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{{Lückenhaft|in der Zusammenfassung fehlt was im Lemmatext u.a. mit „unter anderem durch eine betont anti-westliche Haltung, eine engere Verbindung zur orthodoxen Kirche und das Eintreten für konservative kulturelle und Familienwerte" bezeichnet wird – also die wichtige Rolle der [[Russisch-Orthodoxe Kirche|russisch orthodoxen Kirche]], ebenso wie die sogenannten [[Homosexualität in Russland#Gesetze gegen „homosexuelle Propaganda"|Gesetze gegen „homosexuelle Propaganda"]], des Weiteren Putins Verhältnis zum [[Stalinismus]] Stichwort [[Neostalinismus]].}}
[[Datei:Vladimir Putin 18 April 2000-2.jpg|mini|hochkant|Wladimir Putin auf der Krim (2000)]]
Der Begriff '''Putinismus''' ({{ruS|Путинизм}}) ist ein [[politisches Schlagwort]], mit dem das [[Politisches System|politische System]] in [[Russland]] und dessen Handeln bezeichnet wird, wie es sich unter dem russischen [[Präsident Russlands|Präsidenten]] [[Wladimir Wladimirowitsch Putin|Wladimir Putin]] herausgebildet hat.
Als '''Putinismus''' ({{ruS|Путинизм}}) bezeichnen verschiedene Autoren das [[Politisches System|politische System]] und die [[Ideologie|ideologische]] Untermauerung der Herrschaft von [[Präsident Russlands|Präsident]] [[Wladimir Wladimirowitsch Putin|Wladimir Putin]] in [[Russland]] seit dem Jahr 2000. Alternative Bezeichnungen sind '''Putin-Regime''', '''System Putin''' oder '''Moskauer Regime'''.
== Inhalte ==
'''Phasen'''<br />
Das nach Darstellung des Osteuropaexperten [[Richard Sakwa]] als Putinismus bezeichnete politische System Russlands durchlief drei Phasen, bevor er sich ab etwa 2011 zu seiner aktuellen Form entwickelte: Die klassische Form mit den Phasen der Sanierungspolitik von März 2000 bis Oktober 2003 und der Phase des Ausbaus der Vormachtstellung der Präsidialadministration bis 2008 wurde abgelöst von der Phase der „Tandem-Regierung", in der [[Dmitri Anatoljewitsch Medwedew|Präsident Medwedew]] rechtsstaatliche und [[Liberalismus|liberale]] Aspekte gegen das Übergewicht der Präsidialverwaltung zu stärken suchte. Zu Beginn glaubten Liberale an Fortschritt durch Putin, aber über die Jahre wurden die konservativen Bevölkerungsschichten im peri-urbanen und ländlichen Raum zu seinen Unterstützern, während die [[Propaganda in der Russischen Föderation|Propaganda]] mit ihrem [[Nationalismus]] und [[Tradition|traditionellen]] Symbolen [[Militär#Bedeutung des Militärs|Militär]] und [[Tradition#Christliche Orthodoxie|christlichen Orthodoxie]] die urbanen, jungen Liberalen als [[Fünfte Kolonne]] des feindlichen Auslandes brandmarkt.<ref>Paul Baines, Nicholas O'Shaughnessy, Nancy Snow (Hsg): ''The SAGE Handbook of Propaganda'' Verlag SAGE, 2019, ISBN 9781526486257, S. 493</ref> 2011 begann die von Sakwa als „entwickelter Putinismus" bezeichnete vierte Phase.
Der Putinismus war seit Beginn seines Auftretens bedeutenden [[Innenpolitik|innen-]], [[Außenpolitik|außen-]] und [[Wirtschaftspolitik|wirtschaftspolitischen]] Entwicklungen unterworfen. Der anfängliche ''klassische Putinismus'' (2000–2008) deckt die ersten zwei Amtszeiten Putins als Präsident ab und wies noch bestimmte Elemente [[Liberalismus|liberaler]] Politik auf. Darauf folgte die ideologisch undefinierte ''Tandem-Phase'' (2008–2012), also die [[Doppelherrschaft]] Putins mit [[Dmitri Anatoljewitsch Medwedew|Dmitri Medwedew]]. Die anschließende und bis heute fortdauernde Phase wird als ''entwickelter Putinismus'' bezeichnet, die von [[Autoritarismus|autoritärem]] [[Konservatismus]], [[Militarismus]] und [[Imperialismus|imperialem]] [[Nationalismus]] geprägt ist.
Sakwa betont die Kontinuität der Entwicklung, die schon mit [[Boris Nikolajewitsch Jelzin|Boris Jelzin]] 1991 begann und von Anfang an bei der Steuerung der politischen Prozesse bestimmte autoritäre Elemente aufwies. „Beide (Jelzin und Putin) haben versucht, die konkurrierenden Ansprüche zu steuern, nämlich den Drang nach politischer Partizipation und sozialer Sicherung einerseits, und die postsowjetische Fragmentierung Eurasiens sowie die neuen sicherheitspolitischen Herausforderungen auf internationaler Ebene andererseits." Wahlen stellten seit 1991 „einen sekundären Vorgang zur Legitimierung des Status quo dar".<ref>{{Internetquelle |url=http://www.bpb.de/internationales/europa/russland/165132/analyse-entwickelter-putinismus-wandel-ohne-entwicklung?p=all |titel=Analyse: Entwickelter Putinismus – Wandel ohne Entwicklung |autor=Richard Sakwa |hrsg=[[Bundeszentrale für politische Bildung]] |datum=2013年07月15日 |zugriff=2014年12月27日}}</ref>
[[Datei:Rally in support the Accession of Crimea to Russia 4.jpg|mini|Wladimir Putin bei seiner [[Rede Wladimir Putins zur Annexion der Krim am 18. März 2014|Rede nach der russischen Annexion der Krim am 18. März 2014]]]]
[[Samuel P. Huntington]] hingegen argumentierte 2002, der Putinismus {{"|unterscheidet sich vom Jelzinismus, der sich mit dem Westen ideologisch und kulturell identifizierte. Putin ist bloß ein Pragmatiker. Wenn es ihm passt, kooperiert er mit den USA, mit dem Westen. |ref=<ref>[http://www.zeit.de/2002/37/Die_blutigen_Grenzen_des_Islam ''Die blutigen Grenzen des Islam''.] In: ''[[Die Zeit]]'', Nr. 37/2002</ref>}} Der exilierte [[Oligarch]] und einer der größten Kritiker Putins [[Michail Borissowitsch Chodorkowski|Michail Chodorkowski]] bezeichnet das sich unter ihm etablierte Herrschaftssystem als „feudalistisch-kriminell".<ref>{{Literatur |Titel=Kremlkritiker behauptet: Wladimir Putin denkt über seinen Rückzug nach |Sammelwerk=FOCUS Online |Datum= |Online=https://www.focus.de/politik/ausland/michail-chodorkowski-kremlkritiker-behauptet-wladimir-putin-denkt-ueber-seinen-rueckzug-nach_id_6828102.html |Abruf=2018年03月26日}}</ref>
Spätestens seit dem [[Russischer Überfall auf die Ukraine 2022|russischen Überfall auf die Ukraine]] 2022 wird der Putinismus von einigen Historikern und Politologen auch als [[Faschismus|faschistisch]] bezeichnet. Stimmen aus der [[Faschismustheorie|vergleichenden Faschismusforschung]] lehnen eine derartige Einschätzung bisher ab, da das Putin-Regime zwar [[Nationalismus#Ultranationalismus|ultranationalistisch]], im Gegensatz zum Faschismus jedoch [[Reaktion (Politik)|reaktionär]] und nicht [[Revolution|revolutionär]] ausgerichtet sei und vergleichen Putins Russland stattdessen mit imperialistischen [[Autokratie]]n wie dem [[Russisches Kaiserreich|Russischen Kaiserreich]] unter [[Nikolaus I. (Russland)|Nikolaus I.]] oder dem [[Japanisches Kaiserreich|Japanischen Kaiserreich]] während des [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkriegs]]. Im Kontext des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine 2022 wird in der Öffentlichkeit das Kofferwort ''[[Raschismus]]'' verwendet.
'''Phase des entwickelten Putinismus'''<br />
In seiner entwickelten Form wies der Putinismus nach Sakwa „neue Methoden des politischen Managements" auf: die Strategie selektiven Zwangs gegen Führungspersönlichkeiten der Opposition wie [[Alexei Anatoljewitsch Nawalny|Alexei Nawalny]], die Strategie der Beschränkung etwa des Demonstrationsrechts und des Aktienbesitzes im Ausland. In der Strategie der [[Kooptation]] sei die [[Allrussische Volksfront]] wichtigster „Kooptierungsmechanismus". In der Strategie des Überzeugens seien ideologische Initiativen unternommen worden, „unter anderem durch eine betont antiwestliche Haltung, eine engere Verbindung zur [[Russisch-Orthodoxe Kirche|Orthodoxen Kirche]] und das Eintreten für konservative kulturelle und Familienwerte." Sakwa diagnostiziert, diese Phase sei von Stagnation, Unterdrückung des Pluralismus und Korruption gekennzeichnet. Alternative sei ein „Putinismus ohne Putin" als fünfte Phase durch anhaltenden „Druck demokratischer Bewegungen, begleitet von einer Wiederbelebung des Verfassungsstaates" oder „Revolution und Kollaps".<ref>{{Internetquelle |url=http://www.bpb.de/internationales/europa/russland/165132/analyse-entwickelter-putinismus-wandel-ohne-entwicklung?p=all |titel=Analyse: Entwickelter Putinismus – Wandel ohne Entwicklung |autor=Richard Sakwa |hrsg=[[Bundeszentrale für politische Bildung]] |datum=2013年07月15日 |zugriff=2015年02月21日}}</ref>
{{Zitat
|Text=Wenn es Putin gibt, dann gibt es Russland. Wenn es Putin nicht gibt, gibt es auch Russland nicht.
|Autor=[[Wjatscheslaw Wiktorowitsch Wolodin|Wjatscheslaw Wolodin]], Oktober 2014<ref>{{Internetquelle |url=http://www.sueddeutsche.de/politik/raetselraten-um-den-praesidenten-ohne-putin-kein-russland-1.2395283 |titel=Ohne Putin kein Russland |autor=Julian Hans |hrsg=[[Süddeutsche Zeitung]] |datum=2015年03月16日 |zugriff=2015年03月16日}}</ref>}}
== Aufkommen des Begriffs ==
'''Vergleich mit anderen Herrschaftsformen'''<br />
Als der russische Präsident [[Boris Nikolajewitsch Jelzin|Boris Jelzin]] am 31. Dezember 1999 zurücktrat, übernahm der damalige [[Ministerpräsident von Russland|Ministerpräsident]] Putin, den Jelzin zu seinem Nachfolger bestimmt hatte, dessen Amtsgeschäfte zunächst kommissarisch. Der Begriff ''Putinismus'' wurde kurz danach geprägt. Als erster<ref>[[Waleri Walerjewitsch Fjodorow|Waleri Fjodorow]], Julija Baskakowa et al.: ""Путинизм" как социальный феномен и его ракурсы" [= „Putinismus" als soziales Phänomen und seine Aspekte]. In: Waleri Fjodorow (Hg.): Выборы на фоне Крыма: электоральный цикл 2016-2018 гг. и перспективы политического транзита [= Wahlen vor dem Hintergrund der Krim: Der Wahlzyklus 2016–2018 und Perspektiven des politischen Übergangs]. ВЦИОМ, Moskau 2018, ISBN 978-5-04-152324-4, S. 587–602.</ref> verwendete ihn der russische Mathematiker und Publizist [[Andrei Andrejewitsch Piontkowski|Andrei Piontkowski]], der später mehrere Bücher über Putin geschrieben hat. Am 11. Januar 2000 erschien in der ''[[Sowetskaja Rossija]]'' ein Artikel von Piontkowski, der am selben Tag auch auf der Website der Partei [[Jabloko]] zu lesen war. In der Überschrift dieses Artikels definierte Piontkowski den von ihm so genannten Putinismus als „das höchste und letzte Stadium des Räuber-Kapitalismus in Russland". Er erklärte, dies sei das Stadium, in dem das Bürgertum „die Flagge der demokratischen Freiheiten über Bord wirft". Weitere Merkmale des Putinismus seien die „Konsolidierung" der Nation durch Hass gegen ethnische Minderheiten, die Bekämpfung der Redefreiheit, „[[Gehirnwäsche]]", die Selbstisolation von der Außenwelt und weiterer wirtschaftlicher Niedergang. Im selben Artikel verglich Piontkowski Jelzin mit [[Paul von Hindenburg|Hindenburg]], der [[Adolf Hitler|Hitler]] zur [[Machtergreifung]] verholfen hatte.<ref>Andrei Piontkowski: Путинизм как высшая и заключительная стадия бандитского капитализма в России (= Putinismus als das höchste und letzte Stadium des Räuber-Kapitalismus in Russland). Sowetskaja Rossija, 11. Januar 2000.</ref>
Marcel H. Van Herpen, Direktor der Cicero Foundation<ref>{{cite web|url=http://www.cicerofoundation.org/ |title=The Cicero Foundation |publisher=CiceroFoundation.org |language=en}}</ref>, vergleicht den Putinismus mit dem [[Faschismus]] und anderen Regierungsformen. Er findet Übereinstimmungen des Putinismus mit Merkmalen des [[Bonapartismus]], des [[Italienischer Faschismus|italienischen Zwischenkriegsfaschismus Prägung]] und des [[Berlusconismus]].<ref>Van Herpen, 2013, 203.</ref> [[Alan Posener]] von der Zeitung ''[[Die Welt]]'' (bzw. wohl [[Die Welt|Welt Online]]) schrieb im Zusammenhang mit der [[Diskriminierung]] von [[Minderheit]]en in Russland: „Der Putinismus lebt davon, außen- und innenpolitische Feinde zu schaffen und sie [[propaganda]]wirksam niederzuringen."<ref>Alan Posener: [https://www.welt.de/debatte/kommentare/article136236704/Kein-Fuehrerschein-fuer-Transsexuelle-in-Russland.html ''Kein Führerschein für Transsexuelle in Russland''.] [[Die Welt|Welt Online]]; abgerufen am 11. Januar 2015</ref>
Der französische Philosoph [[Michel Eltchaninoff]] bezeichnet die ideologische Untermauerung des russischen Putin-Regimes in seinem 2015 erschienenen Buch ''Dans la tête de Putin'' (2016 und 2022 auf Deutsch unter dem Titel ''In Putins Kopf'') ebenfalls als Putinismus.<ref>Michel Eltchaninoff: ''In Putins Kopf. Logik und Willkür eines Autokraten.'' Aktualisierte Neuausgabe, Stuttgart 2022 [2015], S. 13, 81, 124 u. 133.</ref>
'''Gemeinsamkeiten mit dem Bonapartismus'''<br />
Mit dem Regierungssystem [[Napoleon III.|Napoleons III.]] sieht Marcel H. Van Herpen Gemeinsamkeiten, insofern auch der Bonapartismus durch einen allgegenwärtigen Geheimdienst, Zensur der Medien, ein formelles Mehrparteiensystem mit schwacher Stellung des Parlaments und ein Streben nach Vergrößerung des Territoriums sowie militärische Abenteuer gekennzeichnet war. Der Putinismus scheint Herpen aber insofern moderner, als die physische Repression durch Steuerung der öffentlichen Meinung über die Medien und Wahlmanipulationen ersetzt wurde.<ref>Van Herpen, 2013, 7 f.</ref>
== Phasen ==
'''Unterschiede zur kommunistischen Diktatur'''<br />
Der Osteuropaexperte [[Richard Sakwa]] unterschied 2013 im als Putinismus bezeichneten politischen System Russlands vier Phasen, wobei er für die ersten beiden Phasen zwischen den Jahren 2000 und 2008 die Bezeichnung ''klassischer Putinismus'' verwendet. In dieser Zeit sei die historische Entwicklung des Regimes noch offen gewesen. Als dritte Phase des Putinismus nennt Sakwa die „Tandem-Regierung", also die [[Doppelherrschaft]] während der Präsidentschaft [[Dmitri Anatoljewitsch Medwedew|Dmitri Medwedew]]s mit Putin als Ministerpräsidenten von 2008 bis 2012. Für die bisher letzte Phase seit 2012 verwendet Sakwa den Begriff „entwickelter Putinismus". Sakwa betont die Kontinuität der Entwicklung, die schon mit Boris Jelzin 1991 begann und von Anfang an bei der Steuerung der politischen Prozesse bestimmte autoritäre Elemente aufwies. „Beide (Jelzin und Putin) haben versucht, die konkurrierenden Ansprüche zu steuern, nämlich den Drang nach politischer Partizipation und sozialer Sicherung einerseits, und die Fragmentierung des postsowjetischen Eurasiens sowie die neuen sicherheitspolitischen Herausforderungen auf internationaler Ebene andererseits." Wahlen stellten seit 1991 „einen sekundären Vorgang zur Legitimierung des Status quo dar".<ref>{{Internetquelle |autor=Richard Sakwa |url=http://www.bpb.de/internationales/europa/russland/165132/analyse-entwickelter-putinismus-wandel-ohne-entwicklung?p=all |titel=Analyse: Entwickelter Putinismus – Wandel ohne Entwicklung |hrsg=[[Bundeszentrale für politische Bildung]] |datum=2013年07月15日 |abruf=2014年12月27日}}</ref>
Der deutsche [[Politikwissenschaftler]] [[Manfred Sapper]] sieht vier Hauptunterschiede zur kommunistischen Diktatur:
An der Stelle der Partei stehe „eine Vielzahl von Klans, Seilschaften und Netzwerken ..., die ihre materiellen Interessen befriedigen, indem sie ökonomisch relevante Ressourcen wie die exportfähigen Rohstoffbranchen kontrollieren und aus den Erlösen »Renten« abschöpfen." Des Weiteren gebe es keine messianische Ideologie mehr, statt Massengewalt stehe Willkür und Repression auf der Tagesordnung und die Grenzen seien offen, man könne das „System Putin" verlassen.<ref>Manfred Sapper: {{Webarchiv|url=http://brockhaus.de/service/brockhaus_perspektiv/zukunft_2030/putinismus.php |wayback=20150222140731 |text=''Putinismus in Aktion'' |archiv-bot=2018年12月05日 03:13:22 InternetArchiveBot }}</ref> Für [[Markus Wehner]] beruht der Machterhalt einer modernen Diktatur vor allem auf Propaganda (und nicht wie früher auf Gewalt).<ref>Markus Wehner: ''Putins Kalter Krieg: Wie Russland den Westen vor sich hertreibt''. Verlag Knaur eBook, 2016, ISBN 978-3-426-43835-0, Kapitel 5: ''Russlands Informationskrieg''</ref>
In seiner entwickelten Form wies der Putinismus nach Sakwa „neue Methoden des politischen Managements" auf: die Strategie selektiven Zwangs gegen Führungspersönlichkeiten der Opposition wie [[Alexei Anatoljewitsch Nawalny|Alexei Nawalny]], die Strategie der Beschränkung etwa des Demonstrationsrechts und des Aktienbesitzes im Ausland. In der Strategie der [[Kooptation]] sei die [[Gesamtrussische Volksfront|Allrussische Volksfront]] wichtigster „Kooptierungsmechanismus". In der Strategie des Überzeugens seien ideologische Initiativen unternommen worden, „unter anderem durch eine betont antiwestliche Haltung, eine engere Verbindung zur [[Russisch-Orthodoxe Kirche|orthodoxen Kirche]] und das Eintreten für konservative kulturelle und Familienwerte". Sakwa diagnostiziert, diese Phase sei von Stagnation, Unterdrückung des Pluralismus und [[Korruption in Russland|Korruption]] gekennzeichnet. Alternative sei ein „Putinismus ohne Putin" als fünfte Phase durch anhaltenden „Druck demokratischer Bewegungen, begleitet von einer Wiederbelebung des Verfassungsstaates" oder „Revolution und Kollaps".<ref>{{Internetquelle |autor=Richard Sakwa |url=http://www.bpb.de/internationales/europa/russland/165132/analyse-entwickelter-putinismus-wandel-ohne-entwicklung?p=all |titel=Analyse: Entwickelter Putinismus – Wandel ohne Entwicklung |hrsg=[[Bundeszentrale für politische Bildung]] |datum=2013年07月15日 |abruf=2015年02月21日}}</ref> Zu Beginn glaubten Liberale an Fortschritt durch Putin. Über die Jahre wurden die konservativen Bevölkerungsschichten im peri-urbanen und ländlichen Raum zu seinen Unterstützern.<ref name="Baines et al. 2019"/>
'''Theoretiker des Putinismus'''<br />
Als einen der Autoren dieses Systems bezeichnet sich der Politiker [[Wladislaw Jurjewitsch Surkow|Wladislaw Surkow]].<ref>Peter Pomerantsev: [http://www.theatlantic.com/international/archive/2014/11/hidden-author-putinism-russia-vladislav-surkov/382489/?single_page=true ''The hidden author of Putinism''.] (The Atlantic), abgerufen am 19. Dezember 2014</ref>
Auch Michel Eltchaninoff (2022) macht im Putinismus verschiedene Phasen aus. So hätten Putins Ansichten ab 2013 eine „konservative Wende" genommen, und seit 2014 sei Putin „zum Imperialisten" geworden.<ref>Michel Eltchaninoff: ''In Putins Kopf. Logik und Willkür eines Autokraten.'' Aktualisierte Neuausgabe, Stuttgart 2022 [2015], S. 12 f.</ref>
== Merkmale ==
=== Charakterisierungen ===
[[Samuel P. Huntington]] sah 2002 Putins Verhältnis zum Westen als wesentliches Merkmal des Putinismus. Während Jelzin sich mit dem Westen ideologisch und kulturell identifiziert habe, sei Putin bloß ein Pragmatiker: „Wenn es ihm passt, kooperiert er mit den USA, mit dem Westen"; er könne aber auch genau das Gegenteil tun.<ref>[http://www.zeit.de/2002/37/Die_blutigen_Grenzen_des_Islam ''Die blutigen Grenzen des Islam''.] In: ''[[Die Zeit]]'', Nr. 37/2002.</ref>
Der deutsche Politikwissenschaftler [[Manfred Sapper]] beschrieb in einem Rückblick auf das Jahr 2012 den Putinismus anhand von vier Unterschieden zur realsozialistischen Diktatur in der [[Sowjetunion]]: An die Stelle der Partei sei „eine Vielzahl von Klans, Seilschaften und Netzwerken" getreten, „die ihre materiellen Interessen befriedigen, indem sie ökonomisch relevante Ressourcen wie die exportfähigen Rohstoffbranchen kontrollieren" und sich aus den Erlösen bereichern. Es gebe keine messianische Ideologie mehr. Zwar werde keine „Massengewalt" angewendet, aber Willkür und Repression seien an der Tagesordnung. Und: Die Grenzen seien offen – man könne das „System Putin" verlassen.<ref>Manfred Sapper: {{Webarchiv |url=http://brockhaus.de/service/brockhaus_perspektiv/zukunft_2030/putinismus.php |text=''Putinismus in Aktion'' |wayback=20150222140731}}. Brockhaus.</ref>
Für [[Markus Wehner]] beruht der Machterhalt der „modernen Diktatur" in Russland vor allem auf [[Propaganda]] (und nicht wie früher auf Gewalt).<ref>Markus Wehner: ''Putins Kalter Krieg: Wie Russland den Westen vor sich hertreibt''. Verlag Knaur eBook, 2016, ISBN 978-3-426-43835-0, Kapitel 5: ''Russlands Informationskrieg.''</ref> Die [[Propaganda der Russischen Föderation]] setzt auf [[Nationalismus]] und die traditionellen Symbole [[Militär]] und [[Orthodoxe Kirchen|orthodoxes Christentum]] und brandmarkt die urbanen, jungen Liberalen als [[fünfte Kolonne]] des feindlichen Auslands.<ref name="Baines et al. 2019">Paul Baines, Nicholas O’Shaughnessy, Nancy Snow (Hrsg.): ''The SAGE Handbook of Propaganda'' Verlag SAGE, 2019, ISBN 978-1-5264-8625-7, S. 493.</ref>
Marcel H. Van Herpen, Direktor der Cicero Foundation<ref>{{Internetquelle |url=http://www.cicerofoundation.org/ |titel=The Cicero Foundation |hrsg=CiceroFoundation.org |abruf=2022年03月13日 |sprache=en}}</ref>, verglich den Putinismus mit anderen Regierungsformen. Im Jahr 2013 beschrieb er Übereinstimmungen des Putinismus mit Merkmalen des [[Bonapartismus]], des [[Italienischer Faschismus|italienischen Zwischenkriegsfaschismus]] und des [[Berlusconismus]].<ref>Van Herpen, 2013, S. 203.</ref> Mit dem Regierungssystem [[Napoleon III.|Napoleons III.]] sah er insofern Gemeinsamkeiten, als auch der Bonapartismus durch einen allgegenwärtigen Geheimdienst, Zensur der Medien, ein formelles Mehrparteiensystem mit schwacher Stellung des Parlaments und ein Streben nach Vergrößerung des Territoriums sowie militärische Abenteuer gekennzeichnet gewesen sei. Der Putinismus sei aber moderner, da die physische Repression durch Steuerung der öffentlichen Meinung über die Medien und Wahlmanipulationen ersetzt worden sei.<ref>Van Herpen, 2013, S. 7 f.</ref>
Der putinistische Politiker [[Wjatscheslaw Wiktorowitsch Wolodin|Wjatscheslaw Wolodin]] betonte die zentrale Rolle Putins und sagte im Oktober 2014 zuspitzend: „Wenn es Putin gibt, dann gibt es Russland. Wenn es Putin nicht gibt, gibt es auch Russland nicht."<ref>{{Internetquelle |autor=Julian Hans |url=http://www.sueddeutsche.de/politik/raetselraten-um-den-praesidenten-ohne-putin-kein-russland-1.2395283 |titel=Ohne Putin kein Russland |hrsg=[[Süddeutsche Zeitung]] |datum=2015年03月16日 |abruf=2015年03月16日}}</ref>
[[Alan Posener]] von der ''[[Die Welt|Welt]]'' schrieb im Zusammenhang mit der [[Diskriminierung]] von Minderheiten in Russland: „Der Putinismus lebt davon, außen- und innenpolitische Feinde zu schaffen und sie propagandawirksam niederzuringen."<ref>{{Internetquelle |autor=Alan Posener |url=https://www.welt.de/debatte/kommentare/article136236704/Kein-Fuehrerschein-fuer-Transsexuelle-in-Russland.html |titel=Putins Tollhaus: kein Führerschein für Transsexuelle - WELT |sprache=de |abruf=2023年04月02日}}</ref>
Für [[Walter Laqueur]] war schon früh nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion klar, dass in Russland keine (westliche) Demokratie entstehen würde.<ref name="Sendung"/> Er wunderte sich nur über die Geschwindigkeit des Wandels des politischen Systems und seiner Ideologie, „vom Kommunismus zum Staatskapitalismus, vom Internationalismus zum Nationalismus und dieser getragen von einem bedeutenden Einfluss der orthodoxen Kirche". Russland sei 2015 wieder eine Diktatur, „autoritär, aber nicht faschistisch".<ref>{{Internetquelle |autor=deutschlandfunkkultur.de |url=https://www.deutschlandfunkkultur.de/putin-ueber-den-schnellen-wandel-russischer-ideologie-100.html |titel=Putin - Über den schnellen Wandel russischer Ideologie |sprache=de |abruf=2023年04月02日}}</ref> Allerdings verfüge dieses autoritäre System mit seiner Ideologie über ein [[Sendungsbewusstsein]], „eine Bemühung, Russlands Sendung weiter zu führen", wobei diese Sendung für Laqueur „abgesehen vom weitverbreiteten Glauben, dass der Westen dekadent sei" noch schwammig blieb. Russland müsse aber gemäß Überzeugung seiner Führung eine „moralische und kulturelle Führungsrolle" spielen, da der Westen seine Werte aufgegeben habe. Laqueur postulierte eine Überzeugung des Kremls, wonach die Daseinsberechtigung Russlands direkt von dieser Führungsrolle abhinge.<ref name="Sendung">{{Internetquelle |autor=Urs Gehriger |url=https://weltwoche.ch/story/nichts-ist-hoffnungslos/ |titel=«Nichts ist hoffnungslos» |werk=Die Weltwoche |datum=2015年12月23日 |sprache=de-DE |abruf=2023年04月02日}}</ref>
[[Anne Applebaum]] diagnostizierte 2013, dass liberale und kapitalistische Elemente wie die Existenz von Börse und Banken unter Putin immer nur scheinbar und oberflächlich seien, an einem Rechtsstaat und echtem Unternehmertum habe Putin kein Interesse. Russland ähnele keiner Marktökonomie, sondern sei ein feudaler Rohstoffstaat analog Saudi-Arabien. Die feudale Machtausübung werde nicht durch westliche Sicherheitspolitik oder gar militärische Angriffe bedroht, sondern durch die Rhetorik westlicher Demokratie, die Autokratien weltweit durch ihre Attraktivität für die Bevölkerungen bedrohe. Putins Auffassungen ähnelten denen des langjährigen KGB-Chefs [[Juri Wladimirowitsch Andropow|Juri Andropow]], der als technokratischer Modernisierer dennoch gerade in demokratischen Diskussionen eine herrschaftsgefährdende Gefahr insbesondere für die [[Tscheka|Tschekisten]] des [[KGB]] gesehen hatte. Die Vorstellung, dass demokratische Dissidenten vom Westen gesteuert würden, sei durchaus die tatsächliche Meinung Putins. Er habe im Gegenzug weltweiten Rückhalt in autoritären Systemen aufgebaut, deren Existenz er sichern wolle und denen sein Modell attraktiv erscheine, er versuche ferner erfolgreich, die für sein Russland charakteristische Korruption zwecks Einflussgewinnung auf den Westen auszudehnen. Propagandistische Mobilisierung gegen den Westen diene der Immunisierung der eigenen Bevölkerung gegen demokratische Bestrebungen.<ref>{{Internetquelle |autor=Anne Applebaum |url=https://www.lse.ac.uk/ideas/Assets/Documents/updates/LSE-IDEAS-Putinism-The-Ideology.pdf |titel=PUTINISM: THE IDEOLOGY |werk=STRATEGIC UPDATE 13.2 |hrsg=London School of Economics |datum=2013-02 |abruf=2023年03月29日 }}</ref>
Der exilierte [[Oligarch]] [[Michail Borissowitsch Chodorkowski|Michail Chodorkowski]], einer der größten Kritiker Putins, bezeichnete im März 2017 das unter Putin etablierte Herrschaftssystem als „feudalistisch-kriminell".<ref>{{Literatur |Titel=Kremlkritiker behauptet: Wladimir Putin denkt über seinen Rückzug nach |Sammelwerk=Focus Online |Datum= 2017年03月27日|Online=https://www.focus.de/politik/ausland/michail-chodorkowski-kremlkritiker-behauptet-wladimir-putin-denkt-ueber-seinen-rueckzug-nach_id_6828102.html |Abruf=2022年03月21日}}</ref> Im Buch ''Der Weg in die Unfreiheit'' (2018) legt [[Timothy Snyder]] dar, dass eine an rechtsradikal-faschistische Theorien anknüpfende, großrussisch-„eurasische" Ideologie den Kern des heutigen Putinismus bildet.<ref>[https://www.republik.ch/2022/03/12/der-russische-schizofaschismus Der russische Schizofaschismus], Republik, 13. März 2022</ref>
Der ehemalige Präsidentenberater [[Wladislaw Leonidowitsch Inosemzew]] erkannte schon 2018 kein Ziel in Putins Politik, außer es wäre jenes, in einem Land, das nicht einmal den Schein einer Demokratie wahre, Diktator zu werden.<ref>[https://snob.ru/selected/entry/135814 ''Санкции навсегда'']{{Toter Link|url=https://snob.ru/selected/entry/135814 |date=2024-04 |archivebot=2024年04月20日 14:20:53 InternetArchiveBot }} (Sanktionen für immer), snob.ru, 30. März 2018 (russisch).</ref> Russland sei 2021 „keine moderne europäische Gesellschaft: Es ist ein ehemaliges Imperium, das nie ein Nationalstaat war". Es sei auch keine demokratische Republik, sondern ein Handelsstaat, der den Herrschern gehöre, Putin habe mit loyalen [[Silowiki]] Russland im Handstreich übernommen. Putin sei auch „kein Politiker oder gar Militär [], sondern ein Spion, der weniger an Institutionen und Hierarchien, sondern mehr an Loyalität und Netzwerke" glaube: Aufgrund seiner eigenen Handhabe glaube Putin, „dass die Welt von Menschen regiert wird und nicht von Institutionen".<ref>Wladislaw L. Inosemzew: [https://www.nzz.ch/meinung/kgb-mann-putin-oder-warum-der-westen-russland-verlor-ld.1649576 ''Warum verlor der Westen Russland? – Gewiss gab es strategische Fehler, entscheidend aber war das politische Naturell des KGB-Mannes Wladimir Putin.''], NZZ, 13. November 2021</ref> Im Frühjahr 2022 erklärte Inosemzew, Russland erfülle nun „mustergültig den Katalog dessen, was [[Faschismus]] ausmacht".<ref>{{Internetquelle |autor=Wladislaw Inosemzew |url=https://www.nzz.ch/meinung/wladimir-putin-ist-ein-faschist-wie-er-im-lehrbuch-steht-ld.1673256 |titel=Der Faschismus ist das, was folgt, nachdem sich der Kommunismus als Illusion erwiesen hat – Wladimir Putin ist ein gelehriger Schüler Benito Mussolinis |werk=Gastkommentar, nzz.ch |datum=2022年03月10日 |abruf=2022年04月18日}}</ref> [[Stefan Meister]] nannte das Regime um Putin „zunehmend faschistisch" und ging davon aus, dass [[Furcht|Angst]] die russische Gesellschaft vermehrt prägen werde.<ref>[https://www.tagesschau.de/ausland/europa/russland-putin-faschismus-101.html "Regime um Putin zunehmend faschistisch"], Tagesschau.de, 10. Mai 2022</ref>
Auch der polnische Schriftsteller [[Szczepan Twardoch]] bezeichnete Russland 2022 als eine „[[Faschismus|faschistische]] [[Diktatur]] ... mit allen Attributen einer solchen: staatlichem Nationalismus, fehlender Opposition, militärischer Indoktrinierung der Jugend schon im frühesten Alter, Arbeitslagern und Mord an politischen Gegnern".<ref>Szczepan Twardoch: ''Liebe westeuropäische Intellektuelle: Ihr habt keine Ahnung von Russland.'' in NZZ am 6. April 2022 (msn.com)[https://www.msn.com/de-de/nachrichten/politik/liebe-westeurop%C3%A4ische-intellektuelle-ihr-habt-keine-ahnung-von-russland/ar-AAVU9HD?ocid=msedgdhp&pc=U531&cvid=d14b9b4ec4464116aeb8d09bd7efe52d]</ref> Der russische Dichter [[Dmitri Lwowitsch Bykow]] hatte schon Ende 2019 festgestellt, dass die Russische Gesellschaft in der ihr innewohnenden Trägheit entlang der herrschenden Propaganda in „rasendsten Faschismus" abgleite.<ref>[https://novayagazeta.ru/articles/2019/12/31/83306-vasil-ivanych-popugay Василь Иваныч, попугай!], Nowaja Gaseta, 25. Dezember 2019</ref>
Für den Osteuropahistoriker [[Karl Schlögel]] handelt es sich beim Putinismus um „eine Gewaltordnung nach dem Ende des Kontinentalimperiums und eines staatssozialistischen Systems". Korruption und [[Kleptokratie]] seien im System angelegt. Der Präsident stehe an der Spitze eines [[Polizeistaat]]s mit pseudodemokratischen Strukturen. Schlögel spricht von einer sowjetisch-stalinistischen DNA der heutigen russischen Gewaltherrschaft – mit gezielter Tötung von Oppositionellen, wieder alltäglich werdender Gewalt in Gefängnissen und Lagern, Verschwörungsmythen und willkürlicher Mobilisierung für den Krieg. Schlögel betont auch die kulturelle Dimension und [[Hegemonie]] des Putinismus: „die Mixtur aus Putins orthodoxer Pseudo-Frömmigkeit, die Verleihung von Orden für die Verantwortlichen von Massakern wie in [[Massaker von Butscha|Butscha]], den Terror, die allabendlichen Hetzsendungen im russischen Fernsehen mit einem unvorstellbaren Vokabular und die Schamlosigkeit, mit der gelogen wird."<ref>Karl Schlögel im Gespräch mit Claudia von Salzen: ''„Der Ruf nach Verhandlungen hat etwas mit völliger Unkenntnis der Lage zu tun.". Der Osteuropa-Historiker Karl Schlögel über die Forderungen deutscher Intellektueller und die Rolle des Westens im Ukraine-Krieg.'' In ''[[Der Tagesspiegel]]'', 11. Januar 2023, S. 16 f.</ref>
=== Innenpolitik ===
=== Innenpolitik ===
Das Konzept manifestierte sich (削除) seit (削除ここまで)(削除) dem (削除ここまで)(削除) Amtsantritt (削除ここまで)(削除) von (削除ここまで)(削除) Putin (削除ここまで)(削除) 1999 (削除ここまで)(削除) als (削除ここまで)(削除) Nachfolger (削除ここまで)(削除) des zurückgetretenen Boris Jelzin durch den Kampf gegen die (削除ここまで) [[(削除) organisierte (削除ここまで)(削除) Kriminalität (削除ここまで)]](削除) , (削除ここまで) die (削除) Finanzierung (削除ここまで) von (削除) Sozial- (削除ここまで) und (削除) Rüstungsausgaben (削除ここまで)(削除) durch (削除ここまで)(削除) die (削除ここまで)(削除) verstaatlichte (削除ここまで)(削除) Rohstoffausbeutung (削除ここまで)(削除) sowie (削除ここまで)(削除) durch einen (削除ここまで) Vorrang der öffentlichen Ordnung vor individuellen Freiheiten(削除) . (削除ここまで)(削除) Mit (削除ここまで) der (削除) Regierungsform (削除ここまで) der [[(削除) Gelenkte (削除ここまで)(削除) Demokratie|gelenkten (削除ここまで)(削除) Demokratie (削除ここまで)]] (削除) soll (削除ここまで)(削除) vor (削除ここまで)(削除) allem (削除ここまで) die (削除) Stabilität (削除ここまで) von (削除) Staat (削除ここまで) und (削除) Gesellschaft (削除ここまで)(削除) erreicht (削除ここまで)(削除) werden. (削除ここまで)(削除) Damit (削除ここまで)(削除) einher (削除ここまで)(削除) gehen Einschränkungen bei der Verwirklichung der [[Menschenrechte in Russland]] (削除ここまで).<ref>Ljudmila Alexejewa: [https://www.welt.de/debatte/the-world-in-words/article11322755/The-Rise-and-Fall-of-Putinism.html ''Human rights: The rise and fall of Putinism''.] [[Die Welt|Welt Online]], abgerufen am 21. Dezember 2014</ref><ref>(削除) Nach (削除ここまで)(削除) dem (削除ここまで)(削除) Demokratieindex (削除ここまで)(削除) ist (削除ここまで)(削除) Russland (削除ここまで)(削除) das (削除ここまで)(削除) undemokratischste (削除ここまで)(削除) Land (削除ここまで)(削除) in (削除ここまで)(削除) Europa. (削除ここまで)(削除) Weltweit (削除ここまで)(削除) liegt (削除ここまで)(削除) es (削除ここまで)(削除) in (削除ここまで)(削除) der (削除ここまで)(削除) vorletzten (削除ここまで)(削除) Gruppe (削除ここまで)(削除) der (削除ここまで)(削除) „Autoritären (削除ここまで)(削除) Regime". (削除ここまで)(削除) Neben (削除ここまで)(削除) der (削除ここまで)(削除) Zurückdrängung (削除ここまで)(削除) oppositioneller (削除ここまで)(削除) Medien (削除ここまで)(削除) wird (削除ここまで)(削除) zunehmend (削除ここまで)(削除) auch (削除ここまで)(削除) die (削除ここまで)(削除) freie (削除ここまで)(削除) Meinungsäußerung (削除ここまで)(削除) und (削除ここまで)(削除) das (削除ここまで)(削除) Demonstrationsrecht (削除ここまで)(削除) eingeschränkt. (削除ここまで)
Das Konzept manifestierte sich (追記) durch (追記ここまで) (追記) einen (追記ここまで) (追記) Gesellschaftsvertrag, (追記ここまで) (追記) bei (追記ここまで) (追記) welchem (追記ここまで) (追記) mit (追記ここまで) (追記) der (追記ここまで) (追記) Regierungsform (追記ここまで) (追記) der (追記ここまで) [[(追記) Gelenkte (追記ここまで) (追記) Demokratie|gelenkten Demokratie (追記ここまで)]](追記) vor allem (追記ここまで) die (追記) Stabilität (追記ここまで) von (追記) Staat (追記ここまで) und (追記) Gesellschaft (追記ここまで) (追記) erreicht (追記ここまで) (追記) werden (追記ここまで) (追記) sollte, (追記ここまで) (追記) dies (追記ここまで) (追記) bei (追記ここまで) (追記) einem (追記ここまで) Vorrang der öffentlichen Ordnung vor individuellen Freiheiten (追記) und damit einher gehenden Einschränkungen bei (追記ここまで) der (追記) Verwirklichung (追記ここまで) der [[(追記) Menschenrechte (追記ここまで) (追記) in (追記ここまで) (追記) Russland (追記ここまで)]](追記) . (追記ここまで) (追記) Stillschweigend (追記ここまで) (追記) nahmen (追記ここまで) (追記) die Russen (追記ここまで) die (追記) Finanzierung (追記ここまで) von (追記) Sozial- (追記ここまで) und (追記) Rüstungsausgaben (追記ここまで) (追記) durch (追記ここまで) (追記) die (追記ここまで) (追記) verstaatlichte (追記ここまで) (追記) Rohstoffausbeutung (追記ここまで) (追記) hin (追記ここまで).<ref>Ljudmila Alexejewa: [https://www.welt.de/debatte/the-world-in-words/article11322755/The-Rise-and-Fall-of-Putinism.html ''Human rights: The rise and fall of Putinism''.] [[Die Welt|Welt Online]], abgerufen am 21. Dezember 2014(追記) . (追記ここまで)</ref>(追記) Respektlosigkeit gegenüber Behörden wurde auch im Internet strafbar. (追記ここまで)<ref>(追記) {{Internetquelle (追記ここまで) (追記) |autor=Marc (追記ここまで) (追記) Bennetts (追記ここまで) (追記) |url=https://www.theguardian.com/world/2019/mar/06/russian-parliament-outlaws-online-disrespect (追記ここまで) (追記) |titel=Russia (追記ここまで) (追記) passes (追記ここまで) (追記) law (追記ここまで) (追記) to (追記ここまで) (追記) jail (追記ここまで) (追記) people (追記ここまで) (追記) for (追記ここまで) (追記) 15 (追記ここまで) (追記) days (追記ここまで) (追記) for (追記ここまで) (追記) ‘disrespecting’ (追記ここまで) (追記) government. (追記ここまで) (追記) Law (追記ここまで) (追記) allowing (追記ここまで) (追記) courts (追記ここまで) (追記) to (追記ここまで) (追記) fine (追記ここまで) (追記) or (追記ここまで) (追記) jail (追記ここまで) (追記) offenders (追記ここまで) (追記) is (追記ここまで) (追記) reminiscent (追記ここまで) (追記) of (追記ここまで) (追記) Soviet-era (追記ここまで) (追記) laws (追記ここまで) (追記) used (追記ここまで) (追記) to (追記ここまで) (追記) target (追記ここまで) (追記) dissidents, (追記ここまで) (追記) say (追記ここまで) (追記) critics |hrsg=[[The Guardian]] |datum=2019年03月06日 |abruf=2019年08月07日 |sprache=en}}</ref> (追記ここまで)
* {{Internetquelle |url=https://www.tagesspiegel.de/politik/vorwurf-des-aufrufs-zu-massenunruhen-russland-steckt-vier-regierungskritiker-in-untersuchungshaft/24867130.html |titel=Russland steckt vier Regierungskritiker in Untersuchungshaft |titelerg=Vorwurf des „Aufrufs zu Massenunruhen" |hrsg=[[Der Tagesspiegel]] |abruf=2019年08月07日 |sprache=de |datum=2019年08月02日}}
Ein in der Vorbereitung befindliches Präsidialdekret zur Kultur und gegen die Bedrohungen durch einen angeblichen „Kult der Selbstsucht, Freizügigkeit und Unmoral" wurde im Februar 2022 vorerst gestoppt.<ref>[https://www.rbc.ru/politics/14/02/2022/6209f4929a7947564896f881 Das Kulturministerium setzte die Diskussion des Projekts zu traditionellen Werten aus], [[RBK (Medienunternehmen)]], 14. Februar 2022</ref> Das Dekret sollte „traditionelle spirituelle und moralische Werte" (Patriotismus, Dienst am Vaterland und Verantwortung für sein Schicksal, hohe moralische Ideale, eine starke Familie, die Priorität des Spirituellen vor dem Materiellen, das historische Gedächtnis, die Einheit der Völker Russlands) festlegen. Kritisch betrachtet ziele das Projekt darauf ab, die Institution der ideologischen [[Politoffizier]]e und der offiziellen staatlichen [[Zensur in der Sowjetunion|Zensur]] wiederherzustellen.<ref>[https://www.levada.ru/2022/02/17/diktatura-traditsionnyh-tsennostej/ Diktatur der "Traditionellen Werte"], [[Lewada-Zentrum]], 17. Februar 2022</ref>
* {{Internetquelle |autor=[[Agence France-Presse|AFP]] |url=https://www.stern.de/news/vier-regierungskritiker-muessen-nach-protesten-in-moskau-in-untersuchungshaft--8830990.html |titel=Vier Regierungskritiker müssen nach Protesten in Moskau in Untersuchungshaft |titelerg=Knapp eine Woche nach einer Großkundgebung der Opposition in Moskau hat die russische Justiz gegen vier Regierungskritiker Untersuchungshaft angeordnet. |hrsg=[[Stern (Zeitschrift)|STERN]] |abruf=2019年08月07日 |sprache=de|datum=2019年08月02日}}
Kulturschaffende monierten, daraus folge, dass alles Kreative, das nicht mit der Bewahrung traditioneller Werte zusammenhänge, unnötig und damit implizit verboten sei.<ref>[https://www.svoboda.org/a/vlasti-priostanovili-obsuzhdenie-proekta-o-traditsionnyh-tsennostyah/31702450.html Die Behörden setzten die Diskussion über das Projekt zu traditionellen Werten aus], refrl, 14. Februar 2022</ref>
* {{Internetquelle |autor=jj/qu ([[Deutsche Presse-Agentur|dpa]], [[Agence France-Presse|afp]]) |url=https://www.dw.com/de/u-haft-f%C3%BCr-vier-russische-kreml-kritiker/a-49871479 |titel=U-Haft für vier russische Kreml-Kritiker |zitat=Nach den Protesten in Moskau vor einer Woche sind die bekannten Gesichter der Opposition im Fadenkreuz der Behörden. Doch die Kreml-Kritiker lassen nicht locker - und fordern die Staatsmacht erneut heraus. |hrsg=[[Deutsche Welle|DW]] |abruf=2019年08月07日 |sprache=de|datum=2019年08月02日}}
* {{Internetquelle |autor=Matthew Rozsa |url=https://www.salon.com/2019/08/04/more-than-600-people-arrested-in-moscow-antigovernment-protests/ |titel=More than 600 people arrested in Moscow antigovernment protests |titelerg= |hrsg=[[salon.com]] |abruf=2019年08月07日 |sprache=en |datum=2019年08月04日}}
* {{Internetquelle |autor=Marc Bennetts |url=https://www.theguardian.com/world/2019/mar/06/russian-parliament-outlaws-online-disrespect |titel=Russia passes law to jail people for 15 days for 'disrespecting' government |titelerg=Law allowing courts to fine or jail offenders is reminiscent of Soviet-era laws used to target dissidents, say critics |hrsg=[[The Guardian]] |abruf=2019年08月07日 |sprache=en |datum=2019年03月06日}}</ref>
=== Außenpolitik ===
=== Außenpolitik ===
Nach Ansicht von [[Ulrich Menzel]] steht eine [[Revisionismus|revisionistische]] Politik der (削除) Rückgewinnung (削除ここまで)(削除) des (削除ここまで)(削除) ehemaligen (削除ここまで)(削除) sowjetischen (削除ここまで)(削除) Einflusses (削除ここまで) im Zentrum des Putinismus. Dazu nutze Putin sowohl politische Mittel (z. B. Konfrontation in der UNO) als auch wirtschaftliche (z. B. (削除) Gasexporte (削除ここまで)) und militärische Methoden (z. B. (削除) Ukrainekrieg (削除ここまで)).<ref>Ulrich Menzel: [https://www.bpb.de/apuz/235528/wohin-treibt-die-welt?p=all ''Wohin treibt die Welt?''] [[Bundeszentrale für politische Bildung]], 21. Oktober 2016.</ref>
Nach Ansicht von [[Ulrich Menzel]] steht eine [[Revisionismus|revisionistische]] Politik der (追記) Errichtung (追記ここまで) (追記) einer (追記ここまで) (追記) Einflusssphäre im (追記ここまで) (追記) postsowjetischen (追記ここまで) (追記) Raum (追記ここまで) im Zentrum des Putinismus. Dazu nutze Putin sowohl politische Mittel (z. B. Konfrontation in der UNO) als auch wirtschaftliche (z. B. (追記) Energierohstoffexporte (追記ここまで)) und militärische Methoden (z. B. (追記) [[Krieg in der Ukraine seit 2014]] (追記ここまで)).<ref>Ulrich Menzel: [https://www.bpb.de/apuz/235528/wohin-treibt-die-welt?p=all ''Wohin treibt die Welt?''] [[Bundeszentrale für politische Bildung]], 21. Oktober 2016.</ref>
(削除) Die (削除ここまで) Rolle westlicher Länder und Bündnisse (削除) sieht (削除ここまで)(削除) die (削除ここまで)(削除) Putin-Regierung kritisch (削除ここまで), die [[NATO-Osterweiterung]] (削除) empfindet (削除ここまで)(削除) sie als (削除ここまで) Bedrohung der (削除) eigenen (削除ここまで)(削除) Sicherheit (削除ここまで). Nach der Intervention im [[Kaukasuskrieg 2008]] mit [[Georgien]] machte die Machtpolitik 2014 auch vor der [[(削除) Krimkrise (削除ここまで)|Annexion der Krim]], (削除) einem (削除ここまで)(削除) Gebiet (削除ここまで) des heute unabhängigen Staates [[Ukraine]], nicht halt. Dabei werde, wie die deutsche [[Bundeskanzler (Deutschland)|Bundeskanzlerin]] [[Angela Merkel]] kommentierte, „das Recht des Stärkeren" gegen die „Stärke des Rechts" gestellt.<ref>(削除) [ (削除ここまで)http://www.huffingtonpost.de/2014/03/13/merkel-russland_n_4954702.html ''Merkel in ihrer Regierungserklärung: Russland stellt (削除) Recht (削除ここまで) des Stärkeren gegen Stärke des (削除) Rechts (削除ここまで)''(削除) ] (削除ここまで)(削除) ( (削除ここまで)The Huffington Post(削除) ) (削除ここまで), abgerufen am 19. Dezember 2014</ref>
(追記) Das Putin-Regime sieht die (追記ここまで) Rolle westlicher Länder und Bündnisse (追記) kritisch. (追記ここまで) (追記) Es (追記ここまで) (追記) behauptet (追記ここまで), die [[NATO-Osterweiterung]] (追記) wäre (追記ここまで) (追記) eine (追記ここまで) Bedrohung der (追記) Sicherheit (追記ここまで) (追記) Russlands (追記ここまで). Nach der Intervention im [[Kaukasuskrieg 2008]] mit [[Georgien]] machte die Machtpolitik 2014 auch vor der [[(追記) Annexion der Krim 2014 (追記ここまで)|Annexion der Krim]], (追記) eines (追記ここまで) (追記) Gebietes (追記ここまで) des heute unabhängigen Staates [[Ukraine]], nicht halt. Dabei werde, wie die deutsche [[Bundeskanzler (Deutschland)|Bundeskanzlerin]] [[Angela Merkel]] kommentierte, „das Recht des Stärkeren" gegen die „Stärke des Rechts" gestellt.<ref>(追記) {{Webarchiv |url= (追記ここまで)http://www.huffingtonpost.de/2014/03/13/merkel-russland_n_4954702.html (追記) |text= (追記ここまで)''Merkel in ihrer Regierungserklärung: Russland stellt (追記) „Recht (追記ここまで) des Stärkeren gegen Stärke des (追記) Rechts" (追記ここまで)'' (追記) |wayback=20141219144237}}. (追記ここまで)The Huffington Post(追記) , 19. Dezember 2014 (追記ここまで), abgerufen am 19. Dezember 2014(追記) . (追記ここまで)</ref>
Als ''Putin-Doktrin'' lässt sich die strategische Absicht erkennen, die seit 1990 entstandene Sicherheitsstruktur Europas grundlegend zu verändern. <br/>Am 24. Februar 2022 begannen russische Streitkräfte auf Befehl von Putin einen völkerrechtswidrigen [[Russischer Überfall auf die Ukraine seit 2022|Angriffskrieg auf die Ukraine]]. Der dem Kreml nahestehende [[Sergei Alexandrowitsch Karaganow|Sergej Karaganow]] schrieb am gleichen Tag, mittels ''konstruktiver Zerstörung'' solle die bisherige Sicherheitsarchitektur aufgehoben werden. Die Ende 2021 im Rahmen der Ukrainekrise erfolgte ultimative Aufforderung an die NATO, den Aufbau militärischer Strukturen nahe Russland generell zu unterlassen und auf jede Erweiterung im Osten zu verzichten, sei der Beginn dieser ''konstruktiven Zerstörung'' der seit 1990 bestehenden Ordnung in Europa; diese solle durch eine andere Art von Beziehungen mit dem Westen ersetzt werden. Die [[Charta von Paris]] und die [[NATO-Russland-Grundakte|Nato-Russland-Grundakte]] seien aus russischer Schwäche geborene Fehler gewesen.<ref>{{Internetquelle |url=https://www.malaysiasun.com/news/272329062/sergey-karaganov-russias-new-foreign-policy-the-putin-doctrine |titel=Sergey Karaganov: Russia's new foreign policy, the Putin Doctrine |werk=Malaysia Sun |sprache=en |abruf=2022年04月12日}}</ref>
Die Außenpolitikexpertin [[Angela Stent]] schrieb einen Monat vor dem Beginn des Angriffskrieges, Putin habe das Ziel, für Russland einen Status zu erreichen wie die [[Sowjetunion]] ihn hatte. Putin verlange mindestens eine eigene privilegierte Einflusssphäre in der post-sowjetischen Nachbarschaft, wo den politischen Wünschen Russlands Gehorsam geschuldet würde. Putin fordere auch, dass Russland an allen wichtigen internationalen Entscheidungen beteiligt sein müsse. Nur wenigen Staaten wie [[Indien]], [[VR China]], Russland und den USA komme diese volle [[Souveränität]] zu. Putin betrachte die [[Auflösung der Sowjetunion]] als Katastrophe, deren Auswirkungen rückgängig gemacht oder abgemildert werden müssten, insbesondere, dass Millionen ethnischer Russen außerhalb der Russischen Föderation lebten. Die NATO müsse sich auf den Stand vor der [[NATO-Osterweiterung|ersten NATO-Osterweiterung]] (im März 1999 traten Polen, Tschechien und Ungarn bei) zurückziehen und Länder wie [[Schweden]] und [[Finnland]] müssten weiterhin neutral bleiben.<ref>sie traten der NATO bei, nachdem Putin 2022 den völkerrechtswidrigen [[Russischer Überfall auf die Ukraine seit 2022|Überfall auf die Ukraine]] begonnen hatte.</ref> Generell suche Putin Zusammenarbeit mit [[Autokratie]]n und die Unterminierung von Demokratien. Endziel sei das [[Revisionismus (Völkerrecht)|revisionistische]] Aufbrechen der transatlantischen Partnerschaft der USA mit Europa und eine neue Weltordnung, die den Prinzipien des [[Pentarchie (Europa)|Konzerts der Mächte]] im 19. Jahrhundert entspräche und die von den USA geschaffene liberale Ordnung ersetze. Die Annahme amerikanischer Schwäche und die russische militärische Aufrüstung der letzten Jahre erhöhten das Risiko eines aggressiven Vorgehens Putins. Im Zentrum von Putins Aufmerksamkeit stehe die [[Ukraine]].<ref>{{Internetquelle |autor=The CSS Point |url=https://thecsspoint.com/the-putin-doctrine-by-angela-stent/ |titel=The Putin Doctrine By Angela Stent |werk=The CSS Point |datum=2022年01月27日 |sprache=en-US |abruf=2022年05月21日}}</ref>
[[Margareta Mommsen]] schrieb Putin 2022 das Ziel zu, Russland, Belarus und die Ukraine und möglicherweise Teile von [[Kasachstan]] staatlich zu vereinigen. Die Demokratiebewegung in der Ukraine und ihre Hinwendung zum Westen in der [[Euromaidan|Maidan-Revolution]] nehme er als Bedrohung wahr, da eine sich demokratisierende Ukraine ein „Gegenmodell zum Putinismus" sei. Putin selbst habe für Russland diesbezüglich „von einer Gefahr der Ukrainisazija gesprochen".<ref>{{Internetquelle |autor=Interview mit Margareta Mommsen |url=https://www.bpb.de/kurz-knapp/hintergrund-aktuell/506081/der-neue-putin-ist-nicht-mehr-rational/ |titel="Der neue Putin ist nicht mehr rational" |werk=Hintergrund aktuell |hrsg=Bundeszentrale für politische Bildung |datum=10.03.2022 |sprache=de |abruf=2023年03月29日}}</ref>
{{Überarbeiten||Russki Mir ist eine Doublette zum entsprechenden Hauptartikel und }}
== Russki Mir ==
{{Hauptartikel|Russki Mir}}
=== Historische Entwicklung ===
Die Idee des ''[[Geschichte Russlands#Sammlung der russischen Erde und Abschüttlung der Tatarenherrschaft|Russki mir]]'' hat ihre Wurzeln bereits im 19. Jahrhundert, ursprünglich als poetische [[Metapher]]. Der Schriftsteller und Historiker [[Nikolai Michailowitsch Karamsin]] (1766–1826) rechtfertigte 1818 in seinem Hauptwerk ''Geschichte des russischen Staates (История государства Российского)'' die [[Autokratie|Selbstherrschaft]] des Zaren (russisch: cамодержавие; ''samoderschawie)'' als Ausdruck des russischen Volksgeistes, der als einigendes Kollektivsymbol einfaches Volk und Adel verbinden sollte, ebenso wie die Liebe zur russisch-orthodoxen Religion. Ganz im Geiste Karamsins prägte der Politiker und Wissenschaftler [[Sergei Semjonowitsch Uwarow]] 1833 die Losung [[Orthodoxie, Autokratie, Nationalität]] als Gegensatz zur Losung [[Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit]] der [[Französische Revolution|Französischen Revolution]]. [[Alexander Sergejewitsch Puschkin|Puschkins]] Freund, der Schriftsteller [[Pjotr Andrejewitsch Wjasemski]] nannte [[1848]] in seinem Gedicht ''Die heilige Rus'' die Symbole, die Russland vor dem verderblichen europäischen Einfluss bewahren sollten: Orthodoxer Glaube, Liebe zum Zaren, die russische Geschichte und schließlich die russische Sprache, welche er zum Medium erklärte, durch das der russische Mensch mit Gott kommuniziere. Am 14. März 1848 hatte ein Zarenmanifest ''Über die Vorkommnisse im westlichen Europa'' die zentralen rhetorischen Argumente vorgegeben:
Die Religion sei als Vermächtnis der Vorfahren zu bewahren und, da Russlands Feinde überall seien, müsse die Verteidigung Russlands überall und nicht nur an seinen Grenzen erfolgen. Auch [[Fjodor Michailowitsch Dostojewski|Dostojewskij]] sah die Mission Russlands darin, „mit den russischen Worten der Wahrheit die tragischen Missverständnisse der west-europäischen Zivilisation zu korrigieren", wie er 1873 im [[Tagebuch eines Schriftstellers]] formulierte.<ref name="Analysen"/>
Solche [[Sakralisierung]] hatte mit der [[Oktoberrevolution]] zunächst ein Ende, doch entwickelte die Sowjetunion als Träger der Revolutionsidee sowie auch als Weltmacht einen wahrlich globalen „Welt"-Begriff. Ab 1944 hieß es in der [[Hymne der Sowjetunion]]: „Die unzerbrechliche Union der freien Republiken vereinigte für die Ewigkeit die große Rus."<ref name="Analysen"/>
Zum anderen hatten die so genannten ''[[Eurasismus|Eurasier]]'' seit den 1920er Jahren im Exil einen unüberwindlichen Gegensatz zwischen der eurasischen Kultur Russlands und der „germano-romanischen" Kultur Westeuropas [[Imagination|imaginiert]]. Innerhalb Russlands wurden erst in den 1990er Jahren bei der „Neuen Rechten" diese Ideen zielstrebig den neuen politischen Bedingungen angepasst und nach dem Wegfall und an Stelle der marxistisch-leninistischen Ideologie zu einer neuen imperialistischen, dem Neo-Eurasismus weiterentwickelt.<ref name="Analysen"/>
=== {{Anker|Russische Welt}} Im 21. Jahrhundert ===
Das ursprüngliche Kulturkonzept Russki Mir („Russische Welt/Gemeinschaft") dient nun in ideologisierter Form zur Legitimierung des russischen Einflusses im [[Postsowjetische Staaten|postsowjetischen Raum]] („[[Nahes Ausland]]"). Es postuliert mit Rückgriff auf die Zeiten der [[Kiewer Rus]] eine gemeinsame [[Ostslawische Sprachen|ostslawische]] Identität („[[dreieiniges russisches Volk]]"), worin die russische Sprache und Literatur eine besondere Verbindung herstelle.<ref name="Dekoder">[[Ulrich Schmid (Slawist)|Ulrich Schmid]]: [https://www.dekoder.org/de/gnose/russki-mir ''Russki Mir.''] Gnose auf [[Dekoder.org]]</ref> Der [[belarus]]sische Philosoph und Dichter Ihar Babkou beschrieb das Wesen des Konzepts 2022 hingegen mit folgenden Worten: {{"|Die heutige ‚Russische Welt‘ umfasst Praktiken des brutalen und aggressiven Neoimperialismus, die vor allem gegen die direkten Nachbarstaaten gerichtet sind}}, wie sie erst seit „2014/2015 vollständig zum Vorschein gekommen sind".<ref>[https://www.dekoder.org/de/article/babkou-von-fischen-und-menschen Von Fischen und Menschen], dekoder.org, 17. März 2022</ref>
Die geopolitische Konzeption vereint antiwestliche, [[Liberalismus|antiliberale]] und [[Neoimperialismus|neoimperiale]] Strömungen.<ref name="Analysen" /> Der Begriff wäre im rein russischen Verständnis mit dem [[Commonwealth of Nations|Commonwealth]] vergleichbar, unterscheidet sich aber markant durch die Tatsache, dass die Kirche und die Religion eine wesentliche Rolle spielen.<ref name="Analysen" /> Die Gegnerschaft der Kirche gegenüber dem Westen wird auch mit dessen angeblicher „Christianophobie" begründet.<ref>[https://www.themoscowtimes.com/2022/03/15/orthodox-christian-unity-broken-by-russian-world-heresy-a76922 ''Orthodox Christian Unity Broken by ‘Russian World’ Heresy.''] The Moscow Times, 15. März 2022.</ref> Diese radikale Abgrenzung von Europa mündet im russischen „Sonderweg".<ref name="Analysen" />
Der Sprachgebrauch ist uneinheitlich, neben einem spezifischen, „russischen" Geschichtsbewusstsein kann der Begriff auch einfach die Unterstützung für die russische beziehungsweise putinsche Politik bedeuten.<ref name="Analysen" />
2006 definierte Wladimir Putin das Konzept und forderte Künstler auf, den Ausdruck zu verwenden,<ref name="Dekoder" /> 2007 gründete er die [[Stiftung Russki Mir]]. Russische Sprache und Kultur sollten damit vor allem in den ehemaligen Sowjetstaaten gefördert werden. Die Bewegung entwickelte, beeinflusst vom [[Panslawismus]] und mit ihrer Gegenüberstellung einer orthodoxen Kraft gegenüber dem Westen, eine eigene konfrontative Dynamik.<ref>Irina Scherbakowa, Karl Schlögel: ''Der Russland-Reflex: Einsichten in eine Beziehungskrise.'' Edition Körber, 2015, ISBN 978-3-89684-492-7.</ref> Die Ideologie der [[Russisch-Orthodoxe Kirche|russisch-orthodoxen Kirche]], geführt vom [[Patriarchat von Moskau und der ganzen Rus]], deckt sich mit der staatlichen Politik der ''russischen Welt'', auch sie erhebt ihren Machtanspruch über die Grenzen Russlands hinaus. Die russisch-orthodoxe Kirche und der [[Kyrill I.|Moskauer Patriarch]] trügen eine direkte Verantwortung für die expansive Politik Russlands.<ref>[https://www.regensburg-digital.de/die-russisch-orthodoxe-kirche-beteiligt-sich-aktiv-an-diesem-krieg/04032022/ ''Die russisch-orthodoxe Kirche beteiligt sich aktiv am Krieg gegen die Ukraine.''] Regensburg Digital, 4. März 2022.</ref> Ein Netzwerk im Dienste Russlands propagiert Russki Mir speziell in der Ukraine, in Georgien und in Moldawien, jenen Ländern, welche die Absicht bekundeten, sich der westlichen Welt anzuschließen; seit 2012 setzte Moskau dafür schätzungsweise 130 Millionen Dollar im Jahr ein.<ref>[https://www.chathamhouse.org/2016/04/agents-russian-world-proxy-groups-contested-neighbourhood ''Agents of the Russian World: Proxy Groups in the Contested Neighbourhood.''] Chatham House, 14. April 2016.</ref> Dass die Suche einer neuen russischen Doktrin zur [[Autoritarismus|autoritären]] Rechten führen würde, war für [[Walter Laqueur]] klar gewesen, aber das Tempo und wie weit diese Entwicklung gehen würden, überraschten ihn.<ref>[[Walter Laqueur]]: ''Putinismus: Wohin treibt Russland?'' Verlag Ullstein, 2015, ISBN 978-3-8437-1100-5: „Danilewskis Eintreten für die Expansion Russlands lag weder eine Art geopolitisches Denken noch irgendeine andere der neumodischen Theorien zugrunde, die er schlicht für Unsinn gehalten hätte. Er glaubte vielmehr an spirituelle Werte und eine welthistorische Mission Russlands. Wie Dostojewski hielt der die Russen für das einzige gottesfürchtige Volk und für dasjenige, das die Welt retten würde."</ref>
Dazu kommt das Konzept einer „heiligen Rus", also der Beanspruchung der [[Kiewer Rus]] als Ursprung Russlands.<ref name="Analysen" /> Nach russischen Vorstellungen ist der Platz der Ukraine in der russischen Welt.<ref>Winfried Schneider-Deters: ''Die Ukraine: Machtvakuum zwischen Russland und der Europäischen Union.'' BWV Verlag, 2014, ISBN 978-3-8305-2941-5, S. 41.</ref> Im Falle der Ukraine spricht eine Mehrheit der Russen den Ukrainern gar ab, eine staatsbildende Kraft zu besitzen, und betrachtet sie als Teil ihrer umfassenden orthodoxen russischen Gemeinschaft Russki Mir.<ref>Andreas Kappeler: ''Ungleiche Brüder – Russen und Ukrainer vom Mittelalter bis zur Gegenwart.'' Beck, München 2017, ISBN 978-3-406-71410-8, S. 197.</ref> Der Begriff ''Russki Mir'' kommt in der Präambel der Verfassung der „[[Volksrepublik Donezk]]" gleich vier Mal vor. Nach dem begonnenen Hybridkrieg gegen die Ukraine fand sich die gesamte Bandbreite imperialer Organisationen von ultra-religiös bis linksradikal hinter dem Begriff vereint.<ref name="Analysen" />
== Theoretiker des Putinismus ==
Laut dem französischen Philosophen Michel Eltchaninoff (2015, 2022), der eine Arbeit über den Putinismus verfasst hat, habe Putin als politischer Lenker kein Interesse daran, in Russland eine Staatsideologie nach dem Vorbild des [[Marxismus-Leninismus]] in der [[Sowjetunion]] zu etablieren. Jedoch könne man in seinen Reden und seinem Handeln verschiedene philosophische Einflüsse ausmachen.<ref>Michel Eltchaninoff: ''In Putins Kopf: Logik und Willkür eines Autokraten.'' Aktualisierte Neuausgabe, Stuttgart 2022 [2015], S. 9 f.</ref> Dabei vermenge Putins Ideologie sehr verschiedenartige philosophische Linien miteinander: die [[Weiße Armee|weißgardistischen]] Traditionen [[Iwan Alexandrowitsch Iljin|Iwan Iljins]] (1883–1954), den [[Panslawismus#Russischer Panslawismus|großrussischen Panslawismus]] von [[Nikolai Jakowlewitsch Danilewski|Nikolai Danilewski]] (1822–1885), die Ideen der deutschen [[Konservative Revolution|Konservativen Revolution]] um [[Carl Schmitt]] (1888–1985), [[Ernst Jünger]] (1895–1998) und [[Ernst Niekisch]] (1889–1967), die [[Eurasismus|eurasischen]] Theorien von [[Lew Nikolajewitsch Gumiljow|Lew Gumiljow]] (1912–1992) und [[Alexander Geljewitsch Dugin|Alexander Dugin]] (* 1962) sowie auch Teile des [[Sowjetunion|sowjetischen]] Denkens. Den gemeinsamen Kern aller dieser ideologischen Ansätze sieht Eltchaninoff in „der Idee des Imperiums und der Apologie des Krieges".<ref>Michel Eltchaninoff: ''In Putins Kopf: Logik und Willkür eines Autokraten.'' Aktualisierte Neuausgabe, Stuttgart 2022 [französische Originalausgabe 2015], S. 75 f., 93 f., 104 f., 109, 133.</ref>
Eltchaninoff bewertet Putins Methode, eine eigene „[[Geschichtsbild|Geschichtsphilosophie]]" zu konstruieren, als „Flickenteppich". Insbesondere gebe es ein Spannungsverhältnis zwischen den Hauptzielen der drei hauptsächlichen „Vorbilder" Putins, nämlich dem Panslawismus, dem Eurasismus und dem antimodernen [[Konservatismus]]. Eltchaninoff weist darauf hin, dass Putin zu Beginn der [[Annexion der Krim 2014]] philosophische Schriften an Tausende Funktionäre, Gouverneure und Parteikader in Russland mit einer Lektüreempfehlung verteilen ließ. Es habe sich um die Bücher „Unsere Aufgaben" von [[Iwan Iljin]], „Die Philosophie der Ungleichheit" von [[Nikolai Berdjajew]] und „Die Rechtfertigung des Guten" von [[Wladimir Sergejewitsch Solowjow|Wladimir Solowjow]] gehandelt.
Solowjow habe sich, wie Putin, als „Retter der christlichen Mythen und Religionen gegen die Profanität des Westens" verstanden.
Berdjajew habe die These vertreten, man könne sich nicht von Vergangenheit, Traditionen und Wurzeln der Geschichte trennen.
Die Ideologie Putins bezieht zudem Elemente ein, welche von Philosophen wie [[Nikolai Jakowlewitsch Danilewski|Nikolai Danilewski]] stammen.<ref>„Da wusste ich, dass er einen großen Krieg beginnen wird". Interview des „[[Der Spiegel|Spiegel]]" mit Michel Eltchaninoff. Ausgabe 15/2022. 9. April 2022, S. 116–119. Abgerufen am 14. April 2022</ref>
=== Imperialer Nationalismus nach Iwan Iljin ===
Iwan Iljin gilt als der „Hausphilosoph" des Putinismus, der vom Präsidenten in seinen wichtigsten Reden zitiert wird. Der russische Filmregisseur [[Nikita Sergejewitsch Michalkow|Nikita Michalkow]] soll Putin nach 1998 mit dem Werk Iljins vertraut gemacht haben.<ref>Michel Eltchaninoff: In Putins Kopf. Logik und Willkür eines Autokraten. Aktualisierte Neuausgabe, Stuttgart 2022 [2015], S. 47.</ref> Iljin vertritt in seiner Philosophie eine Mischung aus [[Hegelianismus]], [[Militarismus]] und [[Imperialismus|imperialem]] [[Nationalismus]]. So spricht er einigen „Volksstämmen" die Fähigkeit ab, eigene Staaten zu bilden, u. a. den [[Kroaten]], [[Slowaken]], [[Katalanen]], vor allem aber den im historischen russischen Einflussbereich lebenden [[Balten|baltischen]], [[Kaukasische Sprachen|kaukasischen]], [[Zentralasien|zentralasiatischen]] Völkern wie auch den [[Ukrainer]]n. Diese müssten daher Iljin zufolge unter der Kontrolle ihrer Nachbarstaaten bzw. unter der „natürlichen Kontrolle" Russlands verbleiben. Abspaltungsbestrebungen dieser Völker vom Russischen Reich setzt Iljin ein [[Nationalismus#Ultranationalismus|ultranationalistisches]] „organisches" Nationsverständnis entgegen. Russland sei ihm zufolge kein „künstlich fabrizierter Mechanismus", sondern ein „historisch gewachsener und kulturell gerechtfertigter Organismus". Somit sei eine „Zerstückelung" dieses russischen nationalen Organismus unmöglich, ohne das dieser dabei leide oder zugrunde geht.<ref>Michel Eltchaninoff: In Putins Kopf. Logik und Willkür eines Autokraten. Aktualisierte Neuausgabe, Stuttgart 2022 [2015], S. 57 f.</ref>
Die Gedankenwelt Iwan Iljins, eines russischen Philosophen aristokratischer Herkunft und [[Slawophilie|slawophilen]] Faschisten, beeindrucke Putin am meisten. Iljin habe sich mit der Frage befasst, wie ein postsowjetisches Russland beschaffen sein und welche Eigenschaften ein [[Postkommunismus|postkommunistischer]] Führer haben sollte.
Er beschäftigte sich mit Hegel, fürchtete zugleich das Ideal des Individualismus, beobachtete erschrocken ein Überhandnehmen freiheitlichen Lebensstils und war überzeugt, Russland wäre von einer Ausbreitung der „sexuellen Perversion" bedroht. Er las auch Freud und kam zu der verschrobenen Ansicht, dass die Unterdrückung von Individualität, Sexualität und Hedonismus der Königsweg zu einer guten Gesellschaft wäre. Die Radikalität der Bolschewiki machte auch Iljin zum Extremisten – aber eben auf der Gegenseite, zum Ideologen der „Weißen Armeen", also der konterrevolutionären, zaristischen Militärs, die gegen die Kommunisten kämpfen.
In seinen Schriften im Exil zwischen den zwanziger und den fünfziger Jahren beschwor Iljin zwanghaft die „Wiedergeburt" des „Vaterlandes". Russland war für ihn „Gott, Vaterland und der nationale вождь" (woschd, voždʹ), was so viel wie (wörtlich) Führer, (übertragen) Souverän, Zar heißt; der eben nicht bloß Person, sondern die Verkörperung der staatlichen Macht, der „Einzige" ist, der auch über den morschen Apparaten des Staates steht. Demokratie und Entscheidungen durch Wahlen oder Abstimmungen lehnte er ab. Insbesondere für Russland, denn „Demokratie", „Liberalität" oder „Freiheit" passten nicht zu Russland und seiner „eurasischen Identität". Die Nation wird als organische Einheit imaginiert. Russland sei eine Zivilisation eigener Art, eine Mischung aus der christlich-[[Byzantinisches Reich|byzantinischen]] Kultur und der [[Mongolen|mongolisch]]-asiatischen Lebensart. In den zwanziger und dreißiger Jahren bewunderte Iljin Hitler und Mussolini sowie die faschistische Idee als „rettendes Übermaß an patriotischer Willkür". „Der imperialistische Westen werde das falsche Versprechen von Freiheit nutzen, um Russland Länder wegzunehmen: das Baltikum, den Kaukasus, Zentralasien und vor allem die Ukraine.<ref>Sascha Buchbinder: [https://www.zeit.de/2022/12/iwan-iljin-philosoph-schweiz-russland-wladimir-putin.html ''Er hat’s erfunden.''] ZEIT ONLINE am 17. März 2022, abgerufen am 21. April 2022</ref>" Auf diese hatte Iljin einen regelrechten Hass: Von der Ukraine gehe die größte Gefahr für Verrat und Separatismus aus und sie existiere nur aus Gründen von Ränken und Intrigen als eigenständiges Territorium.
1954 im Schweizer Exil verstorben, war Iljin eigentlich lange vergessen, erst seit den 1990er Jahren wird er in Russland nach und nach wieder verlegt. Vladimir Putin entdeckte ihn bei seiner Suche nach intellektuellen Begründungen seiner neuen Nationalidee und propagiert seitdem Iljins Ideen und zitiert ihn geradezu obsessiv bei nahezu allen seinen Ansprachen.<ref>Robert Misik: [https://cms.falter.at/blogs/rmisik/2022/04/11/putins-brauner-philosoph/?ref=related.html. ''Putin verstehen III.''] Falter am 11. April 2022, abgerufen am 21. April 2022.</ref> Iljins Gebeine wurden nach Russland überführt und Putin legte Blumen an seinem Grab nieder.<ref>{{Literatur |Autor=Konrad Schuller |Titel=Krieg in der Ukraine: „In Berlin wirkt eine koloniale Haltung" |Sammelwerk=FAZ.NET |ISSN=0174-4909 |Online=https://www.faz.net/aktuell/politik/timothy-snyder-zum-ukraine-krieg-parallelen-zwischen-putin-und-hitler-18079215.html |Abruf=2022年06月06日}}</ref>
=== Surkow ===
Der Politiker [[Wladislaw Jurjewitsch Surkow|Wladislaw Surkow]] bezeichnet sich selbst als einen der Autoren dieses Systems.<ref>Peter Pomerantsev: [http://www.theatlantic.com/international/archive/2014/11/hidden-author-putinism-russia-vladislav-surkov/382489/?single_page=true ''The hidden author of Putinism''.] [[The Atlantic]], abgerufen am 19. Dezember 2014.</ref>
Laut [[Robert Misik]] benutzte Surkow als langjähriger Herrscher über die staatlichen Medien bis 2013 seine Kenntnis [[Poststrukturalismus|post]]-[[Strukturalismus|moderner]] französischer Philosophie zynisch, um die Bevölkerung zu manipulieren, zu verwirren und zu lähmen: Das unverdorbene russische Volk sei vor der „überdosierten" und damit verderblichen Freiheit des Westens inklusive seiner „sexuellen Perversion" zu bewahren. Es bedürfe vielmehr einer „souveränen" alias „gelenkten Demokratie"; diese sei eigentlich eine „gute Diktatur". Ab 2014 galt Surkow als Putins persönlicher Berater für den Konflikt in der Ukraine und auch als Erfinder des Vorwurfs eines [[Genozid]]s an der russischen [[Ethnie]] sowie der Idee, „freiwillige" Kämpfer und „Unabhängigkeits"-Marionetten im Donbass zu installieren.
2020 trat er auch von seinem Amt als Ukraine-Beauftragter zurück; seine heutige Rolle ist völlig im Dunkeln.<ref>Robert Misik: [https://cms.falter.at/blogs/rmisik/2022/04/19/der-mann-der-unsere-gehirne-hackt/?ref=related.html. ''Putin verstehen VI.''] Falter am 19. April 2022, abgerufen am 21. April 2022.</ref>
=== Timofej Sergejzew - Sinowjew Klub ===
Georgij Schtschedrowizkij war Student bei [[Alexander Alexandrowitsch Sinowjew]] und gründete eine sektenähnliche Gruppe sogenannter „Methodologen". Daraus entstammt auch der für seinen Aufruf zum Völkermord in der Ukraine<ref>[[Timothy Snyder]]: [https://www.nzz.ch/meinung/snyder-ein-russisches-handbuch-zum-voelkermord-in-der-ukraine-ld.1678933 ''«Ein Nazi ist ein Ukrainer, der sich zuzugeben weigert, dass er Russe ist» – nun gibt es auch eine russische Anleitung zum Völkermord in der Ukraine''], NZZ, 12. April 2022</ref><ref>[https://www.blaetter.de/ausgabe/2022/mai/dokumentiert-was-russland-mit-der-ukraine-tun-sollte]</ref> im April 2022 berühmt gewordene Politikberater ''Timofej Sergejzew'', der schon 2021 zur Entnazifizierung der Ukraine aufrief. Sergejzew gründete mit dem Chefpropagandisten [[Dmitri Konstantinowitsch Kisseljow|Dmitrij Kisseljow]] den „Sinowjew-Klub" für antiwestliche und antiukrainische Propaganda.<ref name="Sinowjew"/> Dort wurde beispielsweise vom Duma-Abgeordneten Dmitri Kulikow 2015 das Ende der Demokratie postuliert.<ref>{{Webarchiv |url= http://de.sputniknews.com/meinungen/20150403/301766513.html |wayback= 20150405230708|text=Demokratie am Ende. Was kommt danach?}}, Sputnik Deutsch, 3. April 2015</ref> Schtschedrowizkijs Sohn Pjotr hingegen war nach dem Machtantritt Putins für die Neuerschaffung des Begriffs der „russischen Welt" verantwortlich.<ref name="Sinowjew">[https://www.blaetter.de/ausgabe/2022/mai/von-faschisten-und-nazis Von »Faschisten« und »Nazis«], [[Blätter für deutsche und internationale Politik|Blätter]], Mai 2022</ref>
=== Alexander Geljewitsch Dugin ===
[[Andreas Umland]] beschrieb bereits 2004 eine Hinwendung russischer Diskussionen hin zum Publizisten [[Alexander Geljewitsch Dugin|Alexander Dugin]]. Anders als die [[Neue Rechte]] in Europa, deren Versuch die Diskurshoheit zu erlangen wenig erfolgreich verlaufen sei, habe Dugin es vermocht „mittels politischer Mimikry tief in den Diskurs des politischen und akademischen Mainstreams der Russländischen Föderation einzudringen" und auch in den Medien und Eliten Rückhalt für Vorstellungen zu gewinnen, die unter dem Zeichen des [[Eurasismus]] Elemente des Faschismus aufwiesen und stark antiwestlich orientiert seien.<ref>Andreas Umland: ''Kulturhegemoniale Strategien der russischen extremen Rechten: die Verbindung von faschistischer Ideologie und metapolitischer Taktik im 'Neoeurasismus' des Aleksandr Dugin.'' In: ''Österreichische Zeitschrift für Politikwissenschaft.'' Band 33, Nr. 4, 2004, S. 437–453.</ref> Dugin suchte und fand schon in den 1990er Jahren die Nähe zur und die Zusammenarbeit mit der [[Generalstab der Streitkräfte der Russischen Föderation|russischen Generalstabsakademie]] – höherrangige Offiziere berieten ihn bei der Verfassung von Texten – und lobte, nachdem er zuvor die Geheimdienste als westfreundlich kritisiert hatte, den kurz zuvor noch von Wladimir Putin geleiteten FSB als „neue Kaste", mit der Aufgabe die Hegemonie der Amerikaner zu verhindern und wieder einen mächtigen eurasischen Staat zu schaffen.<ref>{{Internetquelle |autor=John B. Dunlop |url=https://tec.fsi.stanford.edu/docs/aleksandr-dugins-foundations-geopolitics |titel=Aleksandr Dugin's Foundations of Geopolitics |werk=Freeman Spogli Institute for International Studiesand the Stanford Global Studies Division |hrsg=The Europe Center at Stanford University |datum= |abruf=2022年06月15日}}</ref>
2014 diagnostizierte Umland, dass es zwischen den Vorstellungen Dugins und Putins Überschneidungen gäbe, ohne dass sie identisch wären. Putin begründe den imperialen Herrschaftsanspruch nicht mehr mit den alten Idealen der Sowjetunion, sondern durch eine „eher rechte und offen kulturalistische Ideologie vom angeblich gemeinsamen eurasischen Ursprung und Wertesystem bzw. von einer authentischen eurasischen Zivilisation mit ihren verschiedenen nationalen Variationen" mit dem Ziel einer Eurasischen Union. Der alte Herrschaftsbereich solle so neu begründet werden. Dugin sehe das ähnlich, gehe aber über solch restaurative Ansichten noch weit hinaus, sein vorgestelltes Imperium sei in Begründung und Konzeption neuartig und erinnere an den Faschismus zwischen den Weltkriegen. Die russische Kultur solle von allem Fremden gereinigt werden und ein neuer Typ eines eurasischen und integrierten Menschen geschaffen werden. Das „Ziel der Anhänger Dugins ist eine vollständige Umformung Russlands, des eurasischen Kontinents sowie letztlich der gesamten Welt im Sinne der Vorstellungen einer ‚[[Konservative Revolution|konservativen Revolution]]‘". Insofern sei Dugin revolutionär wo Putin reaktionär bleibe. Dugin injiziere seine Ideologie allerdings äußerst geschickt in Gesellschaft, Eliten und Diskurse: Er verstehe sich dabei nicht als politischer Führer, sondern als Ideengeber, dessen Vorstellungen gefolgt würde, weil sie inzwischen in der Öffentlichkeit hegemonial seien. Putin und Dugin seien mindestens „taktische Verbündete", die Wiedererlangung des alten Reiches sei auch der erste Schritt bei Errichtung des neuen. Dugins Organisationen spielten eine wichtige Rolle im System Putins, dass er ins Moskauer Establishment vordrang und sich halten könne deute darauf hin, dass er zumindest aus dem Umfeld Putins wohlwollende Unterstützung erhalte. Trotz eher spärlicher akademischer Leistungen habe man Dugin zum Professor an der weitrespektierten [[Lomonossow-Universität Moskau|Lomonossow-Universität]] gemacht. Dugin erfülle dazu einen besonderen Zweck für Putin: Gerade der Extremismus duginscher Vorstellungen erlaube es Putin, noch als gemäßigt zu erscheinen. Allerdings sah Umland in dieser Strategie auch für Putin ein Risiko, nämlich das, die gerufenen Geister womöglich nicht mehr loswerden zu können.<ref>{{Literatur |Autor=Andreas Umland |Titel=Das eurasische Reich Dugins und Putins. Ähnlichkeiten und Unterschiede |Datum=2014 |Online=https://portal.dnb.de/opac.htm?method=simpleSearch&cqlMode=true&query=idn%3D1065628501 |Abruf=2022年06月12日}}</ref> Das einflussreiche und der Präsidialverwaltung direkt unterstellte [[Russisches Institut für Strategische Studien|Russische Institut für Strategische Studien]] unter [[Leonid Reschetnikow]], das eine Rolle in der ideologischen Begründung russischer Politik spielt, arbeitete mit Dugin eng zusammen.<ref>{{Internetquelle |autor=Viktor Funk, Interview mit Felix Riefer |url=https://www.fr.de/politik/sowjetisch-imperiale-koepfe-haben-das-sagen-91503268.html |titel=„Sowjetisch-imperiale Köpfe haben das Sagen" im Ukraine-Krieg |werk=Frankfurter Rundschau |datum=27.04.2022 |sprache=de |abruf=2022年06月15日}}</ref>
2022 nach dem Beginn des [[Russischer Überfall auf die Ukraine 2022|Überfalls auf die Ukraine]] bezeichnete [[Micha Brumlik]] Dugin als den „Philosoph[en] hinter Putin". Es sei „höchste Zeit, Wladimir Putin als einen Revolutionär im Geiste des rechtsextremen Dugin zu begreifen". Dugin habe 2014 über Putin, mit dem er durchaus auch Auseinandersetzungen wegen dessen nach Dugins Meinung zu großer Liberalität hatte, ausgesagt, dass dieser letztendlich zu einer Politik gegen den Westen zurückkehren werde. Damit habe Dugin recht behalten.<ref>{{Internetquelle |autor=Micha Brumlik |url=https://www.bpb.de/themen/deutschlandarchiv/506103/der-philosoph-hinter-putin/ |titel=Der Philosoph hinter Putin |werk=Deutschland Archiv |hrsg=Bundeszentrale für politische Bildung |datum=11.03.2022 |sprache=de |abruf=2022年06月12日}}</ref> Nach [[Volker Weiß]] ist zwar unklar, inwiefern Dugins „nationalreligiöses Programm in der Staatsführung tatsächlich Gehör findet. Zu sehr von dieser Mischung scheint sich das Denken dort aber nicht zu unterscheiden, das Russlands Führung zum Angriff trieb."<ref>{{Internetquelle |autor=Volker Weiß |url=https://www.sueddeutsche.de/projekte/artikel/kultur/putin-verstehen-gastbeitrag-zum-krieg-in-der-ukraine-e816302/ |titel=Putin verstehen.Von Alexander Dugin zu Carl Schmitt: Das sind die Ziele von Russlands Eroberungskrieg. |werk=Süddeutsche Zeitung |hrsg=08.04.2022 |sprache=de |abruf=2022年06月13日}}</ref> [[Jason Stanley]] sieht Dugins Beitrag zum Putinismus weniger in direktem politischen Einfluss als darin, dass er Putins geopolitische Ziele und Vorstellungen nachvollziehbar formuliert habe. Beiden gemeinsam sei eine unbedingte Ablehnung des westlichen, [[Kosmopolitismus|kosmopolitischen]], Liberalismus. Dugin habe zu dem beigetragen was nun die dominante Ideologie des Kremls sei.<ref name=":2" />
[[Leonid Luks]] stimmt dem zu. Dugins pseudowissenschaftliches Kreisen um [[Geopolitik]] sei letztlich auf ein eurasisches Großreich und danach - nach Dugins eigenen Worten - final auf den russischen Kampf um die Weltherrschaft gerichtet. Die Entfernung einer unabhängigen Ukraine als Hindernis sei laut Dugin die unbedingte Voraussetzung dafür. Bereits 1997 hatte Dugin in seinem Buch ''Die Grundlagen der Geopolitik'' ein Ende ihrer Eigenstaatlichkeit gefordert. Putins [[gelenkte Demokratie]] habe die Propagierung dieser Vorstellungen erleichtert, dennoch seien sie lange nicht durchgedrungen und Putin sei 2014 entgegen Dugins Wünschen, der die Eroberung [[Neurussland]]s forderte, noch vor einem Großkonflikt mit dem Westen zurückgeschreckt. 2022 jedoch habe sich Putins Kriegspolitik dann tatsächlich dem angenähert, was Dugin seit jeher schon fordert. Putin und Dugin seien sich allerdings auch darin ähnlich, den Kampfeswillen der Ukrainer, die westliche Reaktion und vor allem die USA vollkommen unterschätzt zu haben. Der Gedanke, eine Allianz unzufriedener Staaten in einen Kampf gegen die amerikanische Hegemonie führen zu können, habe sich als Illusion erwiesen.<ref>{{Internetquelle |autor=Leonid Luks |url=https://www.karenina.de/wissen/geschichte/alexander-dugin-putins-ideengeber/ |titel=Alexander Dugin: Putins Ideengeber? {{!}} Karenina |datum=2022年04月11日 |sprache=de-DE |abruf=2022年06月12日}}</ref>
Dugin selbst reagierte auf die Invasion der Ukraine und Putins Verkündung, dass die „unipolare Weltordnung" der USA nun beendet sei, triumphierend: Putin habe sich zu einer „Revolution von oben" entschlossen, die alten „Eliten" Russlands seien erledigt, nun regierten die Eliten Neurusslands, die in eine volle Konfrontation mit dem Westen gingen, die Ukraine bombardierten und asiatische und afrikanische Partner jenseits des Westens suchten. Liberalismus werde demnächst strafbar sein, [[Politische Säuberung|Säuberungen]] stünden an. Alles geschehe wie von den Eurasiern vorgestellt. Putin sei ein Mann, der seine Absichten gekonnt verschleiere, aber handele.<ref>{{Internetquelle |url=https://www.memri.org/reports/russian-anti-liberal-philosopher-dugin-putins-speech-st-petersburg-international-economic |titel=Russian Anti-Liberal Philosopher Dugin On Putin's Speech At St. Petersburg International Economic Forum (SPIEF): 'A Spy Is Taught... To Conceal The Truth' |sprache=en |abruf=2022年06月25日}}</ref>
=== Gebrüder Kowaltschuk ===
Nach einer im Jahr 2022 geäußerten Einschätzung eines russischen Politikwissenschaftlers existiert eine „Handvoll" Geschäftsleute, die so eng mit Wladimir Putin vertraut sind (u. a. weil sie mit Putin eine „bestimmte Weltsicht" und „Vorstellungen von der Zukunft" teilen), dass sie bei Putin wichtige politische Entscheidungen anstoßen können, die anderen Oligarchen nicht vorbehalten sind. Zu der „Handvoll" Geschäftsleute gehörten die Gebrüder [[Michail Walentinowitsch Kowaltschuk|Michail]] und [[Juri Walentinowitsch Kowaltschuk|Juri Kowaltschuk]].<ref>{{Literatur |Autor=Benjamin Bidder |Titel=(S+) Russland: Können die Oligarchen Wladimir Putin stoppen? |Sammelwerk=Der Spiegel |Datum=2022年09月26日 |ISSN=2195-1349 |Online=https://www.spiegel.de/wirtschaft/russland-koennen-die-oligarchen-wladimir-putin-stoppen-a-9ef4e7b2-7896-4de4-b8b0-8dbad65cbb96 |Abruf=2022年09月26日}}</ref>
== Einschätzung des Putinismus und seine mögliche Charakterisierung als faschistisch ==
Der deutsche [[Osteuropäische Geschichte|Osteuropa]]-[[Historiker]] [[Erwin Oberländer]] bezeichnet Putins Russland für das Jahr 2017 als eine „[[Nationalkonservatismus|nationalkonservative]] [[Diktatur]]", die mit dem Begriff „gelenkte Demokratie" nur „schöngeredet" werde.<ref>Erwin Oberländer: ''Autoritäre Regime in Ostmittel- und Südosteuropa 1919–1944.'' 2., um ein Nachwort ergänzte Auflage, Paderborn 2017, S. 689.</ref> [[Stefan Plaggenborg]] sah bereits 2014 nach der Annexion der Krim Analogien zum Aufkommen des italienischen Faschismus.<ref>{{Literatur |Autor=Stefan Plaggenborg |Titel=Wladimir Putins Selbstinszenierung: Die Faschisten sitzen im Kreml |Sammelwerk=FAZ.NET |ISSN=0174-4909 |Online=https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/wladimir-putins-faschistische-selbstinszenierung-12856254.html |Abruf=2022年12月29日}}</ref>
Der [[Politikwissenschaft|Politologe]] [[Taras Kuzio]] (2022) argumentiert, dass Putin sein System hin zum Faschismus wende. 2020 habe er sich durch Verfassungsänderung in einem unfreien Referendum die Möglichkeit gegeben bis 2036 an der Macht zu bleiben, freie Medien seien dem folgend unterdrückt und gemeinsam mit der Opposition zerschlagen worden, damit sei die Schwelle zur Diktatur überschritten. Seit Beginn des Krieges gegen die Ukraine seien dazu Militarismus und Nationalismus nochmal gesteigert worden, Ukrainer würden in der Propaganda dehumanisiert, jeder Gedanke an eine ukrainische Identität werde delegitimiert, auf Völkermord gerichtete Drohungen würden ausgestoßen und ein [[Vernichtungskrieg]] sei begonnen worden. Ähnlich wie Hitler wolle Putin revanchistisch eine als ungerecht betrachtete internationale Ordnung umwerfen. Damit habe Russland sich klassischen Merkmalen des Faschismus angenähert.<ref>{{Internetquelle |autor=Taras Kuzio |url=https://www.atlanticcouncil.org/blogs/ukrainealert/how-putins-russia-embraced-fascism-while-preaching-anti-fascism/ |titel=How Putin’s Russia embraced fascism while preaching anti-fascism |werk=Atlantic Council |datum=2022年04月17日 |sprache=en-US |abruf=2022年06月07日}}</ref> Auch [[Osteuropäische Geschichte|Osteuropahistoriker]] und [[Holocaustforschung|Holocaustforscher]] [[Timothy Snyder]] (2022) hält das System Putins mittlerweile für faschistisch: Einparteienherrschaft, verschwörungstheoretisches Freund-Feind-Denken und die versuchte Auslöschung der Ukraine als Staat mit eigenen Traditionen bis hin zu genozidalen Handlungen wie Deportationen von Kindern nach Russland seien deutliche Indikatoren dafür.<ref name=":0">{{Literatur |Autor=Konrad Schuller |Titel=Krieg in der Ukraine: „In Berlin wirkt eine koloniale Haltung" |Sammelwerk=FAZ.NET |ISSN=0174-4909 |Online=https://www.faz.net/aktuell/politik/timothy-snyder-zum-ukraine-krieg-parallelen-zwischen-putin-und-hitler-18079215.html |Abruf=2022年06月06日}}</ref><ref name=":1">{{Literatur |Autor=Timothy Snyder |Titel=Opinion {{!}} We Should Say It. Russia Is Fascist. |Sammelwerk=The New York Times |Datum=2022年05月19日 |ISSN=0362-4331 |Online=https://www.nytimes.com/2022/05/19/opinion/russia-fascism-ukraine-putin.html |Abruf=2022年06月06日}}</ref> [[Alexander J. Motyl|Alexander Motyl]] sieht das System Russlands gleichfalls als faschistisch an. Faschistische Staaten unterschieden sich von anderen [[Autoritarismus|autoritären]] oder [[Totalitarismus|totalitären]] Systemen dadurch, dass sie von einem charismatischen Personenkult geprägt seien, was für Putins Russland zutreffe,- auch wenn der erkennbar alternde Putin Schwierigkeiten habe das hypermaskuline Bild aufrechtzuerhalten.<ref>{{Internetquelle |autor=Alexander Motyl |url=http://theconversation.com/yes-putin-and-russia-are-fascist-a-political-scientist-shows-how-they-meet-the-textbook-definition-179063 |titel=Yes, Putin and Russia are fascist – a political scientist shows how they meet the textbook definition |sprache=en |abruf=2022年06月08日}}</ref><ref>{{Internetquelle |autor=Alexander J. Motyl |url=https://www.politico.com/news/magazine/2022/03/14/lets-call-putin-fascist-autocrat-00016982 |titel=Opinion {{!}} Putin Isn’t Just an Autocrat. He’s Something Worse. |sprache=en |abruf=2022年06月08日}}</ref> Der Philosoph und Faschismusforscher [[Jason Stanley]] bejaht die Charakterisierung des Putinismus als faschistisch, da Putin starke Anleihen beim faschistischen Denken [[Alexander Geljewitsch Dugin|Alexander Dugins]] genommen habe und dieses nun die dominante Ideologie des Kreml sei.<ref name=":2">{{Internetquelle |autor=Jason Stanley und Eliyahu Stern |url=https://www.tabletmag.com/sections/news/articles/putins-fascism |titel=Putin's Fascist Ideology |werk=Tablet Magazine |datum=2022年03月21日 |abruf=2022年06月08日}}</ref>
Der russische Ökonom und Soziologe [[Wladislaw Leonidowitsch Inosemzew|Wladislaw Inosemzew]] sieht in Putin einen Faschisten im klassischen Sinne. Da er nicht [[Rassismus|rassistisch]] argumentiere, sondern kulturalistisch, sei er nicht mit Adolf Hitler zu vergleichen, sondern mit Benito Mussolini. Ausgehend von der Faschismusdefinition nach [[Robert Paxton]] macht Inosemzew bei Putin eine besessene Beschäftigung mit einer als demütigend erfahrenen Geschichte und ein Bündnis von aggressiven Nationalisten mit alten Eliten aus, verbunden mit (einst von [[Umberto Eco]] für den Faschismus entwickelten) Merkmalen wie des Kultes der Tradition bei gleichzeitigem Verschwörungsdenken und Brandmarkung von Abweichung als Verrat. Vier Säulen des Systems seien auszumachen: Das Ziel alle identifizierten Russen in einem einzigen Staat zu vereinen und diesen zu militarisieren, das Fortschreiten der beherrschenden Rolle des Staates in der Wirtschaft hin zu korporativen Strukturen (was an Vorstellungen [[Giovanni Gentile]]s erinnere), die Reorganisation der Staatsverwaltung zu „Vollstreckungsbehörden" wie Streitkräften, [[Nationalgarde (Russland)|Nationalgarde]], weiteren paramilitärischen Organisationen wie Privatarmeen oder „ethnischen Garden" wie den Soldaten [[Ramsan Achmatowitsch Kadyrow|Ramsan Kadyrows]] und den Geheimdiensten, die allesamt von Vertrauten Putins geleitet und in der Verfassung teilweise nicht mal erwähnt würden und viertens die Staatspropaganda mitsamt Festschreibung politischer und historischer Narrative.<ref>{{Internetquelle |autor=Wladislaw Inosemzew |url=https://www.nzz.ch/meinung/wladimir-putin-ist-ein-faschist-wie-er-im-lehrbuch-steht-ld.1673256 |titel=Der Faschismus ist das, was folgt, nachdem sich der Kommunismus als Illusion erwiesen hat Wladimir Putin ist ein gelehriger Schüler Mussolinis |werk=Neue Zürcher Zeitung |datum=10.03.2022 |abruf=08.06.2022}}</ref>
Die beiden [[Faschismustheorie|vergleichenden Faschismusforscher]] [[Roger Griffin]] und [[Stanley Payne]] (2022) hingegen lehnen auch im Kontext des [[Russischer Überfall auf die Ukraine 2022|russischen Überfalls auf die Ukraine 2022]] eine Einordnung Putins als „Faschisten" ab, da seine Ideologie nicht [[Revolution|revolutionär]], sondern [[Reaktion (Politik)|reaktionär]] ausgerichtet sei. Zwar hält Payne fest, dass Putins Regime das seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges „nächstliegende Analogon zum Faschismus in einem großen Land" darstellen würde. Dem Vergleich mit Mussolini und Hitler hält Payne dennoch entgegen, dass Putin „als Apparatschik aufgewachsen" und somit „ein Produkt des russischen Staates" sei, der keine „dynamische und charismatische Bewegung im faschistischen Stil" aufgebaut habe. Payne konstatiert, Putins politisches System sei „eher eine Wiederbelebung des Glaubensbekenntnisses von Zar Nikolaus I. im 19. Jahrhundert, der [[Orthodoxie, Autokratie, Nationalität|Orthodoxie, Autokratie und Nationalität]] betonte, als eines, das den revolutionären, modernisierenden Regimen von Hitler und Mussolini" ähnelt. Roger Griffin hält an einer Betrachtungsweise des Putin-Regimes als [[illiberale Demokratie]] fest und sieht Russland stattdessen ideologisch in einer Reihe mit [[Narendra Modi]]s [[Indien]]. Man könne jedoch laut Griffin auch einen Vergleich zum ultranationalistischen Regime Japans während des Zweiten Weltkrieges ziehen, das ebenfalls einige Elemente des Faschismus übernahm, ohne aber selbst zu einem authentisch faschistischen Regime zu werden. Anders als beim revolutionären Ultranationalismus der Faschisten, würden diese Staatsführer nicht versuchen, das bisherige System zu zerstören, sondern es stattdessen aushöhlen und in ihrem Sinne benutzen.<ref>Robert Coalson: [https://www.rferl.org/a/russia-repressive-aggressive-not-fascist/31794918.html ''Nasty, Repressive, Aggressive - Yes. But Is Russia Fascist? Experts Say ‘No.‘''] In: [[Radio Free Europe]], 9. April 2022, abgerufen am 7. Juni 2022.</ref>
Der französische Philosoph Michel Eltchaninoff (2022) sieht in seinem Buch zum Putinismus dessen Verhältnis zum Faschismus kritisch. Er folgt dem Urteil des russischen Historikers [[Nikolai Alexandrowitsch Mitrochin|Nikolai Mitrochin]], demzufolge die Philosophie Iwan Iljins für das Putin-Regime die „russische Alternative zum Faschismus" darstelle. So sei Iljin von seiner kurzzeitigen Bewunderung für Mussolini und Hitler zwar wieder abgerückt, habe aber anschließend in [[Antonio de Oliveira Salazar|Salazars]] Portugal und [[Francisco Franco|Francos]] Spanien seine Vorbilder gesehen. Damit liefere er dem Putinismus eine Möglichkeit, „den Faschismus zu umgehen und doch ganz eng mit ihm zu verkehren".<ref>Michel Eltchaninoff: ''In Putins Kopf: Logik und Willkür eines Autokraten.'' Aktualisierte Neuausgabe, Stuttgart 2022 [2015], S. 51 f.</ref> Jedenfalls stelle sich im Kontext von Putins Diskurs, so Eltchaninoff weiter, erneut die Frage nach den noch wenig erforschten Verbindungen zwischen einem Teil der [[Weiße Armee|weißgardistischen]] Emigration, dem Faschismus und dem Nationalsozialismus.<ref>Michel Eltchaninoff: ''In Putins Kopf: Logik und Willkür eines Autokraten.'' Aktualisierte Neuausgabe, Stuttgart 2022 [2015], S. 203.</ref>
Der Journalist [[Michael Thumann]] erklärt in der Morgenkolumne von [[Zeit Online]] am 10. Juni 2022, weshalb er den Putinismus nicht für Faschismus hält: Zwar gebe es, wie Snyder ausführt, durchaus Analogien, doch sei dessen Argumentation unscharf und sein Faschismusbegriff überdehnt. Thumanns Moskauer Beobachtungen stimmten damit nicht überein. Er habe da „noch keine quasi staatlichen Milizen" wie SA oder „Fasci di Combattimento" gesehen, die die Menschen terrorisierten. Auch fehle dem Putinismus eine klare Ideologie. Putins dürftige Geschichtsaufsätze seien ein „abgeschriebenes Sammelsurium von Halb- und Unwahrheiten." Er sei „ein »neuer Nationalist«, der sich seinen Nationalismus je nach Lage und Opportunität zusammenmixt". Es gebe keinen naziartigen Totenkult; vielmehr werden die Gefallenen im Ukraine-Krieg „nicht geehrt und gefeiert, sondern versteckt und vergraben." Putin „überhöht den Krieg nicht als das Ziel menschlichen Daseins", sondern verpackt seinen Angriffskrieg als Operation und scheut bisher die Generalmobilmachung. Das „passt auf ein verwandtes System: die Gewaltherrschaft eines Mannes. Eine Diktatur" nach dem Vorbild seiner russischen ultraautoritären Vorgänger.<ref>{{Internetquelle |autor=Michael Thumann |url=https://t.mailing.zeit.de/nl2/0mpq9/n5h.html?m=AUwAAFUQ66IAAAAAsc4AAAYmYXAAAAAAP8YAADexABtP_QBiotnhJteeqNS5Qee9K_rmmr48JwAHyOU&b=6778a052&e=19054dc4&x=bdA2bcaVeIy1RR1iqonWeQ |titel=''Ideologisch flexibel'' |datum=2022年06月10日 |abruf=2022年06月12日}}</ref>
[[Ulrich Herbert]] lehnt eine Charakterisierung des Systems Putins als faschistisch gleichfalls ab, dazu fehle es an einer tragenden Massenbewegung. Vergleiche mit Hitler seien disproportional, es sei falsch jede brutale Rechtsdiktatur als faschistisch zu bewerten.<ref>{{Literatur |Autor=Stefan Reinecke |Titel=Historiker über Putins Ukraine-Krieg: „Mit Hitler hat das nichts zu tun" |Sammelwerk=Die Tageszeitung: taz |Datum=2022年07月01日 |ISSN=0931-9085 |Online=https://taz.de/Historiker-ueber-Putins-Ukraine-Krieg/!5861372/ |Abruf=2023年04月02日}}</ref> Andreas Buller wiederum wendet sich dem Studium der Moral und Sprache des Putinismus zu, dessen moralische Ursprünge er sowohl in der Ethik des Bolschewismus als auch in der Ideologie des Nationalsozialismus findet.<ref>{{Literatur |Autor=Andreas Buller |Titel=Morality and Language of Totalitarianism
Moral Basics of Putinism |Band=Zeitdiagnosen 69 |Verlag=LIT Verlag |Ort=Berlin |Datum=2023 |ISBN=978-3-643-91447-7}}</ref>
== Siehe auch ==
== Siehe auch ==
* [[St.-Petersburg-Connection]]
* [[St.-Petersburg-Connection]]
* [[Datschen-Kooperative „Osero"]]
* [[Liste von Regierungsformen in Europa mit verschiedenen Vergleichsindices]]
* Mikhail Suslov: ''Putinism: Post-Soviet Russian Regime Ideology.'' Routledge, London 2024, ISBN 978-1-032-15388-9.
* [[Stéphane Courtois]], Galia Ackerman (Hrsg.): ''Schwarzbuch Putin.'' Piper, München 2023, ISBN 978-3-492-07098-0.
* Michel Eltchaninoff: ''In Putins Kopf: Logik und Willkür eines Autokraten.'' Aktualisierte Neuausgabe, Tropen Sachbuch, Stuttgart 2022 [französische Originalausgabe 2015], ISBN 978-3-608-50182-7.
* [[Timothy Snyder]]: ''Der Weg in die Unfreiheit: Russland, Europa, Amerika.'' Beck, München 2018, ISBN 978-3-406-72501-2 ([https://www.hsozkult.de/review/id/reb-27806?title=t-snyder-der-weg-in-die-unfreiheit Rezension]).
* Brian Taylor: ''The Code of Putinism.'' Oxford University Press, New York 2018, ISBN 978-0-19-086731-7.
* [[Walter Laqueur]]: ''Putinismus: Wohin treibt Russland?'' (Originaltitel: ''Putinism, Russia and Its Future with the West'', 2015, übersetzt von Klaus-Dieter Schmidt). Propyläen, Berlin 2015, ISBN 978-3-549-07461-9.
* Ronald J. Hill, Ottorino Cappelli (Hrsg.): ''Putin and Putinism.'' Routledge, Abingdon (Oxfordshire) 2013.
* Ronald J. Hill, Ottorino Cappelli (Hrsg.): ''Putin and Putinism.'' Routledge, Abingdon (Oxfordshire) 2013.
* Marcel H. Van Herpen: ''Putinism: The slow rise of a radical right regime in Russia.'' Palgrave Macmillan, Basingstoke 2013.
* Marcel H. Van Herpen: ''Putinism: The slow rise of a radical right regime in Russia.'' Palgrave Macmillan, Basingstoke 2013.
* Richard Sakwa: ''Russian Politics and Society.'' Routledge, London, New York 2008.
* Richard Sakwa: ''Putin’s Leadership. Character and Consequences.'' In: Europe-Asia Studies, 60.2008, Nr. 6 (Sonderausgabe: Power and Policy in Putin’s Russia), S. 879–897.
* Richard Sakwa: ''The Dual State in Russia.'' In: Post-Soviet Affairs, 26.2010, Nr. 3, S. 185–206.
* Richard Sakwa: ''The Crisis of Russian Democracy. The Dual State, Factionalism and the Medvedev Succession.'' Cambridge University Press, Cambridge 2011.
* Richard Sakwa: ''The Crisis of Russian Democracy. The Dual State, Factionalism and the Medvedev Succession.'' Cambridge University Press, Cambridge 2011.
* Richard Sakwa: ''(削除) Modernisation, (削除ここまで)(削除) neo-modernisation, (削除ここまで) and (削除) comparative democratisation in Russia (削除ここまで).'' (削除) In: East European Politics (削除ここまで), (削除) 28.2012, (削除ここまで)(削除) Nr. (削除ここまで)(削除) 1, (削除ここまで)(削除) S. (削除ここまで)(削除) 43–57 (削除ここまで).
* Richard Sakwa: ''(追記) Russian (追記ここまで) (追記) Politics (追記ここまで) and (追記) Society (追記ここまで).'' (追記) Routledge (追記ここまで), (追記) London (追記ここまで) (追記) / (追記ここまで) (追記) New (追記ここまで) (追記) York (追記ここまで) (追記) 2008 (追記ここまで).
* [[Hannes Adomeit]]: ''Ukraine und Russland. Russische Außen- und Sicherheitspolitik unter Putin'' ([https://www.bmlv.gv.at/pdf_pool/publikationen/14_sr5_10.pdf online (PDF, 27 S.)]), o. J.
* [[Walter Laqueur]]: ''Putinismus: Wohin treibt Russland?'' (Originaltitel: ''Putinism, Russia and Its Future with the West'', 2015, übersetzt von Klaus-Dieter Schmidt), Propyläen, Berlin 2015, ISBN 978-3-549-07461-9.
== Weblinks ==
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{{Commonscat|Putinism|Putinismus}}
* [[Alexander Etkind]]: [http://www.nzz.ch/aktuell/startseite/eine-praeventive-konterrevolution-1.18275438 ''Gastkommentar zum Putinismus: Eine präventive Konterrevolution''] (Neue Zürcher Zeitung)
* [[Alexander Etkind]]: [http://www.nzz.ch/aktuell/startseite/eine-praeventive-konterrevolution-1.18275438 ''Gastkommentar zum Putinismus: Eine präventive Konterrevolution'']. [[Neue Zürcher Zeitung]]. 2. April 2014
* [[Richard Herzinger]]: [https://www.welt.de/politik/ausland/article128121588/Feuerkopf-Levy-stellt-Putinismus-an-den-Pranger.html ''Feuerkopf Lévy stellt Putinismus an den Pranger''] (Die Welt)
* [[Richard Herzinger]]: [https://www.welt.de/politik/ausland/article128121588/Feuerkopf-Levy-stellt-Putinismus-an-den-Pranger.html ''Feuerkopf Lévy stellt Putinismus an den Pranger'']. [[Die Welt]]. 17. Mai 2014
* [[Wladimir Borissowitsch Pastuchow|Wladimir Pastuchow]]: [https://www.nzz.ch/meinung/die-blumen-des-sowjetischen-boesen-russland-braucht-einen-exorzismus-ld.1678746 ''Gastkommentar: Die Blumen des postsowjetischen Bösen – Putins Herrschaft beruht auf den ideologischen Zersetzungsprodukten der wilden neunziger Jahre. Russland braucht einen Exorzismus'']. Neue Zürcher Zeitung. 10. April 2022
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in der Zusammenfassung fehlt was im Lemmatext u.a. mit „unter anderem durch eine betont anti-westliche Haltung, eine engere Verbindung zur orthodoxen Kirche und das Eintreten für konservative kulturelle und Familienwerte" bezeichnet wird – also die wichtige Rolle der russisch orthodoxen Kirche, ebenso wie die sogenannten Gesetze gegen „homosexuelle Propaganda", des Weiteren Putins Verhältnis zum Stalinismus Stichwort Neostalinismus.
Als Putinismus (russischПутинизм) bezeichnen verschiedene Autoren das politische System und die ideologische Untermauerung der Herrschaft von PräsidentWladimir Putin in Russland seit dem Jahr 2000. Alternative Bezeichnungen sind Putin-Regime, System Putin oder Moskauer Regime.
Der Putinismus war seit Beginn seines Auftretens bedeutenden innen-, außen- und wirtschaftspolitischen Entwicklungen unterworfen. Der anfängliche klassische Putinismus (2000–2008) deckt die ersten zwei Amtszeiten Putins als Präsident ab und wies noch bestimmte Elemente liberaler Politik auf. Darauf folgte die ideologisch undefinierte Tandem-Phase (2008–2012), also die Doppelherrschaft Putins mit Dmitri Medwedew. Die anschließende und bis heute fortdauernde Phase wird als entwickelter Putinismus bezeichnet, die von autoritäremKonservatismus, Militarismus und imperialemNationalismus geprägt ist.
Als der russische Präsident Boris Jelzin am 31. Dezember 1999 zurücktrat, übernahm der damalige Ministerpräsident Putin, den Jelzin zu seinem Nachfolger bestimmt hatte, dessen Amtsgeschäfte zunächst kommissarisch. Der Begriff Putinismus wurde kurz danach geprägt. Als erster[1] verwendete ihn der russische Mathematiker und Publizist Andrei Piontkowski, der später mehrere Bücher über Putin geschrieben hat. Am 11. Januar 2000 erschien in der Sowetskaja Rossija ein Artikel von Piontkowski, der am selben Tag auch auf der Website der Partei Jabloko zu lesen war. In der Überschrift dieses Artikels definierte Piontkowski den von ihm so genannten Putinismus als „das höchste und letzte Stadium des Räuber-Kapitalismus in Russland". Er erklärte, dies sei das Stadium, in dem das Bürgertum „die Flagge der demokratischen Freiheiten über Bord wirft". Weitere Merkmale des Putinismus seien die „Konsolidierung" der Nation durch Hass gegen ethnische Minderheiten, die Bekämpfung der Redefreiheit, „Gehirnwäsche", die Selbstisolation von der Außenwelt und weiterer wirtschaftlicher Niedergang. Im selben Artikel verglich Piontkowski Jelzin mit Hindenburg, der Hitler zur Machtergreifung verholfen hatte.[2]
Der französische Philosoph Michel Eltchaninoff bezeichnet die ideologische Untermauerung des russischen Putin-Regimes in seinem 2015 erschienenen Buch Dans la tête de Putin (2016 und 2022 auf Deutsch unter dem Titel In Putins Kopf) ebenfalls als Putinismus.[3]
Der Osteuropaexperte Richard Sakwa unterschied 2013 im als Putinismus bezeichneten politischen System Russlands vier Phasen, wobei er für die ersten beiden Phasen zwischen den Jahren 2000 und 2008 die Bezeichnung klassischer Putinismus verwendet. In dieser Zeit sei die historische Entwicklung des Regimes noch offen gewesen. Als dritte Phase des Putinismus nennt Sakwa die „Tandem-Regierung", also die Doppelherrschaft während der Präsidentschaft Dmitri Medwedews mit Putin als Ministerpräsidenten von 2008 bis 2012. Für die bisher letzte Phase seit 2012 verwendet Sakwa den Begriff „entwickelter Putinismus". Sakwa betont die Kontinuität der Entwicklung, die schon mit Boris Jelzin 1991 begann und von Anfang an bei der Steuerung der politischen Prozesse bestimmte autoritäre Elemente aufwies. „Beide (Jelzin und Putin) haben versucht, die konkurrierenden Ansprüche zu steuern, nämlich den Drang nach politischer Partizipation und sozialer Sicherung einerseits, und die Fragmentierung des postsowjetischen Eurasiens sowie die neuen sicherheitspolitischen Herausforderungen auf internationaler Ebene andererseits." Wahlen stellten seit 1991 „einen sekundären Vorgang zur Legitimierung des Status quo dar".[4]
In seiner entwickelten Form wies der Putinismus nach Sakwa „neue Methoden des politischen Managements" auf: die Strategie selektiven Zwangs gegen Führungspersönlichkeiten der Opposition wie Alexei Nawalny, die Strategie der Beschränkung etwa des Demonstrationsrechts und des Aktienbesitzes im Ausland. In der Strategie der Kooptation sei die Allrussische Volksfront wichtigster „Kooptierungsmechanismus". In der Strategie des Überzeugens seien ideologische Initiativen unternommen worden, „unter anderem durch eine betont antiwestliche Haltung, eine engere Verbindung zur orthodoxen Kirche und das Eintreten für konservative kulturelle und Familienwerte". Sakwa diagnostiziert, diese Phase sei von Stagnation, Unterdrückung des Pluralismus und Korruption gekennzeichnet. Alternative sei ein „Putinismus ohne Putin" als fünfte Phase durch anhaltenden „Druck demokratischer Bewegungen, begleitet von einer Wiederbelebung des Verfassungsstaates" oder „Revolution und Kollaps".[5] Zu Beginn glaubten Liberale an Fortschritt durch Putin. Über die Jahre wurden die konservativen Bevölkerungsschichten im peri-urbanen und ländlichen Raum zu seinen Unterstützern.[6]
Auch Michel Eltchaninoff (2022) macht im Putinismus verschiedene Phasen aus. So hätten Putins Ansichten ab 2013 eine „konservative Wende" genommen, und seit 2014 sei Putin „zum Imperialisten" geworden.[7]
Samuel P. Huntington sah 2002 Putins Verhältnis zum Westen als wesentliches Merkmal des Putinismus. Während Jelzin sich mit dem Westen ideologisch und kulturell identifiziert habe, sei Putin bloß ein Pragmatiker: „Wenn es ihm passt, kooperiert er mit den USA, mit dem Westen"; er könne aber auch genau das Gegenteil tun.[8]
Der deutsche Politikwissenschaftler Manfred Sapper beschrieb in einem Rückblick auf das Jahr 2012 den Putinismus anhand von vier Unterschieden zur realsozialistischen Diktatur in der Sowjetunion: An die Stelle der Partei sei „eine Vielzahl von Klans, Seilschaften und Netzwerken" getreten, „die ihre materiellen Interessen befriedigen, indem sie ökonomisch relevante Ressourcen wie die exportfähigen Rohstoffbranchen kontrollieren" und sich aus den Erlösen bereichern. Es gebe keine messianische Ideologie mehr. Zwar werde keine „Massengewalt" angewendet, aber Willkür und Repression seien an der Tagesordnung. Und: Die Grenzen seien offen – man könne das „System Putin" verlassen.[9]
Marcel H. Van Herpen, Direktor der Cicero Foundation[11], verglich den Putinismus mit anderen Regierungsformen. Im Jahr 2013 beschrieb er Übereinstimmungen des Putinismus mit Merkmalen des Bonapartismus, des italienischen Zwischenkriegsfaschismus und des Berlusconismus.[12] Mit dem Regierungssystem Napoleons III. sah er insofern Gemeinsamkeiten, als auch der Bonapartismus durch einen allgegenwärtigen Geheimdienst, Zensur der Medien, ein formelles Mehrparteiensystem mit schwacher Stellung des Parlaments und ein Streben nach Vergrößerung des Territoriums sowie militärische Abenteuer gekennzeichnet gewesen sei. Der Putinismus sei aber moderner, da die physische Repression durch Steuerung der öffentlichen Meinung über die Medien und Wahlmanipulationen ersetzt worden sei.[13]
Der putinistische Politiker Wjatscheslaw Wolodin betonte die zentrale Rolle Putins und sagte im Oktober 2014 zuspitzend: „Wenn es Putin gibt, dann gibt es Russland. Wenn es Putin nicht gibt, gibt es auch Russland nicht."[14]
Alan Posener von der Welt schrieb im Zusammenhang mit der Diskriminierung von Minderheiten in Russland: „Der Putinismus lebt davon, außen- und innenpolitische Feinde zu schaffen und sie propagandawirksam niederzuringen."[15]
Für Walter Laqueur war schon früh nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion klar, dass in Russland keine (westliche) Demokratie entstehen würde.[16] Er wunderte sich nur über die Geschwindigkeit des Wandels des politischen Systems und seiner Ideologie, „vom Kommunismus zum Staatskapitalismus, vom Internationalismus zum Nationalismus und dieser getragen von einem bedeutenden Einfluss der orthodoxen Kirche". Russland sei 2015 wieder eine Diktatur, „autoritär, aber nicht faschistisch".[17] Allerdings verfüge dieses autoritäre System mit seiner Ideologie über ein Sendungsbewusstsein, „eine Bemühung, Russlands Sendung weiter zu führen", wobei diese Sendung für Laqueur „abgesehen vom weitverbreiteten Glauben, dass der Westen dekadent sei" noch schwammig blieb. Russland müsse aber gemäß Überzeugung seiner Führung eine „moralische und kulturelle Führungsrolle" spielen, da der Westen seine Werte aufgegeben habe. Laqueur postulierte eine Überzeugung des Kremls, wonach die Daseinsberechtigung Russlands direkt von dieser Führungsrolle abhinge.[16]
Anne Applebaum diagnostizierte 2013, dass liberale und kapitalistische Elemente wie die Existenz von Börse und Banken unter Putin immer nur scheinbar und oberflächlich seien, an einem Rechtsstaat und echtem Unternehmertum habe Putin kein Interesse. Russland ähnele keiner Marktökonomie, sondern sei ein feudaler Rohstoffstaat analog Saudi-Arabien. Die feudale Machtausübung werde nicht durch westliche Sicherheitspolitik oder gar militärische Angriffe bedroht, sondern durch die Rhetorik westlicher Demokratie, die Autokratien weltweit durch ihre Attraktivität für die Bevölkerungen bedrohe. Putins Auffassungen ähnelten denen des langjährigen KGB-Chefs Juri Andropow, der als technokratischer Modernisierer dennoch gerade in demokratischen Diskussionen eine herrschaftsgefährdende Gefahr insbesondere für die Tschekisten des KGB gesehen hatte. Die Vorstellung, dass demokratische Dissidenten vom Westen gesteuert würden, sei durchaus die tatsächliche Meinung Putins. Er habe im Gegenzug weltweiten Rückhalt in autoritären Systemen aufgebaut, deren Existenz er sichern wolle und denen sein Modell attraktiv erscheine, er versuche ferner erfolgreich, die für sein Russland charakteristische Korruption zwecks Einflussgewinnung auf den Westen auszudehnen. Propagandistische Mobilisierung gegen den Westen diene der Immunisierung der eigenen Bevölkerung gegen demokratische Bestrebungen.[18]
Der exilierte OligarchMichail Chodorkowski, einer der größten Kritiker Putins, bezeichnete im März 2017 das unter Putin etablierte Herrschaftssystem als „feudalistisch-kriminell".[19] Im Buch Der Weg in die Unfreiheit (2018) legt Timothy Snyder dar, dass eine an rechtsradikal-faschistische Theorien anknüpfende, großrussisch-„eurasische" Ideologie den Kern des heutigen Putinismus bildet.[20]
Der ehemalige Präsidentenberater Wladislaw Leonidowitsch Inosemzew erkannte schon 2018 kein Ziel in Putins Politik, außer es wäre jenes, in einem Land, das nicht einmal den Schein einer Demokratie wahre, Diktator zu werden.[21] Russland sei 2021 „keine moderne europäische Gesellschaft: Es ist ein ehemaliges Imperium, das nie ein Nationalstaat war". Es sei auch keine demokratische Republik, sondern ein Handelsstaat, der den Herrschern gehöre, Putin habe mit loyalen Silowiki Russland im Handstreich übernommen. Putin sei auch „kein Politiker oder gar Militär [], sondern ein Spion, der weniger an Institutionen und Hierarchien, sondern mehr an Loyalität und Netzwerke" glaube: Aufgrund seiner eigenen Handhabe glaube Putin, „dass die Welt von Menschen regiert wird und nicht von Institutionen".[22] Im Frühjahr 2022 erklärte Inosemzew, Russland erfülle nun „mustergültig den Katalog dessen, was Faschismus ausmacht".[23]Stefan Meister nannte das Regime um Putin „zunehmend faschistisch" und ging davon aus, dass Angst die russische Gesellschaft vermehrt prägen werde.[24]
Auch der polnische Schriftsteller Szczepan Twardoch bezeichnete Russland 2022 als eine „faschistischeDiktatur ... mit allen Attributen einer solchen: staatlichem Nationalismus, fehlender Opposition, militärischer Indoktrinierung der Jugend schon im frühesten Alter, Arbeitslagern und Mord an politischen Gegnern".[25] Der russische Dichter Dmitri Lwowitsch Bykow hatte schon Ende 2019 festgestellt, dass die Russische Gesellschaft in der ihr innewohnenden Trägheit entlang der herrschenden Propaganda in „rasendsten Faschismus" abgleite.[26]
Für den Osteuropahistoriker Karl Schlögel handelt es sich beim Putinismus um „eine Gewaltordnung nach dem Ende des Kontinentalimperiums und eines staatssozialistischen Systems". Korruption und Kleptokratie seien im System angelegt. Der Präsident stehe an der Spitze eines Polizeistaats mit pseudodemokratischen Strukturen. Schlögel spricht von einer sowjetisch-stalinistischen DNA der heutigen russischen Gewaltherrschaft – mit gezielter Tötung von Oppositionellen, wieder alltäglich werdender Gewalt in Gefängnissen und Lagern, Verschwörungsmythen und willkürlicher Mobilisierung für den Krieg. Schlögel betont auch die kulturelle Dimension und Hegemonie des Putinismus: „die Mixtur aus Putins orthodoxer Pseudo-Frömmigkeit, die Verleihung von Orden für die Verantwortlichen von Massakern wie in Butscha, den Terror, die allabendlichen Hetzsendungen im russischen Fernsehen mit einem unvorstellbaren Vokabular und die Schamlosigkeit, mit der gelogen wird."[27]
Das Konzept manifestierte sich durch einen Gesellschaftsvertrag, bei welchem mit der Regierungsform der gelenkten Demokratie vor allem die Stabilität von Staat und Gesellschaft erreicht werden sollte, dies bei einem Vorrang der öffentlichen Ordnung vor individuellen Freiheiten und damit einher gehenden Einschränkungen bei der Verwirklichung der Menschenrechte in Russland. Stillschweigend nahmen die Russen die Finanzierung von Sozial- und Rüstungsausgaben durch die verstaatlichte Rohstoffausbeutung hin.[28] Respektlosigkeit gegenüber Behörden wurde auch im Internet strafbar.[29]
Ein in der Vorbereitung befindliches Präsidialdekret zur Kultur und gegen die Bedrohungen durch einen angeblichen „Kult der Selbstsucht, Freizügigkeit und Unmoral" wurde im Februar 2022 vorerst gestoppt.[30] Das Dekret sollte „traditionelle spirituelle und moralische Werte" (Patriotismus, Dienst am Vaterland und Verantwortung für sein Schicksal, hohe moralische Ideale, eine starke Familie, die Priorität des Spirituellen vor dem Materiellen, das historische Gedächtnis, die Einheit der Völker Russlands) festlegen. Kritisch betrachtet ziele das Projekt darauf ab, die Institution der ideologischen Politoffiziere und der offiziellen staatlichen Zensur wiederherzustellen.[31]
Kulturschaffende monierten, daraus folge, dass alles Kreative, das nicht mit der Bewahrung traditioneller Werte zusammenhänge, unnötig und damit implizit verboten sei.[32]
Nach Ansicht von Ulrich Menzel steht eine revisionistische Politik der Errichtung einer Einflusssphäre im postsowjetischen Raum im Zentrum des Putinismus. Dazu nutze Putin sowohl politische Mittel (z. B. Konfrontation in der UNO) als auch wirtschaftliche (z. B. Energierohstoffexporte) und militärische Methoden (z. B. Krieg in der Ukraine seit 2014).[33]
Das Putin-Regime sieht die Rolle westlicher Länder und Bündnisse kritisch. Es behauptet, die NATO-Osterweiterung wäre eine Bedrohung der Sicherheit Russlands. Nach der Intervention im Kaukasuskrieg 2008 mit Georgien machte die Machtpolitik 2014 auch vor der Annexion der Krim, eines Gebietes des heute unabhängigen Staates Ukraine, nicht halt. Dabei werde, wie die deutsche BundeskanzlerinAngela Merkel kommentierte, „das Recht des Stärkeren" gegen die „Stärke des Rechts" gestellt.[34]
Als Putin-Doktrin lässt sich die strategische Absicht erkennen, die seit 1990 entstandene Sicherheitsstruktur Europas grundlegend zu verändern. Am 24. Februar 2022 begannen russische Streitkräfte auf Befehl von Putin einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg auf die Ukraine. Der dem Kreml nahestehende Sergej Karaganow schrieb am gleichen Tag, mittels konstruktiver Zerstörung solle die bisherige Sicherheitsarchitektur aufgehoben werden. Die Ende 2021 im Rahmen der Ukrainekrise erfolgte ultimative Aufforderung an die NATO, den Aufbau militärischer Strukturen nahe Russland generell zu unterlassen und auf jede Erweiterung im Osten zu verzichten, sei der Beginn dieser konstruktiven Zerstörung der seit 1990 bestehenden Ordnung in Europa; diese solle durch eine andere Art von Beziehungen mit dem Westen ersetzt werden. Die Charta von Paris und die Nato-Russland-Grundakte seien aus russischer Schwäche geborene Fehler gewesen.[35]
Die Außenpolitikexpertin Angela Stent schrieb einen Monat vor dem Beginn des Angriffskrieges, Putin habe das Ziel, für Russland einen Status zu erreichen wie die Sowjetunion ihn hatte. Putin verlange mindestens eine eigene privilegierte Einflusssphäre in der post-sowjetischen Nachbarschaft, wo den politischen Wünschen Russlands Gehorsam geschuldet würde. Putin fordere auch, dass Russland an allen wichtigen internationalen Entscheidungen beteiligt sein müsse. Nur wenigen Staaten wie Indien, VR China, Russland und den USA komme diese volle Souveränität zu. Putin betrachte die Auflösung der Sowjetunion als Katastrophe, deren Auswirkungen rückgängig gemacht oder abgemildert werden müssten, insbesondere, dass Millionen ethnischer Russen außerhalb der Russischen Föderation lebten. Die NATO müsse sich auf den Stand vor der ersten NATO-Osterweiterung (im März 1999 traten Polen, Tschechien und Ungarn bei) zurückziehen und Länder wie Schweden und Finnland müssten weiterhin neutral bleiben.[36] Generell suche Putin Zusammenarbeit mit Autokratien und die Unterminierung von Demokratien. Endziel sei das revisionistische Aufbrechen der transatlantischen Partnerschaft der USA mit Europa und eine neue Weltordnung, die den Prinzipien des Konzerts der Mächte im 19. Jahrhundert entspräche und die von den USA geschaffene liberale Ordnung ersetze. Die Annahme amerikanischer Schwäche und die russische militärische Aufrüstung der letzten Jahre erhöhten das Risiko eines aggressiven Vorgehens Putins. Im Zentrum von Putins Aufmerksamkeit stehe die Ukraine.[37]
Margareta Mommsen schrieb Putin 2022 das Ziel zu, Russland, Belarus und die Ukraine und möglicherweise Teile von Kasachstan staatlich zu vereinigen. Die Demokratiebewegung in der Ukraine und ihre Hinwendung zum Westen in der Maidan-Revolution nehme er als Bedrohung wahr, da eine sich demokratisierende Ukraine ein „Gegenmodell zum Putinismus" sei. Putin selbst habe für Russland diesbezüglich „von einer Gefahr der Ukrainisazija gesprochen".[38]
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Die Idee des Russki mir hat ihre Wurzeln bereits im 19. Jahrhundert, ursprünglich als poetische Metapher. Der Schriftsteller und Historiker Nikolai Michailowitsch Karamsin (1766–1826) rechtfertigte 1818 in seinem Hauptwerk Geschichte des russischen Staates (История государства Российского) die Selbstherrschaft des Zaren (russisch: cамодержавие; samoderschawie) als Ausdruck des russischen Volksgeistes, der als einigendes Kollektivsymbol einfaches Volk und Adel verbinden sollte, ebenso wie die Liebe zur russisch-orthodoxen Religion. Ganz im Geiste Karamsins prägte der Politiker und Wissenschaftler Sergei Semjonowitsch Uwarow 1833 die Losung Orthodoxie, Autokratie, Nationalität als Gegensatz zur Losung Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit der Französischen Revolution. Puschkins Freund, der Schriftsteller Pjotr Andrejewitsch Wjasemski nannte 1848 in seinem Gedicht Die heilige Rus die Symbole, die Russland vor dem verderblichen europäischen Einfluss bewahren sollten: Orthodoxer Glaube, Liebe zum Zaren, die russische Geschichte und schließlich die russische Sprache, welche er zum Medium erklärte, durch das der russische Mensch mit Gott kommuniziere. Am 14. März 1848 hatte ein Zarenmanifest Über die Vorkommnisse im westlichen Europa die zentralen rhetorischen Argumente vorgegeben:
Die Religion sei als Vermächtnis der Vorfahren zu bewahren und, da Russlands Feinde überall seien, müsse die Verteidigung Russlands überall und nicht nur an seinen Grenzen erfolgen. Auch Dostojewskij sah die Mission Russlands darin, „mit den russischen Worten der Wahrheit die tragischen Missverständnisse der west-europäischen Zivilisation zu korrigieren", wie er 1873 im Tagebuch eines Schriftstellers formulierte.[39]
Solche Sakralisierung hatte mit der Oktoberrevolution zunächst ein Ende, doch entwickelte die Sowjetunion als Träger der Revolutionsidee sowie auch als Weltmacht einen wahrlich globalen „Welt"-Begriff. Ab 1944 hieß es in der Hymne der Sowjetunion: „Die unzerbrechliche Union der freien Republiken vereinigte für die Ewigkeit die große Rus."[39]
Zum anderen hatten die so genannten Eurasier seit den 1920er Jahren im Exil einen unüberwindlichen Gegensatz zwischen der eurasischen Kultur Russlands und der „germano-romanischen" Kultur Westeuropas imaginiert. Innerhalb Russlands wurden erst in den 1990er Jahren bei der „Neuen Rechten" diese Ideen zielstrebig den neuen politischen Bedingungen angepasst und nach dem Wegfall und an Stelle der marxistisch-leninistischen Ideologie zu einer neuen imperialistischen, dem Neo-Eurasismus weiterentwickelt.[39]
Das ursprüngliche Kulturkonzept Russki Mir („Russische Welt/Gemeinschaft") dient nun in ideologisierter Form zur Legitimierung des russischen Einflusses im postsowjetischen Raum („Nahes Ausland"). Es postuliert mit Rückgriff auf die Zeiten der Kiewer Rus eine gemeinsame ostslawische Identität („dreieiniges russisches Volk"), worin die russische Sprache und Literatur eine besondere Verbindung herstelle.[40] Der belarussische Philosoph und Dichter Ihar Babkou beschrieb das Wesen des Konzepts 2022 hingegen mit folgenden Worten: „Die heutige ‚Russische Welt‘ umfasst Praktiken des brutalen und aggressiven Neoimperialismus, die vor allem gegen die direkten Nachbarstaaten gerichtet sind", wie sie erst seit „2014/2015 vollständig zum Vorschein gekommen sind".[41]
Die geopolitische Konzeption vereint antiwestliche, antiliberale und neoimperiale Strömungen.[39] Der Begriff wäre im rein russischen Verständnis mit dem Commonwealth vergleichbar, unterscheidet sich aber markant durch die Tatsache, dass die Kirche und die Religion eine wesentliche Rolle spielen.[39] Die Gegnerschaft der Kirche gegenüber dem Westen wird auch mit dessen angeblicher „Christianophobie" begründet.[42] Diese radikale Abgrenzung von Europa mündet im russischen „Sonderweg".[39]
Der Sprachgebrauch ist uneinheitlich, neben einem spezifischen, „russischen" Geschichtsbewusstsein kann der Begriff auch einfach die Unterstützung für die russische beziehungsweise putinsche Politik bedeuten.[39]
2006 definierte Wladimir Putin das Konzept und forderte Künstler auf, den Ausdruck zu verwenden,[40] 2007 gründete er die Stiftung Russki Mir. Russische Sprache und Kultur sollten damit vor allem in den ehemaligen Sowjetstaaten gefördert werden. Die Bewegung entwickelte, beeinflusst vom Panslawismus und mit ihrer Gegenüberstellung einer orthodoxen Kraft gegenüber dem Westen, eine eigene konfrontative Dynamik.[43] Die Ideologie der russisch-orthodoxen Kirche, geführt vom Patriarchat von Moskau und der ganzen Rus, deckt sich mit der staatlichen Politik der russischen Welt, auch sie erhebt ihren Machtanspruch über die Grenzen Russlands hinaus. Die russisch-orthodoxe Kirche und der Moskauer Patriarch trügen eine direkte Verantwortung für die expansive Politik Russlands.[44] Ein Netzwerk im Dienste Russlands propagiert Russki Mir speziell in der Ukraine, in Georgien und in Moldawien, jenen Ländern, welche die Absicht bekundeten, sich der westlichen Welt anzuschließen; seit 2012 setzte Moskau dafür schätzungsweise 130 Millionen Dollar im Jahr ein.[45] Dass die Suche einer neuen russischen Doktrin zur autoritären Rechten führen würde, war für Walter Laqueur klar gewesen, aber das Tempo und wie weit diese Entwicklung gehen würden, überraschten ihn.[46]
Dazu kommt das Konzept einer „heiligen Rus", also der Beanspruchung der Kiewer Rus als Ursprung Russlands.[39] Nach russischen Vorstellungen ist der Platz der Ukraine in der russischen Welt.[47] Im Falle der Ukraine spricht eine Mehrheit der Russen den Ukrainern gar ab, eine staatsbildende Kraft zu besitzen, und betrachtet sie als Teil ihrer umfassenden orthodoxen russischen Gemeinschaft Russki Mir.[48] Der Begriff Russki Mir kommt in der Präambel der Verfassung der „Volksrepublik Donezk" gleich vier Mal vor. Nach dem begonnenen Hybridkrieg gegen die Ukraine fand sich die gesamte Bandbreite imperialer Organisationen von ultra-religiös bis linksradikal hinter dem Begriff vereint.[39]
Laut dem französischen Philosophen Michel Eltchaninoff (2015, 2022), der eine Arbeit über den Putinismus verfasst hat, habe Putin als politischer Lenker kein Interesse daran, in Russland eine Staatsideologie nach dem Vorbild des Marxismus-Leninismus in der Sowjetunion zu etablieren. Jedoch könne man in seinen Reden und seinem Handeln verschiedene philosophische Einflüsse ausmachen.[49] Dabei vermenge Putins Ideologie sehr verschiedenartige philosophische Linien miteinander: die weißgardistischen Traditionen Iwan Iljins (1883–1954), den großrussischen Panslawismus von Nikolai Danilewski (1822–1885), die Ideen der deutschen Konservativen Revolution um Carl Schmitt (1888–1985), Ernst Jünger (1895–1998) und Ernst Niekisch (1889–1967), die eurasischen Theorien von Lew Gumiljow (1912–1992) und Alexander Dugin (* 1962) sowie auch Teile des sowjetischen Denkens. Den gemeinsamen Kern aller dieser ideologischen Ansätze sieht Eltchaninoff in „der Idee des Imperiums und der Apologie des Krieges".[50]
Eltchaninoff bewertet Putins Methode, eine eigene „Geschichtsphilosophie" zu konstruieren, als „Flickenteppich". Insbesondere gebe es ein Spannungsverhältnis zwischen den Hauptzielen der drei hauptsächlichen „Vorbilder" Putins, nämlich dem Panslawismus, dem Eurasismus und dem antimodernen Konservatismus. Eltchaninoff weist darauf hin, dass Putin zu Beginn der Annexion der Krim 2014 philosophische Schriften an Tausende Funktionäre, Gouverneure und Parteikader in Russland mit einer Lektüreempfehlung verteilen ließ. Es habe sich um die Bücher „Unsere Aufgaben" von Iwan Iljin, „Die Philosophie der Ungleichheit" von Nikolai Berdjajew und „Die Rechtfertigung des Guten" von Wladimir Solowjow gehandelt.
Solowjow habe sich, wie Putin, als „Retter der christlichen Mythen und Religionen gegen die Profanität des Westens" verstanden.
Berdjajew habe die These vertreten, man könne sich nicht von Vergangenheit, Traditionen und Wurzeln der Geschichte trennen.
Die Ideologie Putins bezieht zudem Elemente ein, welche von Philosophen wie Nikolai Danilewski stammen.[51]
Iwan Iljin gilt als der „Hausphilosoph" des Putinismus, der vom Präsidenten in seinen wichtigsten Reden zitiert wird. Der russische Filmregisseur Nikita Michalkow soll Putin nach 1998 mit dem Werk Iljins vertraut gemacht haben.[52] Iljin vertritt in seiner Philosophie eine Mischung aus Hegelianismus, Militarismus und imperialemNationalismus. So spricht er einigen „Volksstämmen" die Fähigkeit ab, eigene Staaten zu bilden, u. a. den Kroaten, Slowaken, Katalanen, vor allem aber den im historischen russischen Einflussbereich lebenden baltischen, kaukasischen, zentralasiatischen Völkern wie auch den Ukrainern. Diese müssten daher Iljin zufolge unter der Kontrolle ihrer Nachbarstaaten bzw. unter der „natürlichen Kontrolle" Russlands verbleiben. Abspaltungsbestrebungen dieser Völker vom Russischen Reich setzt Iljin ein ultranationalistisches „organisches" Nationsverständnis entgegen. Russland sei ihm zufolge kein „künstlich fabrizierter Mechanismus", sondern ein „historisch gewachsener und kulturell gerechtfertigter Organismus". Somit sei eine „Zerstückelung" dieses russischen nationalen Organismus unmöglich, ohne das dieser dabei leide oder zugrunde geht.[53]
Die Gedankenwelt Iwan Iljins, eines russischen Philosophen aristokratischer Herkunft und slawophilen Faschisten, beeindrucke Putin am meisten. Iljin habe sich mit der Frage befasst, wie ein postsowjetisches Russland beschaffen sein und welche Eigenschaften ein postkommunistischer Führer haben sollte.
Er beschäftigte sich mit Hegel, fürchtete zugleich das Ideal des Individualismus, beobachtete erschrocken ein Überhandnehmen freiheitlichen Lebensstils und war überzeugt, Russland wäre von einer Ausbreitung der „sexuellen Perversion" bedroht. Er las auch Freud und kam zu der verschrobenen Ansicht, dass die Unterdrückung von Individualität, Sexualität und Hedonismus der Königsweg zu einer guten Gesellschaft wäre. Die Radikalität der Bolschewiki machte auch Iljin zum Extremisten – aber eben auf der Gegenseite, zum Ideologen der „Weißen Armeen", also der konterrevolutionären, zaristischen Militärs, die gegen die Kommunisten kämpfen.
In seinen Schriften im Exil zwischen den zwanziger und den fünfziger Jahren beschwor Iljin zwanghaft die „Wiedergeburt" des „Vaterlandes". Russland war für ihn „Gott, Vaterland und der nationale вождь" (woschd, voždʹ), was so viel wie (wörtlich) Führer, (übertragen) Souverän, Zar heißt; der eben nicht bloß Person, sondern die Verkörperung der staatlichen Macht, der „Einzige" ist, der auch über den morschen Apparaten des Staates steht. Demokratie und Entscheidungen durch Wahlen oder Abstimmungen lehnte er ab. Insbesondere für Russland, denn „Demokratie", „Liberalität" oder „Freiheit" passten nicht zu Russland und seiner „eurasischen Identität". Die Nation wird als organische Einheit imaginiert. Russland sei eine Zivilisation eigener Art, eine Mischung aus der christlich-byzantinischen Kultur und der mongolisch-asiatischen Lebensart. In den zwanziger und dreißiger Jahren bewunderte Iljin Hitler und Mussolini sowie die faschistische Idee als „rettendes Übermaß an patriotischer Willkür". „Der imperialistische Westen werde das falsche Versprechen von Freiheit nutzen, um Russland Länder wegzunehmen: das Baltikum, den Kaukasus, Zentralasien und vor allem die Ukraine.[54]" Auf diese hatte Iljin einen regelrechten Hass: Von der Ukraine gehe die größte Gefahr für Verrat und Separatismus aus und sie existiere nur aus Gründen von Ränken und Intrigen als eigenständiges Territorium.
1954 im Schweizer Exil verstorben, war Iljin eigentlich lange vergessen, erst seit den 1990er Jahren wird er in Russland nach und nach wieder verlegt. Vladimir Putin entdeckte ihn bei seiner Suche nach intellektuellen Begründungen seiner neuen Nationalidee und propagiert seitdem Iljins Ideen und zitiert ihn geradezu obsessiv bei nahezu allen seinen Ansprachen.[55] Iljins Gebeine wurden nach Russland überführt und Putin legte Blumen an seinem Grab nieder.[56]
Der Politiker Wladislaw Surkow bezeichnet sich selbst als einen der Autoren dieses Systems.[57]
Laut Robert Misik benutzte Surkow als langjähriger Herrscher über die staatlichen Medien bis 2013 seine Kenntnis post-moderner französischer Philosophie zynisch, um die Bevölkerung zu manipulieren, zu verwirren und zu lähmen: Das unverdorbene russische Volk sei vor der „überdosierten" und damit verderblichen Freiheit des Westens inklusive seiner „sexuellen Perversion" zu bewahren. Es bedürfe vielmehr einer „souveränen" alias „gelenkten Demokratie"; diese sei eigentlich eine „gute Diktatur". Ab 2014 galt Surkow als Putins persönlicher Berater für den Konflikt in der Ukraine und auch als Erfinder des Vorwurfs eines Genozids an der russischen Ethnie sowie der Idee, „freiwillige" Kämpfer und „Unabhängigkeits"-Marionetten im Donbass zu installieren.
2020 trat er auch von seinem Amt als Ukraine-Beauftragter zurück; seine heutige Rolle ist völlig im Dunkeln.[58]
Georgij Schtschedrowizkij war Student bei Alexander Alexandrowitsch Sinowjew und gründete eine sektenähnliche Gruppe sogenannter „Methodologen". Daraus entstammt auch der für seinen Aufruf zum Völkermord in der Ukraine[59][60] im April 2022 berühmt gewordene Politikberater Timofej Sergejzew, der schon 2021 zur Entnazifizierung der Ukraine aufrief. Sergejzew gründete mit dem Chefpropagandisten Dmitrij Kisseljow den „Sinowjew-Klub" für antiwestliche und antiukrainische Propaganda.[61] Dort wurde beispielsweise vom Duma-Abgeordneten Dmitri Kulikow 2015 das Ende der Demokratie postuliert.[62] Schtschedrowizkijs Sohn Pjotr hingegen war nach dem Machtantritt Putins für die Neuerschaffung des Begriffs der „russischen Welt" verantwortlich.[61]
Andreas Umland beschrieb bereits 2004 eine Hinwendung russischer Diskussionen hin zum Publizisten Alexander Dugin. Anders als die Neue Rechte in Europa, deren Versuch die Diskurshoheit zu erlangen wenig erfolgreich verlaufen sei, habe Dugin es vermocht „mittels politischer Mimikry tief in den Diskurs des politischen und akademischen Mainstreams der Russländischen Föderation einzudringen" und auch in den Medien und Eliten Rückhalt für Vorstellungen zu gewinnen, die unter dem Zeichen des Eurasismus Elemente des Faschismus aufwiesen und stark antiwestlich orientiert seien.[63] Dugin suchte und fand schon in den 1990er Jahren die Nähe zur und die Zusammenarbeit mit der russischen Generalstabsakademie – höherrangige Offiziere berieten ihn bei der Verfassung von Texten – und lobte, nachdem er zuvor die Geheimdienste als westfreundlich kritisiert hatte, den kurz zuvor noch von Wladimir Putin geleiteten FSB als „neue Kaste", mit der Aufgabe die Hegemonie der Amerikaner zu verhindern und wieder einen mächtigen eurasischen Staat zu schaffen.[64]
2014 diagnostizierte Umland, dass es zwischen den Vorstellungen Dugins und Putins Überschneidungen gäbe, ohne dass sie identisch wären. Putin begründe den imperialen Herrschaftsanspruch nicht mehr mit den alten Idealen der Sowjetunion, sondern durch eine „eher rechte und offen kulturalistische Ideologie vom angeblich gemeinsamen eurasischen Ursprung und Wertesystem bzw. von einer authentischen eurasischen Zivilisation mit ihren verschiedenen nationalen Variationen" mit dem Ziel einer Eurasischen Union. Der alte Herrschaftsbereich solle so neu begründet werden. Dugin sehe das ähnlich, gehe aber über solch restaurative Ansichten noch weit hinaus, sein vorgestelltes Imperium sei in Begründung und Konzeption neuartig und erinnere an den Faschismus zwischen den Weltkriegen. Die russische Kultur solle von allem Fremden gereinigt werden und ein neuer Typ eines eurasischen und integrierten Menschen geschaffen werden. Das „Ziel der Anhänger Dugins ist eine vollständige Umformung Russlands, des eurasischen Kontinents sowie letztlich der gesamten Welt im Sinne der Vorstellungen einer ‚konservativen Revolution‘". Insofern sei Dugin revolutionär wo Putin reaktionär bleibe. Dugin injiziere seine Ideologie allerdings äußerst geschickt in Gesellschaft, Eliten und Diskurse: Er verstehe sich dabei nicht als politischer Führer, sondern als Ideengeber, dessen Vorstellungen gefolgt würde, weil sie inzwischen in der Öffentlichkeit hegemonial seien. Putin und Dugin seien mindestens „taktische Verbündete", die Wiedererlangung des alten Reiches sei auch der erste Schritt bei Errichtung des neuen. Dugins Organisationen spielten eine wichtige Rolle im System Putins, dass er ins Moskauer Establishment vordrang und sich halten könne deute darauf hin, dass er zumindest aus dem Umfeld Putins wohlwollende Unterstützung erhalte. Trotz eher spärlicher akademischer Leistungen habe man Dugin zum Professor an der weitrespektierten Lomonossow-Universität gemacht. Dugin erfülle dazu einen besonderen Zweck für Putin: Gerade der Extremismus duginscher Vorstellungen erlaube es Putin, noch als gemäßigt zu erscheinen. Allerdings sah Umland in dieser Strategie auch für Putin ein Risiko, nämlich das, die gerufenen Geister womöglich nicht mehr loswerden zu können.[65] Das einflussreiche und der Präsidialverwaltung direkt unterstellte Russische Institut für Strategische Studien unter Leonid Reschetnikow, das eine Rolle in der ideologischen Begründung russischer Politik spielt, arbeitete mit Dugin eng zusammen.[66]
2022 nach dem Beginn des Überfalls auf die Ukraine bezeichnete Micha Brumlik Dugin als den „Philosoph[en] hinter Putin". Es sei „höchste Zeit, Wladimir Putin als einen Revolutionär im Geiste des rechtsextremen Dugin zu begreifen". Dugin habe 2014 über Putin, mit dem er durchaus auch Auseinandersetzungen wegen dessen nach Dugins Meinung zu großer Liberalität hatte, ausgesagt, dass dieser letztendlich zu einer Politik gegen den Westen zurückkehren werde. Damit habe Dugin recht behalten.[67] Nach Volker Weiß ist zwar unklar, inwiefern Dugins „nationalreligiöses Programm in der Staatsführung tatsächlich Gehör findet. Zu sehr von dieser Mischung scheint sich das Denken dort aber nicht zu unterscheiden, das Russlands Führung zum Angriff trieb."[68]Jason Stanley sieht Dugins Beitrag zum Putinismus weniger in direktem politischen Einfluss als darin, dass er Putins geopolitische Ziele und Vorstellungen nachvollziehbar formuliert habe. Beiden gemeinsam sei eine unbedingte Ablehnung des westlichen, kosmopolitischen, Liberalismus. Dugin habe zu dem beigetragen was nun die dominante Ideologie des Kremls sei.[69]
Leonid Luks stimmt dem zu. Dugins pseudowissenschaftliches Kreisen um Geopolitik sei letztlich auf ein eurasisches Großreich und danach - nach Dugins eigenen Worten - final auf den russischen Kampf um die Weltherrschaft gerichtet. Die Entfernung einer unabhängigen Ukraine als Hindernis sei laut Dugin die unbedingte Voraussetzung dafür. Bereits 1997 hatte Dugin in seinem Buch Die Grundlagen der Geopolitik ein Ende ihrer Eigenstaatlichkeit gefordert. Putins gelenkte Demokratie habe die Propagierung dieser Vorstellungen erleichtert, dennoch seien sie lange nicht durchgedrungen und Putin sei 2014 entgegen Dugins Wünschen, der die Eroberung Neurusslands forderte, noch vor einem Großkonflikt mit dem Westen zurückgeschreckt. 2022 jedoch habe sich Putins Kriegspolitik dann tatsächlich dem angenähert, was Dugin seit jeher schon fordert. Putin und Dugin seien sich allerdings auch darin ähnlich, den Kampfeswillen der Ukrainer, die westliche Reaktion und vor allem die USA vollkommen unterschätzt zu haben. Der Gedanke, eine Allianz unzufriedener Staaten in einen Kampf gegen die amerikanische Hegemonie führen zu können, habe sich als Illusion erwiesen.[70]
Dugin selbst reagierte auf die Invasion der Ukraine und Putins Verkündung, dass die „unipolare Weltordnung" der USA nun beendet sei, triumphierend: Putin habe sich zu einer „Revolution von oben" entschlossen, die alten „Eliten" Russlands seien erledigt, nun regierten die Eliten Neurusslands, die in eine volle Konfrontation mit dem Westen gingen, die Ukraine bombardierten und asiatische und afrikanische Partner jenseits des Westens suchten. Liberalismus werde demnächst strafbar sein, Säuberungen stünden an. Alles geschehe wie von den Eurasiern vorgestellt. Putin sei ein Mann, der seine Absichten gekonnt verschleiere, aber handele.[71]
Nach einer im Jahr 2022 geäußerten Einschätzung eines russischen Politikwissenschaftlers existiert eine „Handvoll" Geschäftsleute, die so eng mit Wladimir Putin vertraut sind (u. a. weil sie mit Putin eine „bestimmte Weltsicht" und „Vorstellungen von der Zukunft" teilen), dass sie bei Putin wichtige politische Entscheidungen anstoßen können, die anderen Oligarchen nicht vorbehalten sind. Zu der „Handvoll" Geschäftsleute gehörten die Gebrüder Michail und Juri Kowaltschuk.[72]
Einschätzung des Putinismus und seine mögliche Charakterisierung als faschistisch
Der PolitologeTaras Kuzio (2022) argumentiert, dass Putin sein System hin zum Faschismus wende. 2020 habe er sich durch Verfassungsänderung in einem unfreien Referendum die Möglichkeit gegeben bis 2036 an der Macht zu bleiben, freie Medien seien dem folgend unterdrückt und gemeinsam mit der Opposition zerschlagen worden, damit sei die Schwelle zur Diktatur überschritten. Seit Beginn des Krieges gegen die Ukraine seien dazu Militarismus und Nationalismus nochmal gesteigert worden, Ukrainer würden in der Propaganda dehumanisiert, jeder Gedanke an eine ukrainische Identität werde delegitimiert, auf Völkermord gerichtete Drohungen würden ausgestoßen und ein Vernichtungskrieg sei begonnen worden. Ähnlich wie Hitler wolle Putin revanchistisch eine als ungerecht betrachtete internationale Ordnung umwerfen. Damit habe Russland sich klassischen Merkmalen des Faschismus angenähert.[75] Auch Osteuropahistoriker und HolocaustforscherTimothy Snyder (2022) hält das System Putins mittlerweile für faschistisch: Einparteienherrschaft, verschwörungstheoretisches Freund-Feind-Denken und die versuchte Auslöschung der Ukraine als Staat mit eigenen Traditionen bis hin zu genozidalen Handlungen wie Deportationen von Kindern nach Russland seien deutliche Indikatoren dafür.[76][77]Alexander Motyl sieht das System Russlands gleichfalls als faschistisch an. Faschistische Staaten unterschieden sich von anderen autoritären oder totalitären Systemen dadurch, dass sie von einem charismatischen Personenkult geprägt seien, was für Putins Russland zutreffe,- auch wenn der erkennbar alternde Putin Schwierigkeiten habe das hypermaskuline Bild aufrechtzuerhalten.[78][79] Der Philosoph und Faschismusforscher Jason Stanley bejaht die Charakterisierung des Putinismus als faschistisch, da Putin starke Anleihen beim faschistischen Denken Alexander Dugins genommen habe und dieses nun die dominante Ideologie des Kreml sei.[69]
Der russische Ökonom und Soziologe Wladislaw Inosemzew sieht in Putin einen Faschisten im klassischen Sinne. Da er nicht rassistisch argumentiere, sondern kulturalistisch, sei er nicht mit Adolf Hitler zu vergleichen, sondern mit Benito Mussolini. Ausgehend von der Faschismusdefinition nach Robert Paxton macht Inosemzew bei Putin eine besessene Beschäftigung mit einer als demütigend erfahrenen Geschichte und ein Bündnis von aggressiven Nationalisten mit alten Eliten aus, verbunden mit (einst von Umberto Eco für den Faschismus entwickelten) Merkmalen wie des Kultes der Tradition bei gleichzeitigem Verschwörungsdenken und Brandmarkung von Abweichung als Verrat. Vier Säulen des Systems seien auszumachen: Das Ziel alle identifizierten Russen in einem einzigen Staat zu vereinen und diesen zu militarisieren, das Fortschreiten der beherrschenden Rolle des Staates in der Wirtschaft hin zu korporativen Strukturen (was an Vorstellungen Giovanni Gentiles erinnere), die Reorganisation der Staatsverwaltung zu „Vollstreckungsbehörden" wie Streitkräften, Nationalgarde, weiteren paramilitärischen Organisationen wie Privatarmeen oder „ethnischen Garden" wie den Soldaten Ramsan Kadyrows und den Geheimdiensten, die allesamt von Vertrauten Putins geleitet und in der Verfassung teilweise nicht mal erwähnt würden und viertens die Staatspropaganda mitsamt Festschreibung politischer und historischer Narrative.[80]
Die beiden vergleichenden FaschismusforscherRoger Griffin und Stanley Payne (2022) hingegen lehnen auch im Kontext des russischen Überfalls auf die Ukraine 2022 eine Einordnung Putins als „Faschisten" ab, da seine Ideologie nicht revolutionär, sondern reaktionär ausgerichtet sei. Zwar hält Payne fest, dass Putins Regime das seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges „nächstliegende Analogon zum Faschismus in einem großen Land" darstellen würde. Dem Vergleich mit Mussolini und Hitler hält Payne dennoch entgegen, dass Putin „als Apparatschik aufgewachsen" und somit „ein Produkt des russischen Staates" sei, der keine „dynamische und charismatische Bewegung im faschistischen Stil" aufgebaut habe. Payne konstatiert, Putins politisches System sei „eher eine Wiederbelebung des Glaubensbekenntnisses von Zar Nikolaus I. im 19. Jahrhundert, der Orthodoxie, Autokratie und Nationalität betonte, als eines, das den revolutionären, modernisierenden Regimen von Hitler und Mussolini" ähnelt. Roger Griffin hält an einer Betrachtungsweise des Putin-Regimes als illiberale Demokratie fest und sieht Russland stattdessen ideologisch in einer Reihe mit Narendra ModisIndien. Man könne jedoch laut Griffin auch einen Vergleich zum ultranationalistischen Regime Japans während des Zweiten Weltkrieges ziehen, das ebenfalls einige Elemente des Faschismus übernahm, ohne aber selbst zu einem authentisch faschistischen Regime zu werden. Anders als beim revolutionären Ultranationalismus der Faschisten, würden diese Staatsführer nicht versuchen, das bisherige System zu zerstören, sondern es stattdessen aushöhlen und in ihrem Sinne benutzen.[81]
Der französische Philosoph Michel Eltchaninoff (2022) sieht in seinem Buch zum Putinismus dessen Verhältnis zum Faschismus kritisch. Er folgt dem Urteil des russischen Historikers Nikolai Mitrochin, demzufolge die Philosophie Iwan Iljins für das Putin-Regime die „russische Alternative zum Faschismus" darstelle. So sei Iljin von seiner kurzzeitigen Bewunderung für Mussolini und Hitler zwar wieder abgerückt, habe aber anschließend in Salazars Portugal und Francos Spanien seine Vorbilder gesehen. Damit liefere er dem Putinismus eine Möglichkeit, „den Faschismus zu umgehen und doch ganz eng mit ihm zu verkehren".[82] Jedenfalls stelle sich im Kontext von Putins Diskurs, so Eltchaninoff weiter, erneut die Frage nach den noch wenig erforschten Verbindungen zwischen einem Teil der weißgardistischen Emigration, dem Faschismus und dem Nationalsozialismus.[83]
Der Journalist Michael Thumann erklärt in der Morgenkolumne von Zeit Online am 10. Juni 2022, weshalb er den Putinismus nicht für Faschismus hält: Zwar gebe es, wie Snyder ausführt, durchaus Analogien, doch sei dessen Argumentation unscharf und sein Faschismusbegriff überdehnt. Thumanns Moskauer Beobachtungen stimmten damit nicht überein. Er habe da „noch keine quasi staatlichen Milizen" wie SA oder „Fasci di Combattimento" gesehen, die die Menschen terrorisierten. Auch fehle dem Putinismus eine klare Ideologie. Putins dürftige Geschichtsaufsätze seien ein „abgeschriebenes Sammelsurium von Halb- und Unwahrheiten." Er sei „ein »neuer Nationalist«, der sich seinen Nationalismus je nach Lage und Opportunität zusammenmixt". Es gebe keinen naziartigen Totenkult; vielmehr werden die Gefallenen im Ukraine-Krieg „nicht geehrt und gefeiert, sondern versteckt und vergraben." Putin „überhöht den Krieg nicht als das Ziel menschlichen Daseins", sondern verpackt seinen Angriffskrieg als Operation und scheut bisher die Generalmobilmachung. Das „passt auf ein verwandtes System: die Gewaltherrschaft eines Mannes. Eine Diktatur" nach dem Vorbild seiner russischen ultraautoritären Vorgänger.[84]
Ulrich Herbert lehnt eine Charakterisierung des Systems Putins als faschistisch gleichfalls ab, dazu fehle es an einer tragenden Massenbewegung. Vergleiche mit Hitler seien disproportional, es sei falsch jede brutale Rechtsdiktatur als faschistisch zu bewerten.[85] Andreas Buller wiederum wendet sich dem Studium der Moral und Sprache des Putinismus zu, dessen moralische Ursprünge er sowohl in der Ethik des Bolschewismus als auch in der Ideologie des Nationalsozialismus findet.[86]
Michel Eltchaninoff: In Putins Kopf: Logik und Willkür eines Autokraten. Aktualisierte Neuausgabe, Tropen Sachbuch, Stuttgart 2022 [französische Originalausgabe 2015], ISBN 978-3-608-50182-7.
Brian Taylor: The Code of Putinism. Oxford University Press, New York 2018, ISBN 978-0-19-086731-7.
Walter Laqueur: Putinismus: Wohin treibt Russland? (Originaltitel: Putinism, Russia and Its Future with the West, 2015, übersetzt von Klaus-Dieter Schmidt). Propyläen, Berlin 2015, ISBN 978-3-549-07461-9.
Ronald J. Hill, Ottorino Cappelli (Hrsg.): Putin and Putinism. Routledge, Abingdon (Oxfordshire) 2013.
Marcel H. Van Herpen: Putinism: The slow rise of a radical right regime in Russia. Palgrave Macmillan, Basingstoke 2013.
Richard Sakwa: The Crisis of Russian Democracy. The Dual State, Factionalism and the Medvedev Succession. Cambridge University Press, Cambridge 2011.
Richard Sakwa: Russian Politics and Society. Routledge, London / New York 2008.
↑Waleri Fjodorow, Julija Baskakowa et al.: ""Путинизм" как социальный феномен и его ракурсы" [= „Putinismus" als soziales Phänomen und seine Aspekte]. In: Waleri Fjodorow (Hg.): Выборы на фоне Крыма: электоральный цикл 2016-2018 гг. и перспективы политического транзита [= Wahlen vor dem Hintergrund der Krim: Der Wahlzyklus 2016–2018 und Perspektiven des politischen Übergangs]. ВЦИОМ, Moskau 2018, ISBN 978-5-04-152324-4, S. 587–602.
↑Andrei Piontkowski: Путинизм как высшая и заключительная стадия бандитского капитализма в России (= Putinismus als das höchste und letzte Stadium des Räuber-Kapitalismus in Russland). Sowetskaja Rossija, 11. Januar 2000.
↑Michel Eltchaninoff: In Putins Kopf. Logik und Willkür eines Autokraten. Aktualisierte Neuausgabe, Stuttgart 2022 [2015], S. 13, 81, 124 u. 133.
↑Markus Wehner: Putins Kalter Krieg: Wie Russland den Westen vor sich hertreibt. Verlag Knaur eBook, 2016, ISBN 978-3-426-43835-0, Kapitel 5: Russlands Informationskrieg.
↑Karl Schlögel im Gespräch mit Claudia von Salzen: „Der Ruf nach Verhandlungen hat etwas mit völliger Unkenntnis der Lage zu tun.". Der Osteuropa-Historiker Karl Schlögel über die Forderungen deutscher Intellektueller und die Rolle des Westens im Ukraine-Krieg. In Der Tagesspiegel, 11. Januar 2023, S. 16 f.
↑Interview mit Margareta Mommsen: "Der neue Putin ist nicht mehr rational". In: Hintergrund aktuell. Bundeszentrale für politische Bildung, 10. März 2022, abgerufen am 29. März 2023.
↑Walter Laqueur: Putinismus: Wohin treibt Russland? Verlag Ullstein, 2015, ISBN 978-3-8437-1100-5: „Danilewskis Eintreten für die Expansion Russlands lag weder eine Art geopolitisches Denken noch irgendeine andere der neumodischen Theorien zugrunde, die er schlicht für Unsinn gehalten hätte. Er glaubte vielmehr an spirituelle Werte und eine welthistorische Mission Russlands. Wie Dostojewski hielt der die Russen für das einzige gottesfürchtige Volk und für dasjenige, das die Welt retten würde."
↑Winfried Schneider-Deters: Die Ukraine: Machtvakuum zwischen Russland und der Europäischen Union. BWV Verlag, 2014, ISBN 978-3-8305-2941-5, S. 41.
↑Andreas Kappeler: Ungleiche Brüder – Russen und Ukrainer vom Mittelalter bis zur Gegenwart. Beck, München 2017, ISBN 978-3-406-71410-8, S. 197.
↑Michel Eltchaninoff: In Putins Kopf: Logik und Willkür eines Autokraten. Aktualisierte Neuausgabe, Stuttgart 2022 [2015], S. 9 f.
↑Michel Eltchaninoff: In Putins Kopf: Logik und Willkür eines Autokraten. Aktualisierte Neuausgabe, Stuttgart 2022 [französische Originalausgabe 2015], S. 75 f., 93 f., 104 f., 109, 133.
↑„Da wusste ich, dass er einen großen Krieg beginnen wird". Interview des „Spiegel" mit Michel Eltchaninoff. Ausgabe 15/2022. 9. April 2022, S. 116–119. Abgerufen am 14. April 2022
↑Michel Eltchaninoff: In Putins Kopf. Logik und Willkür eines Autokraten. Aktualisierte Neuausgabe, Stuttgart 2022 [2015], S. 47.
↑Michel Eltchaninoff: In Putins Kopf. Logik und Willkür eines Autokraten. Aktualisierte Neuausgabe, Stuttgart 2022 [2015], S. 57 f.
↑Sascha Buchbinder: Er hat’s erfunden. ZEIT ONLINE am 17. März 2022, abgerufen am 21. April 2022
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