent der Fälle werden sie getötet, wobei nicht ausgeschlossen werden kann, dass eine Absicht zum "''suicide by cop''" (selbstmörderische Absicht, sich von der Polizei erschießen zu lassen) bestehen kann <ref name="Volker Faust: Psychosoziale Gesundheit"/>.
Noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts glaubte man, dass Amokläufer nur im [[Vollrausch]] ihre Tat begingen. In [[Meyers Konversations-Lexikon]] aus dem Jahr 1888 heißt es dazu:
{{Zitat
|Text=Amucklaufen (Amoklaufen, vom [[Java (Insel)|javan.]] Wort amoak, töten), eine [[barbar]]ische Sitte unter mehreren malaiischen Volksstämmen, zum Beispiel auf Java, besteht darin, dass durch Genuss von [[Opium]] bis zur Raserei Berauschte, mit einem [[Kris]] (Dolch) bewaffnet, sich auf die Straßen stürzen und jeden, dem sie begegnen, verwunden oder töten, bis sie selbst getötet oder doch überwältigt werden.
|Quelle=
|ref=<ref>[https://www.retrobibliothek.de/retrobib/seite.html?id=100720 Meyers Konversationslexikon], Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, 4. Auflage, 1885–1892 auf ''[[Meyers Konversations-Lexikon#Vierte Auflage: Die Retro-Bibliothek und BHL|retrobibliothek.de]]''</ref>}}
=== Heutiges Verständnis ===
Der Begriff ''Amoklauf'' erfuhr eine Bedeutungsveränderung, da er heute auch für Taten benutzt wird, die keinesfalls spontan erfolgen, sondern geplant und gelegentlich auch durch sogenannte [[Leaking]]s angekündigt werden können. Der ''klassische'' Amokläufer beschränkt seine Handlungen auf ein relativ kleines Gebiet. Im Gegensatz zu einem [[Serienmörder]] sind die Taten von Amokläufern auf einen eher kurzen Zeitraum beschränkt und unterliegen selten [[Pathologie|sexualpathologischen]] Motiven. Unterschieden werden zudem die rein fremdgerichtete [[Aggression]] und der [[Erweiterter Suizid|erweiterte Suizid]].<ref>Werner Stangl: [https://arbeitsblaetter.stangl-taller.at/EMOTION/A-Amok.shtml ''Amok – ein Täter ohne Profil'']</ref>
Im modernen westlichen Sprachgebrauch erweiterte sich die Bedeutung und kann inzwischen für jegliche Art blindwütiger Aggression mit oder ohne Todesopfer stehen.<ref name="Faust" /> Dramatisch klingend wird das Wort als Überschrift in vielen Fällen angewendet, bei denen eigentlich kein Amoklauf vorliegt.<ref>[[Hans von Hentig]]: ''Beiträge zur Verbrechenskunde''. ''Archiv für vergleichende Kulturwissenschaft'', Band 9, Meisenheim 1973, S. 3</ref>
Ein Amoklauf ist typischerweise die Tat eines einzelnen Täters. Daher beziehen sich die üblichen Definitionen auf „einen Täter" oder sogar ausdrücklich auf „einen einzelnen Täter". Im tatsächlichen Sprachgebrauch wird jedoch die Bezeichnung ''Amoklauf'' mittlerweile auch auf gemeinschaftlich begangene Taten angewendet, wenn sie in den sonstigen Merkmalen einem Amoklauf entsprechen. Beispiele sind der [[Amoklauf an der Westside Middle School]] (1998) und der [[Amoklauf an der Columbine High School]] (1999) an denen jeweils zwei Täter beteiligt waren.
== Ähnliche Begriffe ==
=== Amokfahrt ===
Auch der Begriff '''Amokfahrt''' wird uneinheitlich gebraucht; er bezeichnet einerseits eine Tat, bei der der Täter ein Fahrzeug als Waffe einsetzt, andererseits auch eine Tat, bei der der Täter das Fahrzeug lediglich dazu nutzt, um während der Tatausübung mobil zu sein (wie beispielsweise bei der [[Amokfahrt von Karlsruhe]] oder der Amokfahrt von Münster) und sich die Tat somit in einem weitaus größeren Gebiet ereignet. Zu Beispielen siehe [[Liste von Amokfahrten]].
=== Amokflug ===
Als „Amokflug" wurden in den Medien unter anderem Fälle von [[Pilotensuizid]] sowie Flüge auf einer unzulässigen Route und unbeabsichtigte führerlose Flüge bezeichnet.<ref>[http://www.genios.de/presse-archiv/artikel/KRON/20140718/amokflug-mit-gekaperter-maschine/B850EBA00CA671930BFA699EE33DD4E6.html Amokflug mit gekaperter Maschine], Kronen Zeitung, 18. Juli 2014</ref><ref>{{Internetquelle |url=http://www.abendblatt.de/archiv/1955/article202852747/Amokflug-einer-Auster.html |titel= Amokflug einer "Auster<!-- sic! --> |werk= [[Hamburger Abendblatt]] |datum=1955年08月30日 |abruf=2015年05月26日}}</ref><ref>{{Internetquelle |url=http://m.sz-online.de/nachrichten/chaos-pilot-flog-aus-liebe-504813.html |titel=Chaos-Pilot flog aus Liebe |werk=[[Sächsische Zeitung]] |datum=2003年01月07日 |abruf=2015年05月26日 |kommentar=Paywall |offline=ja }}</ref>
=== School Shooting ===
{{Hauptartikel|Amoklauf an einer Schule}}
In vielen wissenschaftlichen Veröffentlichungen hat sich für Amokläufe an Schulen der Begriff ''School Shooting'' durchgesetzt, wenngleich nicht alle Taten mit Schusswaffen oder jede Schießerei auf Amoktaten zurückzuführen sind. Mit diesem Begriff werden Tötungen und Tötungsversuche in einer schulischen Einrichtung von Jugendlichen bezeichnet, welche in einem direkten Bezug zu dieser Einrichtung begangen werden. Dieser Bezug kann sich in der Wahl der Opfer, insbesondere auch nach ihrer Funktion in der entsprechenden Bildungseinrichtung äußern. ''Amokläufe bzw. [[Massenmord]]e an Schulen'' und ''schwere zielgerichtete Gewalttaten an Schulen'' werden häufig synonym verwendet, müssen jedoch qualitativ unterschieden werden.<ref>Nils Böckler, Thorsten Seeger: ''Schulamokläufer: Eine Analyse medialer Täter-Eigendarstellungen und deren Aneignung durch jugendliche Rezipienten''. Juventa, 2010, S. 16ff.</ref>
In [[Massenmedien|Medien]] ist häufig auch von ''Schul[[massaker]]n'' die Rede.<ref>Frank Robertz, Ruben Wickenhäuser: ''Der Riss in der Tafel – Amoklauf und schwere Gewalttaten in der Schule: Amoklauf und schwere Gewalt in der Schule''. Springer, 2007, S. 10</ref>
=== Going postal ===
{{Hauptartikel|Going postal}}
Nach einer Serie von Amokläufen durch amerikanische Postangestellte ab Mitte der 1980er Jahre entstand die Bezeichnung ''[[Going postal]]'' für irrationale und oft gewalttätige Handlungen, die durch Stress bei der Arbeit ausgelöst werden.<ref>[http://www.americandialect.org/woty/all-of-the-words-of-the-year-1990-to-present#1995 All of the Words of the Year, 1990 to Present] bei americandialect.org, abgerufen am 26. September 2013</ref><ref>[http://www.themorningnews.org/article/going-postal-goes-abroad Going Postal Goes Abroad] bei themorningnews.org, abgerufen am 26. September 2013</ref> Obwohl der Ausdruck auch ganz allgemein mit „ausrasten" oder „durchdrehen" übersetzt werden kann, ist sie vor allem in den Vereinigten Staaten ein Synonym für Amokläufe am Arbeitsplatz.
=== Killing spree ===
In der US-amerikanischen [[Kriminologie]] gibt es weitere sprachliche Unterscheidungen, wie den so genannten ''spree killer'' (abgeleitet von ''killing spree'' – ins Deutsche übersetzt etwa ''Töten im Rausch''). Im Gegensatz zu einem Amokläufer kann der als ''spree killer'' bezeichnete Täter sein Wirkungsgebiet sehr weit ausdehnen.
== Forschung ==
[[Monokausalität|Monokausale]] Erklärungsansätze, die Amoktaten auf eine einzige Ursache zurückführen, scheiterten bei der Erklärung des Phänomens. Vielmehr wirken Voraussetzungen des sozialen Umfelds mit Voraussetzungen in der Persönlichkeit des Amokläufers zusammen. Während früher ein Amoklauf als direkte Folge einer individuellen psychischen Störung angesehen wurde, gilt diese Erklärung heute als widerlegt. Als Auslöser eines Amoklaufs gelten eine fortgeschrittene [[Psychosoziale Entwicklung|psychosoziale Entwurzelung]] des Täters, der Verlust beruflicher Integration durch Arbeitslosigkeit, Rückstufung oder Versetzung, zunehmend erfahrene [[Kränkung]]en sowie [[Partnerschaft]]s­konflikte. Meist spielen vor einem Amoklauf mehrere Faktoren eine Rolle. Dabei sind diese nicht unmittelbar direkt vor dem Ereignis gelegen, sondern können bereits seit längerer Zeit bestehen.
Die [[Empirie]] zu Amoktaten wird zurzeit zumeist als ungenügend bewertet, da es eine niedrige [[Prävalenz]] gibt und erhebliche Unterschiede bei den Fallkonstellationen auftauchen. Zudem fehlt es an einer einheitlichen Definition, und die interkulturellen Übertragbarkeit von empirischen Befunden ist zweifelhaft. Nicht zuletzt wird häufig die Informationsgewinnung durch den Tod des Täters aufgrund Selbstmords oder Intervention der Ordnungskräfte erschwert. Die meisten Fälle zeigen einen unmittelbar nach der Tat anschließenden Suizid(-versuch). Daher wird auch von ''Homizid-Suizid'' gesprochen. Angenommen wird, dass der [[Suizid]] keine spontane Reaktion ist, sondern ein geplantes Tatelement darstellt. Darüber hinaus wird vermutet, dass Täter, die in eine „Nebenrealität" (einen sehr eingeengten Bewusstseinszustand) abgeglitten sind, sich suizidieren, um eine Rückkehr in die „Hauptrealität" nach der Tat zu vermeiden.<ref>{{Webarchiv |url=http://www.polizei-nrw.de/lka/stepone/data/downloads/d3/00/00/amoktaten.pdf |text=''Amoktaten – Forschungsüberblick unter besonderer Beachtung jugendlicher Täter im schulischen Kontext''. |wayback=20090407070814}} (PDF) Landeskriminalamt NRW: Kriminalistisch-Kriminologische Forschungsstelle Analysen, 3/2007</ref>
Dabei besteht in der Forschung ein Konflikt darüber, verbindliche Definitionen und Abgrenzungen für das [[Phänomen]] Amoktat zu finden. Die meisten empirischen Befunde stützen sich nicht auf die Klassifikation des Amok im Sinne des [[ICD-10]], sondern auf eigene Einschlusskriterien.
Als dominanter Tätertyp des Amokläufers gelten in der wissenschaftlichen Literatur mehrheitlich zumeist Männer mit ausgeprägten aggressiven und konfliktgehemmten Persönlichkeitszügen.<ref>Kritisch dagegen [[Richard Albrecht]]: ''Nur ein „Amokläufer" ? – Sozialpsychologische Zeitdiagnose nach „Erfurt"''. In: Recht und Politik, 38 (2002) 3, 143–152 ([http://www.menschenkunde.com/pdf/texte/paedagogik/amoklaeufer_albrecht.pdf PDF]); sowie Peter Mühlbauer: [https://www.heise.de/tp/features/Acht-Amoklaeufe-spaeter-3386993.html ''Acht Amokläufe später''], Telepolis, 22. September 2010.</ref> Typisch sei, dass es sich bei Amokläufen nicht um [[Affekthandlung]]en (relativ spontane, vom Täter nicht kontrollierbare Handlungen aus starken Gefühlen heraus) handle, sondern vielmehr um eine Folge allmählicher Entwicklung gewalttätiger Gedanken und Fantasien.<ref>[[Agence France-Presse|afp]]: {{Webarchiv |url=http://www.tagesschau.de:80/ausland/meldung40212.html |text=Stichwort Amoklauf |wayback=20081215153443}}, Tagesschau.de, 16. April 2007</ref>
{{Balkendiagramm
| float = right
| title = Diagramm zur Untersuchung von Adler et al. (1993)<ref name="knecht1999" />
| titlebar = #DDD
| left1 = Psychische Erkrankung
| right2 = Prozent
| width = 400px
| bars =
{{Balken Pixel|Psychose|blue|15.3}}
{{Balken Pixel|Persönlichkeitsstörung|blue|14.8}}
{{Balken Pixel|Intoxikation|blue|14.3}}
{{Balken Pixel|Affektstörung|blue|5.6}}
{{Balken Pixel|Wahnerkrankung|blue|5.1}}
{{Balken Pixel|nicht vorhanden|blue|44.9}}
}}
So gibt es in der [[Empirie|empirischen]] Forschung bisher sehr [[heterogen]]e (unterschiedliche) Befunde zu Amoktätern:<br />
1993 wollten z. B. Adler et al. aus Presseberichten zu 196 Fällen bei den meisten Tätern eine psychische Erkrankung in Form einer [[Psychose]], einer schweren [[Persönlichkeitsstörung]], einer [[Intoxikation]], einer [[Affektstörung]] oder einer [[Wahn]]erkrankung ermittelt haben. Die Quote von psychisch Erkrankten bzw. Klienten mit einer [[Psychiatrie|psychiatrischen]] Vergangenheit betrage rund 55 %, 40 % der Gewalttäter waren ohne feste Beschäftigung, ebenso waren Waffennarren, Polizisten, Soldaten und altersinadäquat bei der Mutter lebende Einzelgänger überrepräsentiert.<ref name="knecht1999">L. Adler, K. Lehmann, K. Räder, K.F. Schünemann: ''„Amokläufer" – Kontentanalytische Untersuchung an 196 Pressemitteilungen aus industrialisierten Ländern.'' Literatur Fortschr Neurol Psychiat 1993, Band 61, S. 424–433. Vgl. auch Thomas Knecht: [http://www.sanp.ch/docs/1999/1999-03/1999-03-013.pdf ''Amok und Quasi-Amok.''] (PDF)</ref><ref>Hoffmann, 2007 in LKA NRW, 2007, oder Schmidtke et al., 2002</ref>
Hempel, Meloy & Richards gingen 1999 bei ihrer Auswertung von 30 nordamerikanischen Amokläufen von einem Täteranteil von 40 bis 67 Prozent mit psychotischen Symptomen aus, wovon die meisten unter [[Paranoia|paranoiden]] Wahnvorstellungen litten.<ref>A. G. Hempel, J. R. Meloy, T. C. Richards: ''Offender and offense characteristics of a nonrandom sample of mass murderers.'' In: ''The journal of the American Academy of Psychiatry and the Law.'' Band 27, Nummer 2, 1999, S. 213–225, PMID 10400430.</ref>
Zu einem ganz anderen Ergebnis kamen dagegen A. Schmidtke, S. Schaller, I. Müller, D. Lester und S. Stack 2002, nachdem sie Zeitungsberichte von 143 Ereignissen aus den Jahren 1993 bis 2001 statistisch ausgewertet hatten: Lediglich sieben Prozent der Täter wiesen hiernach eine psychiatrische Vorgeschichte auf, das Tatmotiv war meist [[Rache]] (61 Prozent).<ref name="Faust" />
== Prävention ==
== Prävention ==
Die Publizistin und Schriftstellerin [[Ines Geipel]] forderte in einem Radio-Interview nach dem [[Anschlag in München 2016]] dazu auf, sich Gedanken zu machen über mögliche Angebote und die Wieder-Einbindung der sich „auf der Suche nach Idealität befindenden" potentiellen Täter, die „Andocksysteme suchten, glauben, lieben wollten", „verlorene Söhne" seien, „Bezug zum symbolischen, gesellschaftlichen Vater suchten": „welche [[Sublimierung (Psychoanalyse)|Sublimierungsmodelle]] man diesem Typ Männer anbieten kann."<ref name="deutschlandfunk.de ''Interview'', 24. Juli 2016">[[deutschlandfunk.de]], ''Interview'', 24. Juli 2016: [http://www.deutschlandfunk.de/gewaltpraevention-unterscheidung-von-terror-und-amok.694.de.html?dram:article_id=360995 ''Gewaltprävention: Unterscheidung von Terror und Amok wirkungslos'']</ref> Geipel stellt heraus, wie Täter und Gesellschaft jeweils aus früheren Amokläufen lernten. Auch im Zusammenhang mit dem Anschlag in München 2016 hob die Autorin Parallelen zu früheren Amokläufen hervor: Die Unterscheidung zwischen Amoktätern und Terroristen im Sinne einer Unterscheidung zwischen privater und politischer Motivation halte sie für „wirkungslos". Vielmehr sei es von Bedeutung, dass die Täter meist junge Männer seien, die keinen Platz in ihrem Umfeld fänden. Mit ihrer Tat würden sie immer auf ein bekanntes Muster referieren.<ref name="deutschlandfunk.de ''Interview'', 24. Juli 2016" />
{{Quelle}}
Experten gehen davon aus, dass es zukünftig vermehrt Fälle von Amokläufen und School Shootings geben könne. Auch wenn erste Projekte (z.B. ''Leaking Project'', [[Schulmassaker#Prävention von Schulmassakern|Amokprävention an Schulen]]) versuchen gewaltbereite Personen frühzeitig zu identifizieren, ist es nicht möglich einen Amokläufer vor seiner Tat zu erkennen.
Auch der Kriminalpsychologe [[Jens Hoffmann (Psychologe)|Jens Hoffmann]] hob Ähnlichkeiten in den Motivlagen von Terroristen und Amokläufern hervor: „Es ist nicht immer leicht zu entscheiden, was zuerst kam: der Gedanke, ich will ein Terrorist sein oder ich will meinen Frust loswerden."<ref>{{Internetquelle |autor=Parvin Sadigh |url=http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2016-07/attentaeter-amok-terror-attentate-nizza-orlando/komplettansicht |titel=Terror oder Amok? |hrsg=Die Zeit |datum=2016年07月19日 |abruf=2016年07月24日}}</ref> Ihm zufolge rieten Amokforscher und Radikalisierungsforscher dazu, in Medienberichten die Gesichter zu verpixeln und keine Namen zu nennen, da die Berichterstattung eine Anziehungskraft auf potenzielle Täter ausübe und Nachahmer animiere.<ref>{{Internetquelle |autor=Monika Dittrich, Marcus Heumann, Ursula Welter |url=http://www.deutschlandfunk.de/amoklauf-in-muenchen-taeter-opfer-medien.724.de.html |titel=Amoklauf in München: Täter, Opfer, Medien |hrsg=Deutschlandfunk |datum=2016年07月23日 |abruf=2016年07月24日 |offline=ja }}</ref>
Es sei daher wichtig im Umfeld auf die auslösenden Faktoren zu achten (Depressionen, soziale Isolation, Unfähigkeit mit Wut und Aggression umzugehen). Generell müssten sich jedoch gesellschaftliche Faktoren ändern und eine veränderte Anerkennung des Einzelnen vorleben, die Menschen nicht zu ''Losern'' mache.<ref>"Amokläufer im Visier" Dokumentation von Marita Neher auf dem Fernsehsender [[ARTE]] im März 2008. Aussagen der Bielefelder Kriminologin Prof. Dr. Britta Bannenberg und des Berliner Universitätsprofessors Prof. Dr. Herbert Scheithauer</ref>
Die Kriminologin [[Britta Bannenberg]] betonte, Andeutungen einer Tat müssten von Schule, Eltern und Nachbarn ernst genommen werden.<ref>{{Internetquelle |autor=Britta Bannenberg im Gespräch mit Jonas Reese |url=http://www.deutschlandfunk.de/amoklauf-von-muenchen-man-kann-so-eine-tat-moeglicherweise.694.de.html?dram:article_id=361012 |titel=„Man kann so eine Tat möglicherweise verhindern" |hrsg=Deutschlandfunk |datum=2016年07月23日 |abruf=2016年07月24日}}</ref>
== Auswahl bekannter Amokläufe ==
<!-- aufgeführt werden nur solche Amokläufe, die einen eigenen Artikel in der Wikipedia haben, vgl Diskussion -->
* 4. September 1913, Vaihingen an der Enz, 17 Tote (''siehe'' [[Ernst August Wagner]])
* 18. Mai 1927, Bath, Michigan, 45 Tote (''siehe'' [[Schulmassaker von Bath]])
* 6. September 1949, Camden, New Jersey, 13 Tote (''siehe'' [[Howard Unruh]])
* 11. Juni 1964, Köln, 10 Tote (''siehe'' [[Attentat von Volkhoven]])
* 1. August 1966, Austin/Texas, 17 Tote (''siehe'' [[Charles Whitman]])
* 29. Januar 1979, San Diego, Kalifornien, 2 Tote, 9 Verletzte (''siehe'' [[Brenda Ann Spencer]])
* 27. April 1982, Gyeongsangnam-do, 58 Tote (''siehe'' [[Woo Bum-kon]])
* 3. Juni 1983, Eppstein/Hessen, 5 Tote, 14 Verletzte (''siehe'' [[Eppstein#Amoklauf_an_der_Freiherr-vom-Stein-Gesamtschule|Amoklauf an der Freiherr-vom-Stein-Gesamtschule]])
*13. November 1990, Aramoana/Neuseeland, 14 Tote, 3 Verletzte (''siehe'' [[Amoklauf von Aramoana]])
* 10. März 1995, Urfahr/Österreich, 6 Tote (''siehe'' [[Amoklauf von Urfahr]])
* 13. März 1996, Dunblane/Schottland, 17 Tote (''siehe'' [[Dunblane|Thomas Hamilton]])
* 28. April 1996, Port Arthur/Tasmanien, 35 Tote (''siehe'' [[Martin Bryant]])
*20. November 1997, Mauterndorf/Österreich, 7 Tote (''siehe'' [[Amoklauf von Mauterndorf]])
* 20. April 1999, Littleton/Colorado, 15 Tote (''siehe'' [[Schulmassaker von Littleton]])
* 27. September 2001, Zug/Schweiz, 15 Tote (''siehe'' [[Zuger Attentat]])
* 27. März 2002, Nanterre/Frankreich, 8 Tote, 19 Verletzte (''siehe'' [[Amoklauf von Nanterre]])
* 26. April 2002, Erfurt, 17 Tote (''siehe'' [[Amoklauf von Erfurt]])
* 20. November 2006, Emsdetten, 1 Toter, 37 Verletzte (''siehe'' [[Amoklauf von Emsdetten]])
* 16. April 2007, Blacksburg/Virginia, 32 Tote, 29 Verletzte (''siehe'' [[Amoklauf an der Virginia Tech]])
* 27. Juli 2007, Jabukovac/Serbien, 9 Tote, 2 Verletzte (''siehe'' [[Amoklauf von Jabukovac]])
* 7. November 2007, Jokela/Finnland, 9 Tote, 12 Verletzte (''siehe'' [[Schulmassaker von Jokela]])
* 23. September 2008, [[Kauhajoki]]/[[Finnland]], 11 Tote (''siehe'' [[Amoklauf von Kauhajoki]])
* 10. März 2009, [[Alabama]]/[[USA]], 10 Tote
* 11. März 2009, [[Winnenden]]/[[Deutschland]], 16 Tote (''siehe'' [[Amoklauf von Winnenden]])
''Siehe auch [[Amoklauf an einer Schule#Prävention|Prävention]] unter [[Amoklauf an einer Schule]]''
== Siehe auch ==
=== Technische Maßnahmen ===
*[[Heckenschütze]]
Zur Auslösung von Amok-Alarmen und zur Alarmierung hilfeleistender Stellen dienen [[Notfall- und Gefahren-Reaktions-System]] (NGRS) nach DIN VDE V 0827. Diese Systeme sind vorwiegend für den Einsatz in öffentlichen Gebäuden, wie Bildungseinrichtungen (z. B. Schulen, Universitäten), Behörden, Kindergärten und ähnlichen Einrichtungen, konzipiert. Sie können jedoch auch in nicht öffentlichen Gebäuden mit ähnlichem Risiko und Schutzbedürfnis zum Einsatz kommen. Zur manuellen Auslösung einer Alarmmeldung im Falle eines akuten Notfalls oder einer Gefahr (z. B. Amok) dienen Notfall- und Gefahrenmelder (NGRS-Melder) gemäß DIN VDE V 0827-1 oder Notfall- und Gefahren-Sprechanlagen (NGS) gemäß DIN VDE V 0827-2. Welcher Grad zur Anwendung kommt, ist im Rahmen eines in den Normen beschriebenen Risikomanagementprozesses zu ergründen.
*[[Nichtanzeige geplanter Straftaten]]
*[[Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten]]
In Abstimmung mit der [[Polizei]] kann ein direkter Anschluss des NGRS an die Polizei erfolgen. Dieser ist analog der [[ÜEA-Richtlinie]] auszuführen. In diesem Fall ist die Polizei frühzeitig in die Planung des NGRS einzubeziehen. In der ÜEA-Richtlinie ist in der Anlage 5b unter Nr. 5.1 unter anderem folgendes festgelegt:
„Wird im Rahmen des Risikomanagementprozesses festgestellt, dass ein NGRS insbesondere auch für den Herbeiruf von Hilfe in Amoksituationen dienen soll, muss das NGRS grundsätzlich an die Polizei angeschlossen werden. Aufgrund der fehlenden Informationen für die Polizei (insbesondere die fehlende Möglichkeit der Sprachkommunikation mit der auslösenden Person über ein NGS) sowie der stark verzögerten Alarmierung der Polizei (in der Regel durch die hilfeleistende Stelle an die Polizei über Telefon), macht bei einer Amoksituationen eine Alarmgabe an eine hilfeleistende Stelle vor Ort bzw. an eine NSL keinen Sinn."
Danach ist, nur wenn ein Anschluss an die Polizei nicht in Frage kommt, auch eine Weiterleitung des Alarms über Fernalarmierungseinrichtungen an eine sonstige hilfeleistende Stelle (z. B. eine Notruf- und Serviceleitstelle (NSL)) möglich.
== Behandlung in der Literatur ==
[[Stefan Zweig]] schildert in seiner [[Novelle]] ''[[Der Amokläufer]]'' das Verhalten eines Arztes in einer psychischen Grenzsituation als amokähnlichen Zustand; ebenfalls zu den Klassikern der Literatur, die sich mit Amokläufen beschäftigt, gehört die Novellen-ähnliche Studie ''[[Bahnwärter Thiel]]'' von [[Gerhart Hauptmann]] (1888).
In dem 1977 erschienenen Roman [[Amok (Roman)|Amok]] (Originaltitel: Rage) von [[Stephen King]], welchen er unter seinem [[Pseudonym]] [[Richard Bachman (Schriftsteller)|Richard Bachman]] veröffentlichte, wird ein Amoklauf in einer Schule aus der Sicht des Täters geschildert. Doch spielt sich die Geschichte zum großen Teil nur in einem Klassenzimmer ab, in welchem der Amokläufer eine Klasse festhält und diese durch Manipulation auf seine Seite zieht. Der Druck neuer Auflagen des Romans ist allerdings eingestellt worden, da mehrere Amokläufe mit diesem Buch in Verbindung gebracht wurden.
1985 behandelte er das Thema Amok erneut und verarbeitete es in der Kurzgeschichte ''Kains Aufbegehren'' (Originaltitel: ''Cain Rose Up'') in seiner [[Anthologie]] ''[[Der Gesang der Toten]]'', in welcher ein Student von seinem Campus-Zimmer aus willkürlich auf andere Menschen schießt.
In seinem 2002 erschienenen Roman ''[[Ich knall euch ab!]]'' schreibt [[Morton Rhue]] über einen fiktiven Amoklauf an einer amerikanischen High School. Durch die Schilderung aus der Sicht der zwei Amokläufer versuchte Rhue die Motivation hinter einer solchen Tat greifbar zu machen.
Der Autor [[Manfred Theisen]] rückte 2005 in seinem Roman ''Amok'' erstmals einen deutschen Schul-Amokläufer in den Mittelpunkt eines Romans. Dabei lehnte er sich an den [[Amoklauf von Erfurt]] an und erzählte das Geschehen aus der Ich-Perspektive des Täters.
2009 schrieb [[Jodi Picoult]] den Roman ''[[Neunzehn Minuten]]'', der sich mit einem Amoklauf eines [[Mobbing|gemobbten]] Jungen, vor allem jedoch mit den Folgen des Amoklaufs beschäftigt.
Oliver Dreyer bildet in seinem Roman ''Kopfschuss'' von 2011 einen [[Ego-Shooter]] als relevanten Treiber eines erdachten [[Schulamoklauf]]s ab. Teilweise aus Sicht eines für den Protagonisten identitätsstiftenden Computerspiel-Charakters erzählt, verwischt er so die Grenzen zwischen [[Virtualität]] und Wirklichkeit.
Patrick Maak beschreibt in ''Martins Tagebuch'' (2012) den neunjährigen Werdegang eines Amokläufers in Form von hundert Tagebucheinträgen. Ebenfalls 2012 erschien der Roman ''Unter den Flügeln der Engel'', der die Geschichte des 16-Jährigen David erzählt, der einen Amoklauf an seiner Schule überlebt: der Autor Patrick-Philippe Christian Seifert ist selbst Überlebender des [[Amoklauf von Winnenden|Amoklaufs von Winnenden]].<ref>[http://www.swp.de/ulm/nachrichten/suedwestumschau/Fliegen-nach-dem-Amoklauf;art4319,2868555 ''Winnenden: Fliegen nach dem Amoklauf'']{{Toter Link|url=http://www.swp.de/ulm/nachrichten/suedwestumschau/Fliegen-nach-dem-Amoklauf;art4319,2868555 |date=2023-06 |archivebot=2023年06月08日 18:42:39 InternetArchiveBot }} swp.de, 28. Oktober 2014</ref>
== Liste von Taten in Deutschland seit 1949 ==
Quelle: <ref>{{cite web|url=https://de.statista.com/statistik/daten/studie/580953/umfrage/tote-bei-amoklaeufen-in-deutschland/|title=Tote bei Amokläufen in Deutschland bis 2023|website=Statista}}</ref>
* Frank Robertz, Ruben Wickenhäuser: ''Der Riss in der Tafel. Amoklauf und schwere Gewalt in der Schule''. Springer, Heidelberg 2007
* [[Richard Albrecht]]: ''Nur ein „Amokläufer" ? – Sozialpsychologische Zeitdiagnose nach „Erfurt"''. In: Recht und Politik, 38 (2002) 3, 143–152<ref>[http://www.menschenkunde.com/pdf/texte/paedagogik/amoklaeufer_albrecht.pdf Auszug] (PDF; 325 kB)</ref>
* [[Götz Eisenberg]]: ''Amok − Kinder der Kälte: über die Wurzeln von Wut und Haß ''. Rowohlt-Taschenbuch, Reinbek bei Hamburg 2000
* Mark Ames: ''Going Postal – Rage, Murder and Rebellion: From Reagan's Workplaces to Clinton's Columbine and Beyond.'' Soft Skull Press / Snowbooks, Brooklyn New York / London 2005, ISBN 1-932360-82-4;<br />Uli Hufen: [https://www.deutschlandfunk.de/amoklauf-als-zeichen-der-rebellion-100.html ''Amoklauf als Zeichen der Rebellion.''] Rezension. In: ''Büchermarkt.'' 27. März 2009. Deutschlandfunk.<!-- abgerufen am 29. September 2022. -->
* [[Richard Albrecht]]: [http://www.rechtskultur.de/pages/amoklauf.htm ''Nur ein „Amokläufer"? − Sozialpsychologische Zeitdiagnose nach „Erfurt"''; in: Recht und Politik, 38 (2002) 3, 143−152.]
* Manfred Wolfersdorf und Hans Wedler (Hrsg.): ''Terroristen-Suizide und Amok''. Regensburg 2002
* Nils Böckler, Thorsten Seeger: ''Schulamokläufer: Eine Analyse medialer Täter-Eigendarstellungen und deren Aneignung durch jugendliche Rezipienten''. Juventa, Weinheim und München, 2010
* [[Adolf Gallwitz]]: ''Amok − Grandios untergehen, ohne selbst Hand anzulegen.'' In: ''Polizei heute'', 6 (2001), 170−175
* [[Heidrun Bründel]]: ''Amok und Suizid – eine unheilvolle Allianz.'' Verlag für Polizeiwissenschaft, Frankfurt/M. 2011, ISBN 978-3-86676-156-8
* Christian Eifert: ''Amoktaten junger Täter.'' In: Suizidprophylaxe 47 (2020), {{ISSN|0173-458X}}, S. 97–107 ([http://www.suizidprophylaxe-online.de/pdf/06_heft182_2020.pdf PDF])
* [[Götz Eisenberg]]: ''Damit mich kein Mensch mehr vergisst: Warum Amok und Gewalt kein Zufall sind''. Pattloch, München 2010
* [[Adolf Gallwitz]]: ''Amok – Grandios untergehen, ohne selbst Hand anzulegen.'' In: ''Polizei heute'', 6 (2001), 170–175
* [[Ines Geipel]]: ''Der Amok-Komplex oder die Schule des Tötens.'' Klett-Cotta, 2012, ISBN 978-3-608-94627-7
* [[Freerk Huisken]]: ''z. B. Erfurt. Was das bürgerliche Bildungs- und Einbildungswesen so alles anrichtet''. VSA, Hamburg 2002, ISBN 3-87975-878-6
* {{Literatur |Autor=Eileen Peter |Titel=Amokläufe in Deutschland. Epidemiologie und Charakterisierung von Täterprofilen |TitelErg=Dissertation |Verlag=Universitätsbibliothek |Ort=Magdeburg |Datum=2014 |Online=https://d-nb.info/1054638799/34 |Format=PDF |KBytes=2420 |Abruf=2022年05月25日 |DOI=10.25673/4077}}
* Frank Robertz, [[Ruben Wickenhäuser]]: ''Der Riss in der Tafel. Amoklauf und schwere Gewalt in der Schule''. Springer, Heidelberg 2007
* Jasmin Seiwert: ''Die Bühne der Amokläufer. Mediale Selbstdarstellung der Täter in Internet und TV''. Marburg, 2010, 136 S.
* [[Manfred Theisen]]: ''Amok''. cbt, München 2005
* [[Harald Tondern]]: ''Mitschuldig? Die Geschichte eines Amoklaufs''. cbt, München 2005
* Bryan Vossekuil: ''Final Report And Findings Of The Safe School Initiative: Implications For The Prevention Of School Attacks In The U.S.'' Verlag Diane Pub Co, 2004, ISBN 978-0-7567-3980-5
* Arnold Wieczorek: ''Schülerattentate an deutschen Schulen. Mythen, Fakten und Schlussfolgerungen für die polizeiliche Praxis''. Kriminalistik, 64. Jg. 2010, S. 153 ff.
* Manfred Wolfersdorf, Hans Wedler (Hrsg.): ''Terroristen-Suizide und Amok''. Regensburg 2002
* Patrick Maak: ''Martins Tagebuch''. Darmstadt 2012, ISBN 978-1-4802-6162-4
== Weblinks ==
== Weblinks ==
{{Wiktionary}}
* [http://www.psychosoziale-gesundheit.net/psychiatrie/amok.html Amok − Begriff und Geschichte] auf der Psychiater-Website „Psychosoziale Gesundheit Net"
* [https://www.psychosoziale-gesundheit.net/psychiatrie/amok.html Amok – Begriff und Geschichte] auf der Psychiater-Website „Psychosoziale Gesundheit Net"
* [http://www.sanp.ch/pdf/1999/1999-03/1999-03-013.PDF Amok und Pseudo-Amok] - Th. Knecht, Schweizer Archiv für Neurologie und Psychiatrie 150, 142-148
* [https://www.sanp.ch/docs/1999/1999-03/1999-03-013.pdf Th. Knecht: ''Amok und Pseudo-Amok''.] (PDF; 122 kB) – Schweizer Archiv für Neurologie und Psychiatrie 150, 142–148
* [http://ifb.bildung-rp.de/fileadmin/user_upload/ifb.bildung-rp.de/Themen/Krisenintervention/Hoffmann_Amok.pdf „Amok – ein neuer Blick auf ein altes Phänomen"] - Jens Hoffmann, Auszug aus dem Buch „Polizei & Psychologie" (ISBN 3-935979-12-6)
* [[Jens Hoffmann (Psychologe)|Jens Hoffmann]]: [http://www.gletschertraum.de/resources/Hoffmann_Amok.pdf ''Amok – ein neuer Blick auf ein altes Phänomen''.] (PDF; 203 kB) – Auszug aus dem Buch ''Polizei & Psychologie'', ISBN 3-935979-12-6
* [https://www.db-thueringen.de/servlets/DerivateServlet/Derivate-1297/adler.html Lothar Adler: ''Amok''] – Vortrag im Rahmen der Ringvorlesung der Universität Erfurt „Gewalt und Terror", 2002
* {{Webarchiv |url=http://www.polizei-nrw.de/lka/stepone/data/downloads/d3/00/00/amoktaten.pdf |text=''Amoktaten''. |wayback=20090407070814}} (PDF; 225 kB) – Forschungsüberblick unter besonderer Beachtung jugendlicher Täter im schulischen Kontext, Kriminalistisch-Kriminologische Forschungsstelle Analysen Nr. 3/2007
* [https://www.systemagazin.de/serendipity/index.php?/archives/1150-Amok-Die-Suche-nach-Aufmerksamkeit-und-ihre-Verweigerung.html Vortrag von Katherine Newman] über ihre Studie zu den Ursachen von Amokläufen Jugendlicher in den USA, 2008 (englisch)
* Serie über Amok von [[Marieke Degen]]: [http://www.deutschlandfunk.de/fuenf-jahre-nach-winnenden-amoklaeufer-aus-sicht-der.676.de.html?dram:article_id=279775 ''Amokläufer aus Sicht der Psychologen'']
** 20. April 2017: [http://www.deutschlandfunk.de/amok-teil-1-taeterprofile.740.de.html?dram:article_id=283256 ''Teil 1: Täterprofile'']
* [http://mp3.podcast.hr-online.de/hronline/mp3/podcast/derTag/suechtig_nach_gewalt_-_der_amoklauf_von_blacksburg.mp3?tl=html Süchtig nach Gewalt] HR2 – MP3-Beitrag
* [http://www.n-tv.de/792964.html Amokläufe an Schulen - Die Konstruktion des Tötens] Interview von n-tv mit dem Kriminologen und Soziologen Frank J. Robertz
* [http://www.fr-online.de/_inc/_globals/print.php?em_cnt=1247815&em_ref=/in_und_ausland/wissen_und_bildung/aktuell/ Amoklauf - Sehnsucht nach Allmacht] Essay von Wolfgang Bergmann, Frankfurter Rundschau, 24. November 2007
Der entsprechende Vorgang wird als Amoklauf oder Amoktat bezeichnet, der Täter als Amokläufer oder Amoktäter – oder auch als Amokschütze, wenn er eine Schusswaffe verwendet. Falls der Täter ein Fahrzeug einsetzt, spricht man von einem Amokfahrer.[4][5] In Anlehnung daran wird in den Medien auch der Begriff Amokflug mit diffuser Bedeutung verwendet, ähnlich finden sich auch der Definition nicht entsprechende sensationalisierende oder umgangssprachliche Verwendungen für allgemeinere blindwütige oder außer Kontrolle geratene Verhaltensweisen.
Sowohl das DSM-IV als auch das ICD-10 führen Amok unter den kulturgebundenen Syndromen auf.[6] Das DSM-IV definiert Amok als eigene psychische Störung: „Eine dissoziative Episode, die durch eine Periode des Grübelns charakterisiert ist, auf die ein Ausbruch gewalttätigen, aggressiven oder menschengefährdenden Verhaltens folgt, das sich auf Personen und Objekte richtet".[7] Im Gegensatz zum DSM-IV empfiehlt das ICD-10 die Einordnung von Amok in das bestehende System unter Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen im Kapitel 6 (F68.8). Amok wird im Anhang II zum ICD-10 (Forschung und Praxis) für Indonesien und Malaysia aufgeführt und wie folgt beschrieben: „Eine willkürliche, anscheinend nicht provozierte Episode mörderischen oder erheblich destruktiven Verhaltens, gefolgt von Amnesie oder Erschöpfung. Viele Episoden gipfeln im Suizid" (S. 207).[8][9]
Die Betrachtung des Phänomens Amok als kulturgebundenes Syndrom ist jedoch umstritten, denn es lassen sich weltweit Taten beobachten, die ähnliche Auslöser, Abläufe und Opferkonstellationen aufweisen.[6][10] Außerdem wird in der neueren Literatur Amok nicht selbst als psychische Störung begriffen, sondern es werden andere psychische Störungen genannt, die eine solche Tat möglicherweise begünstigen.[11][12]
Es gilt heute als empirisch abgesichert, dass eine Vielzahl der Taten nicht impulsiv stattfindet, sondern oft sogar über mehrere Jahre hinweg detailliert von den Tätern geplant wurde. In der aktuellen wissenschaftlichen Literatur werden Amoktaten deshalb wie folgt definiert: „Bei einem Amoklauf handelt es sich um die (versuchte) Tötung mehrerer Personen durch einen einzelnen, bei der Tat körperlich anwesenden Täter mit (potenziell) tödlichen Waffen innerhalb eines Tatereignisses ohne Abkühlungsperiode, das zumindest teilweise im öffentlichen Raum stattfindet."[13]
Diese „pragmatische Definition"[15] stellt auf die erkennbare Gefahrensituation ab, damit die Polizeikräfte schnell und angemessen reagieren können. Ob die Tat geplant war oder welches Motiv der Täter hat, ist kein Kriterium in der Dienstvorschrift, da die Motivation des Täters oft nicht sofort erkennbar ist und erst später ermittelt werden kann.
Amokläufen und terroristischen Aktionen (soweit zusammenfassbar) ist die Öffentlichkeitswirksamkeit gemeinsam. Eine gewisse Gemeinsamkeit besitzen Amokläufer und Terroristen auch dadurch, dass es keine eindeutige „Persönlichkeit des Täters" gibt, was eine Vorhersagbarkeit potenzieller Taten erschwert. Eine Gleichsetzung von Terrorismus und Amoklauf ist trotzdem unangebracht.[16]
Während Terroristen letztendlich politische Forderungen platzieren wollen, sind die Ziele von Amokläufern eher auf einer persönlichen Ebene zu suchen.[16] Das US-Außenministerium definiert Terrorismus als „geplante, politisch motivierte Gewalt gegen nicht-militärische Ziele durch subnationale Gruppen oder verdeckt handelnde Agenten – üblicherweise mit dem Ziel, die Öffentlichkeit zu beeinflussen".[17] (Nicht-terroristischen) Amoktaten fehlt gemäß Kriminalistik-Professor Adam Lankford von der University of Alabama das bei terroristischen Selbstmordattentaten erkennbare religiöse oder politische Motiv.[18] Unterschiede bestehen zudem auch in der Auswahl der Opfer. Die meisten Amokläufer beschränken sich eher auf ein ihnen in gewisser Weise nahe stehendes Umfeld, um dieses im Regelfall durch die Taten auch zu beeindrucken. Auch kann man den meisten Amokläufern – im Gegensatz zu Terroristen – keine Rationalität im Sinne einer geeigneten Auswahl der Mittel zum Erreichen dieser (oder anderer) Ziele unterstellen.[16]
Die Tat des Amokläufers ist der exzessive Ausdruck des Bedürfnisses nach Anerkennung, während der terroristische Attentäter an der Anerkennung eines Ideals interessiert ist.[19] Gemäß dem Medienwissenschaftler Christer Petersen versteht man unter Amoklauf einen idiosynkratischen, egozentrischen und unpolitischen Gewaltakt. Amokläufe werden in den Massenmedien als persönlich und damit nicht politisch motivierte Gewaltakte eines psychisch gestörten Täters (re)konstruiert und kolportiert, wogegen Terroristen sich selbst als Freiheitskämpfer sehen.[20]
Trotzdem ist die Unterscheidung zwischen Terror und Amoktat manchmal schwierig,[21] die Übergänge sind fließend. Psychologe Jens Hoffmann sagt: „Es ist nicht immer leicht zu entscheiden, was zuerst kam: der Gedanke, ich will ein Terrorist sein oder ich will meinen Frust loswerden."[22] Der Fall des Anschlags in einer Regionalbahn bei Würzburg wurde z. B. von Innenminister Thomas de Maizière „im Grenzgebiet zwischen Amoklauf und Terror" angesiedelt.[23] Oft wird fälschlich von „Amok" gesprochen, obwohl sich Terroristen durch ihre politische Motivation von bloßen Amoktätern, die scheinbar aus pathologischen Gründen handeln, durchaus unterscheiden.[24] Im Gegensatz zu anderen Kriminellen sind Terroristen politisch-ideologisch oder politisch-religiös motiviert, Mitglied einer Organisation oder konspirativen Zelle oder fühlen sich einer solchen zumindest verbunden. Täter, die als Amokläufer bezeichnet werden, sind in der Regel psychisch schwer gestört, manchmal geisteskrank. Da diese Täter meist getötet werden, sind entsprechende Untersuchungen nicht häufig, die Datenlage ist dünn. Es gibt aber Hinweise darauf, dass viele Amokläufer unter Störungen wie Narzissmus, Paranoia oder Borderline gelitten haben.
Es gibt z. B. Hinweise darauf, dass im Westen vor allem frustrierte junge Menschen mit schweren Problemen etwa bei der Identitätsfindung anfällig sind für die Propaganda des „Islamischen Staates" (IS) und anderer Terrororganisationen. Im Unterschied zu den tatsächlich ideologisch motivierten Terroristen, mit denen die Welt es früher vor allem zu tun hatte, ähneln manche von ihnen wie z. B. der Anschlag in Nizza heute offenbar eher Amokläufern, die ihre Tat nur zusätzlich mit einer Ideologie rechtfertigen.[21] Der IS dürfte besonders attraktiv für instabile Persönlichkeiten sein, die ihr als verkorkst empfundenes Leben für eine große Sache umdrehen und in ein heldenhaftes Ende münden lassen wollen. Ein Amoklauf ohne ideologischen Hintergrund würde längst nicht mehr so viel Aufmerksamkeit erregen wie ein islamistischer Terroranschlag.[22] Gemäß dem Suizidpräventionsexperten Armin Schmidtke von der Universität Würzburg sind daher auch 10 % von international aufgetretenen Fällen von Amokläufen politisch motiviert.[25]
In Studien zu Einzeltätern wie z. B. beim Mordanschlag am Frankfurter Flughafen stellte Hoffmann fest, dass diese oft in psychischen Krisen steckten oder sogar psychisch krank seien. Ihr Lebensstil sei eher aggressiv als religiös. In der Radikalisierung sehen sie eine Möglichkeit, ihrem Leben einen Sinn zu geben, Öffentlichkeit zu erzeugen, endlich jemand zu sein – und je nach kulturellem Angebot oder auch durch Zufall wenden sie sich den Islamisten oder auch den Rechts- oder Linksradikalen zu.[22]
Das Wort Amok leitet sich vom Kriegsgeschrei der sogenannten Amucos ab. Diese Elitekrieger im hinduistischen Indien verpflichteten sich ihrem König gegenüber rituell zum bedingungslosen Kampf bis zum Tod. Gegner vermieden daher den König zu töten oder zu verletzen, um nicht der bedingungslosen Rache der Amucos anheimzufallen. Ansehen und Macht eines Königs waren abhängig von der Anzahl derartiger Kämpfer.[26] Malaiische und javanische Krieger übernahmen den indischen Begriff und das einschüchternde Kriegsgeschrei „Amok! Amok!". Im Zuge der Islamisierung des malaiisch-indonesischen Kulturkreises im 14. Jahrhundert wurde der Amoklauf gegen „Ungläubige" zu einem Akt religiösen Fanatismus und der so gefundene Tod galt im Gegensatz zum Muslimen verbotenen Suizid als Allah wohlgefällig.[27] Eine ähnliche Art des Kampfes war bereits bei den Assassinen oder Berserkern verbreitet.
Etwa zeitgleich zum Amok als militärische Strategie traten im malaiisch-indonesischen Kulturkreis auch individuelle Amokläufe auf.[26] Zum Beispiel versuchten sich zahlungsunfähige Schuldner ihrer unweigerlich drohenden Versklavung dadurch zu entziehen, dass sie so lange töteten, bis sie selbst getötet wurden. Dies war auch eine Form des sozialen Protestes, denn die Drohung eines Amoklaufes bei grober Ungerechtigkeit hielt Machtmissbrauch von Herrschern und Reichen in gewissen Schranken.[27]
Ab Ende des 17. Jahrhunderts erreichte der Begriff die westliche Welt. Dies geschah insbesondere durch europäische Berichterstatter, zuerst wohl Wouter Schouten,[28][29] wurde aber weiterhin mit der malaiisch-indonesischen Kultur in Verbindung gebracht.[30]
Noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts glaubte man, dass Amokläufer nur im Vollrausch ihre Tat begingen. In Meyers Konversations-Lexikon aus dem Jahr 1888 heißt es dazu:
„Amucklaufen (Amoklaufen, vom javan. Wort amoak, töten), eine barbarische Sitte unter mehreren malaiischen Volksstämmen, zum Beispiel auf Java, besteht darin, dass durch Genuss von Opium bis zur Raserei Berauschte, mit einem Kris (Dolch) bewaffnet, sich auf die Straßen stürzen und jeden, dem sie begegnen, verwunden oder töten, bis sie selbst getötet oder doch überwältigt werden."[31]
Der Begriff Amoklauf erfuhr eine Bedeutungsveränderung, da er heute auch für Taten benutzt wird, die keinesfalls spontan erfolgen, sondern geplant und gelegentlich auch durch sogenannte Leakings angekündigt werden können. Der klassische Amokläufer beschränkt seine Handlungen auf ein relativ kleines Gebiet. Im Gegensatz zu einem Serienmörder sind die Taten von Amokläufern auf einen eher kurzen Zeitraum beschränkt und unterliegen selten sexualpathologischen Motiven. Unterschieden werden zudem die rein fremdgerichtete Aggression und der erweiterte Suizid.[32]
Im modernen westlichen Sprachgebrauch erweiterte sich die Bedeutung und kann inzwischen für jegliche Art blindwütiger Aggression mit oder ohne Todesopfer stehen.[30] Dramatisch klingend wird das Wort als Überschrift in vielen Fällen angewendet, bei denen eigentlich kein Amoklauf vorliegt.[33]
Ein Amoklauf ist typischerweise die Tat eines einzelnen Täters. Daher beziehen sich die üblichen Definitionen auf „einen Täter" oder sogar ausdrücklich auf „einen einzelnen Täter". Im tatsächlichen Sprachgebrauch wird jedoch die Bezeichnung Amoklauf mittlerweile auch auf gemeinschaftlich begangene Taten angewendet, wenn sie in den sonstigen Merkmalen einem Amoklauf entsprechen. Beispiele sind der Amoklauf an der Westside Middle School (1998) und der Amoklauf an der Columbine High School (1999) an denen jeweils zwei Täter beteiligt waren.
Auch der Begriff Amokfahrt wird uneinheitlich gebraucht; er bezeichnet einerseits eine Tat, bei der der Täter ein Fahrzeug als Waffe einsetzt, andererseits auch eine Tat, bei der der Täter das Fahrzeug lediglich dazu nutzt, um während der Tatausübung mobil zu sein (wie beispielsweise bei der Amokfahrt von Karlsruhe oder der Amokfahrt von Münster) und sich die Tat somit in einem weitaus größeren Gebiet ereignet. Zu Beispielen siehe Liste von Amokfahrten.
Als „Amokflug" wurden in den Medien unter anderem Fälle von Pilotensuizid sowie Flüge auf einer unzulässigen Route und unbeabsichtigte führerlose Flüge bezeichnet.[34][35][36]
In vielen wissenschaftlichen Veröffentlichungen hat sich für Amokläufe an Schulen der Begriff School Shooting durchgesetzt, wenngleich nicht alle Taten mit Schusswaffen oder jede Schießerei auf Amoktaten zurückzuführen sind. Mit diesem Begriff werden Tötungen und Tötungsversuche in einer schulischen Einrichtung von Jugendlichen bezeichnet, welche in einem direkten Bezug zu dieser Einrichtung begangen werden. Dieser Bezug kann sich in der Wahl der Opfer, insbesondere auch nach ihrer Funktion in der entsprechenden Bildungseinrichtung äußern. Amokläufe bzw. Massenmorde an Schulen und schwere zielgerichtete Gewalttaten an Schulen werden häufig synonym verwendet, müssen jedoch qualitativ unterschieden werden.[37]
Nach einer Serie von Amokläufen durch amerikanische Postangestellte ab Mitte der 1980er Jahre entstand die Bezeichnung Going postal für irrationale und oft gewalttätige Handlungen, die durch Stress bei der Arbeit ausgelöst werden.[39][40] Obwohl der Ausdruck auch ganz allgemein mit „ausrasten" oder „durchdrehen" übersetzt werden kann, ist sie vor allem in den Vereinigten Staaten ein Synonym für Amokläufe am Arbeitsplatz.
In der US-amerikanischen Kriminologie gibt es weitere sprachliche Unterscheidungen, wie den so genannten spree killer (abgeleitet von killing spree – ins Deutsche übersetzt etwa Töten im Rausch). Im Gegensatz zu einem Amokläufer kann der als spree killer bezeichnete Täter sein Wirkungsgebiet sehr weit ausdehnen.
Monokausale Erklärungsansätze, die Amoktaten auf eine einzige Ursache zurückführen, scheiterten bei der Erklärung des Phänomens. Vielmehr wirken Voraussetzungen des sozialen Umfelds mit Voraussetzungen in der Persönlichkeit des Amokläufers zusammen. Während früher ein Amoklauf als direkte Folge einer individuellen psychischen Störung angesehen wurde, gilt diese Erklärung heute als widerlegt. Als Auslöser eines Amoklaufs gelten eine fortgeschrittene psychosoziale Entwurzelung des Täters, der Verlust beruflicher Integration durch Arbeitslosigkeit, Rückstufung oder Versetzung, zunehmend erfahrene Kränkungen sowie Partnerschaftskonflikte. Meist spielen vor einem Amoklauf mehrere Faktoren eine Rolle. Dabei sind diese nicht unmittelbar direkt vor dem Ereignis gelegen, sondern können bereits seit längerer Zeit bestehen.
Die Empirie zu Amoktaten wird zurzeit zumeist als ungenügend bewertet, da es eine niedrige Prävalenz gibt und erhebliche Unterschiede bei den Fallkonstellationen auftauchen. Zudem fehlt es an einer einheitlichen Definition, und die interkulturellen Übertragbarkeit von empirischen Befunden ist zweifelhaft. Nicht zuletzt wird häufig die Informationsgewinnung durch den Tod des Täters aufgrund Selbstmords oder Intervention der Ordnungskräfte erschwert. Die meisten Fälle zeigen einen unmittelbar nach der Tat anschließenden Suizid(-versuch). Daher wird auch von Homizid-Suizid gesprochen. Angenommen wird, dass der Suizid keine spontane Reaktion ist, sondern ein geplantes Tatelement darstellt. Darüber hinaus wird vermutet, dass Täter, die in eine „Nebenrealität" (einen sehr eingeengten Bewusstseinszustand) abgeglitten sind, sich suizidieren, um eine Rückkehr in die „Hauptrealität" nach der Tat zu vermeiden.[41]
Dabei besteht in der Forschung ein Konflikt darüber, verbindliche Definitionen und Abgrenzungen für das Phänomen Amoktat zu finden. Die meisten empirischen Befunde stützen sich nicht auf die Klassifikation des Amok im Sinne des ICD-10, sondern auf eigene Einschlusskriterien.
Als dominanter Tätertyp des Amokläufers gelten in der wissenschaftlichen Literatur mehrheitlich zumeist Männer mit ausgeprägten aggressiven und konfliktgehemmten Persönlichkeitszügen.[42] Typisch sei, dass es sich bei Amokläufen nicht um Affekthandlungen (relativ spontane, vom Täter nicht kontrollierbare Handlungen aus starken Gefühlen heraus) handle, sondern vielmehr um eine Folge allmählicher Entwicklung gewalttätiger Gedanken und Fantasien.[43]
Diagramm zur Untersuchung von Adler et al. (1993)[44]
Psychische Erkrankung
Prozent
Psychose
15.3
Persönlichkeitsstörung
14.8
Intoxikation
14.3
Affektstörung
5.6
Wahnerkrankung
5.1
nicht vorhanden
44.9
So gibt es in der empirischen Forschung bisher sehr heterogene (unterschiedliche) Befunde zu Amoktätern:
1993 wollten z. B. Adler et al. aus Presseberichten zu 196 Fällen bei den meisten Tätern eine psychische Erkrankung in Form einer Psychose, einer schweren Persönlichkeitsstörung, einer Intoxikation, einer Affektstörung oder einer Wahnerkrankung ermittelt haben. Die Quote von psychisch Erkrankten bzw. Klienten mit einer psychiatrischen Vergangenheit betrage rund 55 %, 40 % der Gewalttäter waren ohne feste Beschäftigung, ebenso waren Waffennarren, Polizisten, Soldaten und altersinadäquat bei der Mutter lebende Einzelgänger überrepräsentiert.[44][45]
Hempel, Meloy & Richards gingen 1999 bei ihrer Auswertung von 30 nordamerikanischen Amokläufen von einem Täteranteil von 40 bis 67 Prozent mit psychotischen Symptomen aus, wovon die meisten unter paranoiden Wahnvorstellungen litten.[46]
Zu einem ganz anderen Ergebnis kamen dagegen A. Schmidtke, S. Schaller, I. Müller, D. Lester und S. Stack 2002, nachdem sie Zeitungsberichte von 143 Ereignissen aus den Jahren 1993 bis 2001 statistisch ausgewertet hatten: Lediglich sieben Prozent der Täter wiesen hiernach eine psychiatrische Vorgeschichte auf, das Tatmotiv war meist Rache (61 Prozent).[30]
Die Publizistin und Schriftstellerin Ines Geipel forderte in einem Radio-Interview nach dem Anschlag in München 2016 dazu auf, sich Gedanken zu machen über mögliche Angebote und die Wieder-Einbindung der sich „auf der Suche nach Idealität befindenden" potentiellen Täter, die „Andocksysteme suchten, glauben, lieben wollten", „verlorene Söhne" seien, „Bezug zum symbolischen, gesellschaftlichen Vater suchten": „welche Sublimierungsmodelle man diesem Typ Männer anbieten kann."[47] Geipel stellt heraus, wie Täter und Gesellschaft jeweils aus früheren Amokläufen lernten. Auch im Zusammenhang mit dem Anschlag in München 2016 hob die Autorin Parallelen zu früheren Amokläufen hervor: Die Unterscheidung zwischen Amoktätern und Terroristen im Sinne einer Unterscheidung zwischen privater und politischer Motivation halte sie für „wirkungslos". Vielmehr sei es von Bedeutung, dass die Täter meist junge Männer seien, die keinen Platz in ihrem Umfeld fänden. Mit ihrer Tat würden sie immer auf ein bekanntes Muster referieren.[47]
Auch der Kriminalpsychologe Jens Hoffmann hob Ähnlichkeiten in den Motivlagen von Terroristen und Amokläufern hervor: „Es ist nicht immer leicht zu entscheiden, was zuerst kam: der Gedanke, ich will ein Terrorist sein oder ich will meinen Frust loswerden."[48] Ihm zufolge rieten Amokforscher und Radikalisierungsforscher dazu, in Medienberichten die Gesichter zu verpixeln und keine Namen zu nennen, da die Berichterstattung eine Anziehungskraft auf potenzielle Täter ausübe und Nachahmer animiere.[49]
Die Kriminologin Britta Bannenberg betonte, Andeutungen einer Tat müssten von Schule, Eltern und Nachbarn ernst genommen werden.[50]
Zur Auslösung von Amok-Alarmen und zur Alarmierung hilfeleistender Stellen dienen Notfall- und Gefahren-Reaktions-System (NGRS) nach DIN VDE V 0827. Diese Systeme sind vorwiegend für den Einsatz in öffentlichen Gebäuden, wie Bildungseinrichtungen (z. B. Schulen, Universitäten), Behörden, Kindergärten und ähnlichen Einrichtungen, konzipiert. Sie können jedoch auch in nicht öffentlichen Gebäuden mit ähnlichem Risiko und Schutzbedürfnis zum Einsatz kommen. Zur manuellen Auslösung einer Alarmmeldung im Falle eines akuten Notfalls oder einer Gefahr (z. B. Amok) dienen Notfall- und Gefahrenmelder (NGRS-Melder) gemäß DIN VDE V 0827-1 oder Notfall- und Gefahren-Sprechanlagen (NGS) gemäß DIN VDE V 0827-2. Welcher Grad zur Anwendung kommt, ist im Rahmen eines in den Normen beschriebenen Risikomanagementprozesses zu ergründen.
In Abstimmung mit der Polizei kann ein direkter Anschluss des NGRS an die Polizei erfolgen. Dieser ist analog der ÜEA-Richtlinie auszuführen. In diesem Fall ist die Polizei frühzeitig in die Planung des NGRS einzubeziehen. In der ÜEA-Richtlinie ist in der Anlage 5b unter Nr. 5.1 unter anderem folgendes festgelegt:
„Wird im Rahmen des Risikomanagementprozesses festgestellt, dass ein NGRS insbesondere auch für den Herbeiruf von Hilfe in Amoksituationen dienen soll, muss das NGRS grundsätzlich an die Polizei angeschlossen werden. Aufgrund der fehlenden Informationen für die Polizei (insbesondere die fehlende Möglichkeit der Sprachkommunikation mit der auslösenden Person über ein NGS) sowie der stark verzögerten Alarmierung der Polizei (in der Regel durch die hilfeleistende Stelle an die Polizei über Telefon), macht bei einer Amoksituationen eine Alarmgabe an eine hilfeleistende Stelle vor Ort bzw. an eine NSL keinen Sinn."
Danach ist, nur wenn ein Anschluss an die Polizei nicht in Frage kommt, auch eine Weiterleitung des Alarms über Fernalarmierungseinrichtungen an eine sonstige hilfeleistende Stelle (z. B. eine Notruf- und Serviceleitstelle (NSL)) möglich.
Stefan Zweig schildert in seiner NovelleDer Amokläufer das Verhalten eines Arztes in einer psychischen Grenzsituation als amokähnlichen Zustand; ebenfalls zu den Klassikern der Literatur, die sich mit Amokläufen beschäftigt, gehört die Novellen-ähnliche Studie Bahnwärter Thiel von Gerhart Hauptmann (1888).
In dem 1977 erschienenen Roman Amok (Originaltitel: Rage) von Stephen King, welchen er unter seinem PseudonymRichard Bachman veröffentlichte, wird ein Amoklauf in einer Schule aus der Sicht des Täters geschildert. Doch spielt sich die Geschichte zum großen Teil nur in einem Klassenzimmer ab, in welchem der Amokläufer eine Klasse festhält und diese durch Manipulation auf seine Seite zieht. Der Druck neuer Auflagen des Romans ist allerdings eingestellt worden, da mehrere Amokläufe mit diesem Buch in Verbindung gebracht wurden.
1985 behandelte er das Thema Amok erneut und verarbeitete es in der Kurzgeschichte Kains Aufbegehren (Originaltitel: Cain Rose Up) in seiner AnthologieDer Gesang der Toten, in welcher ein Student von seinem Campus-Zimmer aus willkürlich auf andere Menschen schießt.
In seinem 2002 erschienenen Roman Ich knall euch ab! schreibt Morton Rhue über einen fiktiven Amoklauf an einer amerikanischen High School. Durch die Schilderung aus der Sicht der zwei Amokläufer versuchte Rhue die Motivation hinter einer solchen Tat greifbar zu machen.
Der Autor Manfred Theisen rückte 2005 in seinem Roman Amok erstmals einen deutschen Schul-Amokläufer in den Mittelpunkt eines Romans. Dabei lehnte er sich an den Amoklauf von Erfurt an und erzählte das Geschehen aus der Ich-Perspektive des Täters.
2009 schrieb Jodi Picoult den Roman Neunzehn Minuten, der sich mit einem Amoklauf eines gemobbten Jungen, vor allem jedoch mit den Folgen des Amoklaufs beschäftigt.
Oliver Dreyer bildet in seinem Roman Kopfschuss von 2011 einen Ego-Shooter als relevanten Treiber eines erdachten Schulamoklaufs ab. Teilweise aus Sicht eines für den Protagonisten identitätsstiftenden Computerspiel-Charakters erzählt, verwischt er so die Grenzen zwischen Virtualität und Wirklichkeit.
Patrick Maak beschreibt in Martins Tagebuch (2012) den neunjährigen Werdegang eines Amokläufers in Form von hundert Tagebucheinträgen. Ebenfalls 2012 erschien der Roman Unter den Flügeln der Engel, der die Geschichte des 16-Jährigen David erzählt, der einen Amoklauf an seiner Schule überlebt: der Autor Patrick-Philippe Christian Seifert ist selbst Überlebender des Amoklaufs von Winnenden.[51]
Lothar Adler: Amok im Spektrum homizidal-suizidaler Handlungen. Suizidprophylaxe 37.1 (2010), ISSN0173-458X, S. 8–14 (PDF; 61 kB)
Richard Albrecht: Nur ein „Amokläufer" ? – Sozialpsychologische Zeitdiagnose nach „Erfurt". In: Recht und Politik, 38 (2002) 3, 143–152[53]
Mark Ames: Going Postal – Rage, Murder and Rebellion: From Reagan's Workplaces to Clinton's Columbine and Beyond. Soft Skull Press / Snowbooks, Brooklyn New York / London 2005, ISBN 1-932360-82-4; Uli Hufen: Amoklauf als Zeichen der Rebellion. Rezension. In: Büchermarkt. 27. März 2009. Deutschlandfunk.
Nils Böckler, Thorsten Seeger: Schulamokläufer: Eine Analyse medialer Täter-Eigendarstellungen und deren Aneignung durch jugendliche Rezipienten. Juventa, Weinheim und München, 2010
Freerk Huisken: z. B. Erfurt. Was das bürgerliche Bildungs- und Einbildungswesen so alles anrichtet. VSA, Hamburg 2002, ISBN 3-87975-878-6
Eileen Peter: Amokläufe in Deutschland. Epidemiologie und Charakterisierung von Täterprofilen. Dissertation. Universitätsbibliothek, Magdeburg 2014, doi:10.25673/4077 (d-nb.info [PDF; 2,5MB; abgerufen am 25. Mai 2022]).
Harald Tondern: Mitschuldig? Die Geschichte eines Amoklaufs. cbt, München 2005
Bryan Vossekuil: Final Report And Findings Of The Safe School Initiative: Implications For The Prevention Of School Attacks In The U.S. Verlag Diane Pub Co, 2004, ISBN 978-0-7567-3980-5
Arnold Wieczorek: Schülerattentate an deutschen Schulen. Mythen, Fakten und Schlussfolgerungen für die polizeiliche Praxis. Kriminalistik, 64. Jg. 2010, S. 153 ff.
Manfred Wolfersdorf, Hans Wedler (Hrsg.): Terroristen-Suizide und Amok. Regensburg 2002
Lothar Adler: Amok – Vortrag im Rahmen der Ringvorlesung der Universität Erfurt „Gewalt und Terror", 2002
Amoktaten. (Memento vom 7. April 2009 im Internet Archive) (PDF; 225 kB) – Forschungsüberblick unter besonderer Beachtung jugendlicher Täter im schulischen Kontext, Kriminalistisch-Kriminologische Forschungsstelle Analysen Nr. 3/2007
Vortrag von Katherine Newman über ihre Studie zu den Ursachen von Amokläufen Jugendlicher in den USA, 2008 (englisch)
↑Lothar Adler: Amok – Geschichte und Ergebnisse aus psychiatrischer Perspektive. In: Ralf Junkerjürgen, Isabella von Treskow (Hrsg.): Amok und Schulmassaker: Kultur- und medienwissenschaftliche Annäherungen. transcript Verlag, Bielefeld 2015, ISBN 978-3-8376-2788-6, S. 26.
↑Gisela Mayer, Andreas Unger: Begegnung mit dem Leid. (PDF) 2017, S. 41, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 7. Mai 2021; abgerufen am 21. November 2019.Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.zeilenmacher.de
↑ abScheithauer, Bondü: Amoklauf und School Shooting S. 20
↑Scheithauer, Bondü: Amoklauf und School Shooting S. 50
↑WHO (2004): Internationale Klassifikation psychischer Störungen: ICD-10 Kapitel V(F).
↑Diagnostische Kriterien für Forschung und Praxis. Hans Huber, Bern.
↑Lothar Adler, Amok aus psychiatrischer Perspektive, in Amok und Schulmassaker: Kultur- und medienwissenschaftliche Annäherungen, Herausgeber: Ralf Junkerjürgen, Isabella von Treskow, transcript Verlag, 2015, ISBN 3-8394-2788-6, S. 24–25
↑Scheithauer, Bondü: Amoklauf und School Shooting S. 51
↑Lothar Adler, Amok aus psychiatrischer Perspektive, S. 24
↑Frank J. Robertz, Robert Kahr: Die mediale Inszenierung von Amok und Terrorismus: Zur medienpsychologischen Wirkung des Journalismus bei exzessiver Gewalt. Springer-Verlag, 2016, ISBN 978-3-658-12136-5 (eingeschränkte Vorschau)
↑Adam Lankford: A comparative analysis of suicide terrorists and rampage, workplace, and school shooters in the United States from 1990 to 2010. In: Homicide Studies: An Interdisciplinary & International Journal, Vol 17, Issue 3, 2013. S. 255–274 doi:10.1177/1088767912462033
↑ abcNils Böckler, Jens Hoffmann, Andreas Zick: The Frankfurt airport attack: A case study on the radicalization of a lone-actor terrorist. In: Journal of Threat Assessment and Management. 2015 2. 153-163. doi:10.1037/tam0000045
↑ abLothar Adler, Historie und Überblick. In: Jens Hoffmann, Karoline Roshdi (Hrsg.), Amok und andere Formen schwerer Gewalt: Risikoanalyse – Bedrohungsmanagement – Präventionskonzepte, Schattauer Verlag, 2015, ISBN 3-7945-2881-6, S. 52
↑ abWolfgang Georg Jilek, Louise Jilek-Aall, Kulturspezifische psychische Störungen. In: Hanfried Helmchen, F. Henn, H. Lauter, N. Sartorius (Hrsg.), Psychiatrie spezieller Lebenssituationen, Band 3 von Psychiatrie der Gegenwart, Springer-Verlag, 2013, ISBN 3-642-59625-8, S. 406–407
↑Wouter Schouten: Oost-Indische Voyagie. Eerste Boeck. Jacob Meurs / Johannes van Someren, Amsterdam 1676, S.27 (niederländisch, archive.org).
↑Wouter Schouten: Oost-Indische Reys-Beschryving. Derde Boeck. Jacob Meurs / Johannes van Someren, Amsterdam 1676, S.151f. (niederländisch, archive.org).
↑Nils Böckler, Thorsten Seeger: Schulamokläufer: Eine Analyse medialer Täter-Eigendarstellungen und deren Aneignung durch jugendliche Rezipienten. Juventa, 2010, S. 16ff.
↑Frank Robertz, Ruben Wickenhäuser: Der Riss in der Tafel – Amoklauf und schwere Gewalttaten in der Schule: Amoklauf und schwere Gewalt in der Schule. Springer, 2007, S. 10
↑Kritisch dagegen Richard Albrecht: Nur ein „Amokläufer" ? – Sozialpsychologische Zeitdiagnose nach „Erfurt". In: Recht und Politik, 38 (2002) 3, 143–152 (PDF); sowie Peter Mühlbauer: Acht Amokläufe später, Telepolis, 22. September 2010.
↑ abL. Adler, K. Lehmann, K. Räder, K.F. Schünemann: „Amokläufer" – Kontentanalytische Untersuchung an 196 Pressemitteilungen aus industrialisierten Ländern. Literatur Fortschr Neurol Psychiat 1993, Band 61, S. 424–433. Vgl. auch Thomas Knecht: Amok und Quasi-Amok. (PDF)
↑Hoffmann, 2007 in LKA NRW, 2007, oder Schmidtke et al., 2002
↑A. G. Hempel, J. R. Meloy, T. C. Richards: Offender and offense characteristics of a nonrandom sample of mass murderers. In: The journal of the American Academy of Psychiatry and the Law. Band 27, Nummer 2, 1999, S. 213–225, PMID 10400430.