Polynominterpolation
In der numerischen Mathematik versteht man unter Polynominterpolation die Suche nach einem Polynom, welches exakt durch vorgegebene Punkte (z. B. aus einer Messreihe) verläuft. Dieses Polynom wird Interpolationspolynom genannt und man sagt, es interpoliere die gegebenen Punkte.
Anwendungen
Polynome lassen sich sehr leicht integrieren und ableiten. Deswegen tauchen interpolierende Polynome an vielen Stellen in der numerischen Mathematik auf, beispielsweise bei der numerischen Integration und entsprechend bei Verfahren zur numerischen Lösung gewöhnlicher Differentialgleichungen.
Problemstellung
Für {\displaystyle n+1} gegebene Wertepaare {\displaystyle (x_{i},,円f_{i})} mit paarweise verschiedenen Stützstellen {\displaystyle x_{i}} wird ein Polynom {\displaystyle P} maximal {\displaystyle n}-ten Grades gesucht, das alle Gleichungen
- {\displaystyle P(x_{i})=f_{i},\quad i=0,\dotsc ,n}
erfüllt. Ein solches Polynom existiert stets und ist eindeutig bestimmt, wie im Folgenden gezeigt wird.
Beim Interpolationsproblem ist also {\displaystyle P} im Vektorraum {\displaystyle \Pi _{n}} der Polynome mit Grad {\displaystyle n} oder kleiner zu suchen, kurz {\displaystyle P\in \Pi _{n}}. Ist {\displaystyle \phi _{0},\dotsc ,\phi _{n}} eine Basis von {\displaystyle \Pi _{n}}, so ergeben die Gleichungen {\displaystyle P(x_{i})=f_{i}} ein lineares Gleichungssystem für die Koeffizienten der Basisdarstellung {\displaystyle P=\sum _{k=0}^{n}a_{k}\phi _{k}}. Da sich ein und dasselbe Polynom aber unterschiedlich darstellen lässt, je nachdem welche Basis für den Vektorraum {\displaystyle \Pi _{n}} gewählt wird, kann man ganz verschiedene Gleichungssysteme erhalten. Wählt man für {\displaystyle \Pi _{n}} die Standardbasis {\displaystyle \left\{x^{k}\mid 0\leq k\leq n\right\}}, also für {\displaystyle P} die Darstellung {\displaystyle P(x)=\sum _{k=0}^{n}a_{k}x^{k}}, so erhält man ein Gleichungssystem mit der Vandermonde-Matrix:
- {\displaystyle {\begin{pmatrix}1&x_{0}&\cdots &x_{0}^{n}\\\vdots &\vdots &\ddots &\vdots \1円&x_{n}&\cdots &x_{n}^{n}\end{pmatrix}}{\begin{pmatrix}a_{0}\\\vdots \\a_{n}\end{pmatrix}}={\begin{pmatrix}f_{0}\\\vdots \\f_{n}\end{pmatrix}}}.
Diese ist regulär, wenn die Stützstellen {\displaystyle x_{i}} paarweise verschieden sind, das Gleichungssystem lässt sich dann eindeutig lösen. Somit ist die Existenz und Eindeutigkeit des gesuchten Polynoms {\displaystyle P\in \Pi _{n}} immer sichergestellt. Trotz der theoretischen Machbarkeit wird diese Art der Interpolation in der Praxis nicht durchgeführt, da die Berechnung der Vandermonde-Matrix aufwendig ist ({\displaystyle {\mathcal {O}}(n^{2})}, siehe Landau-Symbole) und zudem schlecht konditioniert bei einer ungeeigneten Wahl der Stützstellen.
Lösungsverfahren
Obiges Gleichungssystem ließe sich beispielsweise mit dem Gaußschen Eliminationsverfahren lösen. Der Aufwand dafür ist mit {\displaystyle {\mathcal {O}}(n^{3})} allerdings vergleichsweise groß. Bei Wahl einer anderen Basis als der Standardbasis zur Beschreibung des Polynoms {\displaystyle P} kann der Aufwand verringert werden.
Lagrangesche Interpolationsformel
Eher für theoretische Betrachtungen günstig ist eine Darstellung in der Lagrange-Basis. Die Basisfunktionen sind die Lagrange-Polynome
- {\displaystyle \ell _{i}(x)=\prod _{\begin{smallmatrix}j=0\\j\neq i\end{smallmatrix}}^{n}{\frac {x-x_{j}}{x_{i}-x_{j}}}={\frac {x-x_{0}}{x_{i}-x_{0}}}\cdots {\frac {x-x_{i-1}}{x_{i}-x_{i-1}}}\cdot {\frac {x-x_{i+1}}{x_{i}-x_{i+1}}}\cdots {\frac {x-x_{n}}{x_{i}-x_{n}}},,円}
die so definiert sind, dass
- {\displaystyle \ell _{i}(x_{k})=\delta _{ik}=\left\{{\begin{matrix}1&{\mbox{falls }}i=k\0円&{\mbox{falls }}i\neq k,,円\end{matrix}}\right.}
gilt, wobei {\displaystyle \delta _{ik}} das Kronecker-Delta darstellt. Damit entspricht die Matrix {\displaystyle \left(\ell _{i}\left(x_{j}\right)\right)_{i,j=0,1,\ldots ,n}} genau der Einheitsmatrix. Die Lösung des Interpolationsproblems lässt sich dann einfach angeben als
- {\displaystyle P(x)=\sum _{i=0}^{n}f_{i}\ell _{i}\left(x\right),,円}
mit den Stützwerten {\displaystyle f_{i}}. Dies wird häufig benutzt, um die Existenz der Lösung des Interpolationsproblems zu beweisen. Ein Vorteil der Lagrange-Basis ist somit, dass die Basisfunktionen {\displaystyle \ell _{i}} von den Stützwerten {\displaystyle f_{i}} unabhängig sind. Dadurch lassen sich verschiedene Sätze von Stützwerten {\displaystyle f_{i}} mit gleichen Stützstellen {\displaystyle x_{i}} schnell interpolieren, wenn die Basisfunktionen {\displaystyle \ell _{i}} einmal bestimmt worden sind. Ein Nachteil dieser Darstellung ist jedoch, dass alle Basisvektoren bei Hinzunahme einer einzelnen Stützstelle komplett neu berechnet werden müssen, weshalb dieses Verfahren für die meisten praktischen Zwecke zu aufwendig ist.
Baryzentrische Interpolationsformel
Die Lagrangesche Interpolationsformel kann umgeformt werden in die praktisch relevantere Baryzentrische Interpolationsformel
- {\displaystyle P(x)={\frac {\sum _{j=0}^{n}{\frac {\lambda _{j}f_{j}}{x-x_{j}}}}{\sum _{j=0}^{n}{\frac {\lambda _{j}}{x-x_{j}}}}},,円}
wobei die Baryzentrischen Gewichte wiefolgt definiert sind
- {\displaystyle \lambda _{j}:=\prod _{\begin{smallmatrix}j=0\\j\neq i\end{smallmatrix}}^{n}{\frac {1}{x_{j}-x_{i}}},円.}
Für vorgegebene Stützstellen {\displaystyle (x_{i})_{i}} können die Gewichte {\displaystyle (\lambda _{i})_{i}} vorberechnet werden, sodass der Aufwand für die Auswertung von {\displaystyle P(x)} nur noch bei {\displaystyle {\mathcal {O}}(n)} liegt. Beim Hinzufügen einer neuen Stützstelle müssen die Gewichte neubestimmt werden. Dies hat einen Aufwand von {\displaystyle {\mathcal {O}}(n)} im Vergleich zum Neubestimmen der Lagrangepolynome von {\displaystyle {\mathcal {O}}(n^{2})}.
Newtonscher Algorithmus
In diesem Verfahren wird das Polynom {\displaystyle P} in Newton-Basis dargestellt, so dass die Koeffizienten effizient mit dem Schema der dividierten Differenzen bestimmt werden können. Eine effiziente Auswertung des Polynoms kann dann mithilfe des Horner-Schemas erfolgen.
Ansatz: Newton-Basis
Als Ansatz für das gesuchte Interpolationspolynom {\displaystyle P} wählt man die Newton-Basisfunktionen {\displaystyle N_{0}(x)=1} und {\displaystyle \textstyle N_{i}(x)=\prod _{j=0}^{i-1}\left(x-x_{j}\right)=\left(x-x_{0}\right)\cdots \left(x-x_{i-1}\right)} mit {\displaystyle i=1,\ldots ,n}, so dass {\displaystyle P} dargestellt wird mit der Newtonschen Interpolationsformel
- {\displaystyle P(x)=\sum _{i=0}^{n}c_{i}\cdot N_{i}(x)=c_{0}+c_{1}\left(x-x_{0}\right)+c_{2}\left(x-x_{0}\right)\left(x-x_{1}\right)+\dotsb +c_{n}\left(x-x_{0}\right)\dotsm \left(x-x_{n-1}\right)}
Das Gleichungssystem der Gleichungen {\displaystyle P(x_{i})=f_{i}} hat dann die Form
- {\displaystyle {\begin{pmatrix}1&&&&0\1円&(x_{1}-x_{0})&&&\1円&(x_{2}-x_{0})&(x_{2}-x_{0})(x_{2}-x_{1})&&\\\vdots &\vdots &&\ddots &\1円&(x_{n}-x_{0})&\cdots &&\prod _{i=0}^{n-1}(x_{n}-x_{i})\\\end{pmatrix}}\cdot {\begin{pmatrix}c_{0}\\\vdots \\c_{n}\end{pmatrix}}={\begin{pmatrix}f_{0}\\\vdots \\f_{n}\end{pmatrix}}}
Im Gegensatz zur komplizierten Vandermonde-Matrix bei Wahl der Standardbasis {\displaystyle \{x^{k}|0\leq k\leq n\}} erhält man bei Wahl der Newton-Basis also eine einfach strukturierte untere Dreiecksmatrix und das Gleichungssystem lässt sich einfach lösen.
Bestimmung der Koeffizienten: Schema der dividierten Differenzen
Die Koeffizienten {\displaystyle c_{i}} werden aber nicht direkt aus dem obigen Gleichungssystem bestimmt, sondern effizienter mithilfe der dividierten Differenzen. Durch Induktion beweist man mit der Rekursionsformel von Aitken, dass für die Koeffizienten {\displaystyle c_{i}} gilt
- {\displaystyle c_{i}=[x_{0},\dotsb ,x_{i}]f}.
Dabei sind für {\displaystyle i<j} die dividierten Differenzen {\displaystyle [x_{i},\dotsc ,x_{j}]f} rekursiv definiert durch
- {\displaystyle [x_{i}]f=f_{i}\qquad }
- {\displaystyle [x_{i},\dotsc ,x_{j}]f={\frac {[x_{i+1},\dotsc ,x_{j}]f-[x_{i},\dotsc ,x_{j-1}]f}{x_{j}-x_{i}}}}.
Die Notation mit angehängtem {\displaystyle f} erklärt sich dadurch, dass oft eine unbekannte Funktion {\displaystyle f} angenommen wird, die bei bekannten Funktionswerten {\displaystyle f_{i}=f(x_{i})} interpoliert werden soll.
Die rekursive Berechnung der dividierten Differenzen lässt sich wie folgt veranschaulichen. Dabei sind die gesuchten Koeffizienten {\displaystyle c_{i}} genau die oberste Schrägzeile:
- {\displaystyle {\begin{array}{crcrccrcrc}[x_{0}]f\\&\searrow \\{}[x_{1}]f&\rightarrow &[x_{0},x_{1}]f\\&\searrow &&\searrow \\{}[x_{2}]f&\rightarrow &[x_{1},x_{2}]f&\rightarrow &[x_{0},x_{1},x_{2}]f\\{}\vdots &\vdots &\vdots &\vdots &\vdots &\ddots \\{}&\searrow &&\searrow &&&\searrow \\{}[x_{n-1}]f&\rightarrow &[x_{n-2},x_{n-1}]f&\rightarrow &[x_{n-3},x_{n-2},x_{n-1}]f&\cdots &\rightarrow &[x_{0}\ldots x_{n-1}]f\\&\searrow &&\searrow &&&\searrow &&\searrow \\{}[x_{n}]f&\rightarrow &[x_{n-1},x_{n}]f&\rightarrow &[x_{n-2},x_{n-1},x_{n}]f&\cdots &\rightarrow &[x_{1}\ldots x_{n}]f&\rightarrow &[x_{0}\ldots x_{n}]f\end{array}}}
Offensichtlich ist bei Ergänzung der {\displaystyle n+1} Wertepaare {\displaystyle (x_{i},f_{i})} um einen weiteren Punkt {\displaystyle (x_{n+1},f_{n+1})} in obigem Schema nur eine weitere Zeile hinzuzufügen, um den zusätzlichen Koeffizienten {\displaystyle c_{n+1}=[x_{0},\dotsc ,x_{n+1}]f} zu berechnen. Die zuvor bestimmten Koeffizienten {\displaystyle c_{0},\dotsc ,c_{n}} müssen nicht neu berechnet werden.
Alternativ zur obigen rekursiven Definition wird zum Beispiel in einem der Artikel von Marsden[1] die dividierte Differenz {\displaystyle [x_{0},\ldots ,x_{n}]f} einer hinreichend oft differenzierbaren Funktion {\displaystyle f} als der eindeutige Koeffizient zur höchsten Potenz von {\displaystyle x} eines Polynoms {\displaystyle n}-ten Grads {\displaystyle p(x)} definiert, das {\displaystyle f} an den Stellen {\displaystyle x_{0},\ldots ,x_{n}} interpoliert. Tritt dabei ein Wert in der Sequenz {\displaystyle x_{0},\ldots ,x_{n}} mit der Vielfachheit {\displaystyle \nu \geq 1} auf, so sollen die Ableitungen des Polynoms die Ableitungen der Funktion {\displaystyle f} an dieser Stelle bis zur Ordnung {\displaystyle \nu -1} interpolieren. Es gilt somit
- {\displaystyle [x_{0},\dotsc ,x_{k}]f={\frac {f^{(k)}(x^{*})}{k!}}\qquad {\text{falls}}\quad x^{*}:=x_{0}=\ldots =x_{k},円.}
Auswertung des Polynoms: Horner-Schema
Wenn die Koeffizienten {\displaystyle c_{i}} des Interpolationspolynoms {\displaystyle P} einmal bekannt sind, kann man es effizient mithilfe des Horner-Schemas auswerten. Dazu schreibt man {\displaystyle P} in der Form (einfache Umformung der Newtonschen Interpolationsformel)
- {\displaystyle P(x)=\left(\cdots \left(c_{n}(x-x_{n-1}\right)+c_{n-1})(x-x_{n-2})+\dotsb +c_{1}\right)(x-x_{0})+c_{0}},
so dass {\displaystyle P(x)} rekursiv berechnet werden kann durch
- {\displaystyle {\begin{aligned}b_{n}&=c_{n}\\b_{i}&=b_{i+1}(x-x_{i})+c_{i},\qquad i=n-1,\dotsc ,0\\P(x)&=b_{0}\end{aligned}}}
Dies erfordert einen Aufwand von {\displaystyle {\mathcal {O}}(n)}.
Algorithmus von Neville-Aitken
Ähnlich wie im Newtonschen Algorithmus wird beim Algorithmus von Neville-Aitken die Lösung rekursiv berechnet. Dazu bezeichne {\displaystyle p\left(f|x_{i}...x_{j}\right)} das eindeutig bestimmte Interpolationspolynom {\displaystyle k}-ten Grades zu den {\displaystyle k+1} Stützpunkten {\displaystyle (x_{i},f_{i}),\dots ,(x_{j},f_{j})}, wobei {\displaystyle k=j-i} ist. Es gilt dann die Rekursionsformel von Aitken:
- {\displaystyle {\begin{aligned}p(f|x_{i})(x)&\equiv f_{i},\\p(f|x_{i},\dotsc ,x_{j})(x)&\equiv {\frac {(x-x_{i})p(f|x_{i+1},\dotsc ,x_{j})(x)-(x-x_{j})p(f|x_{i},\dotsc ,x_{j-1})(x)}{x_{j}-x_{i}}}.\end{aligned}}}
Beweisen lässt sie sich durch Einsetzen von {\displaystyle x_{i}}, wodurch man verifiziert, dass die rechte Seite der Gleichung die Interpolationsbedingung erfüllt. Die Eindeutigkeit des Interpolationspolynoms liefert dann die Behauptung.
Mit dem Schema von Neville kann die Auswertung von {\displaystyle p(f|{x_{0},\dotsc ,x_{n}})(x)=P(x)} dann rekursiv erfolgen:
{\displaystyle {\begin{array}{crcrccrcrc}p(f|x_{0})\\&\searrow \\p(f|x_{1})&\rightarrow &p(f|x_{0},x_{1})\\&\searrow &&\searrow \\p(f|x_{2})&\rightarrow &p(f|x_{1},x_{2})&\rightarrow &p(f|x_{0},x_{1},x_{2})\\\vdots &&\vdots &&\vdots &\ddots \\&\searrow &&\searrow &&&\searrow \\p(f|x_{n-1})&\rightarrow &p(f|x_{n-2},x_{n-1})&\rightarrow &p(f|x_{n-3},x_{n-2},x_{n-1})&\cdots &\rightarrow &p(f|x_{0},\dots ,x_{n-1})\\&\searrow &&\searrow &&&\searrow &&\searrow \\p(f|x_{n})&\rightarrow &p(f|x_{n-1},x_{n})&\rightarrow &p(f|x_{n-2},x_{n-1},x_{n})&\cdots &\rightarrow &p(f|x_{1},\dots ,x_{n})&\rightarrow &p(f|x_{0},\dots ,x_{n})\end{array}}}
Vergleich der Lösungsverfahren
Möchte man alle Koeffizienten des Interpolationspolynoms {\displaystyle P} bestimmen, so bietet der Newtonsche Algorithmus hierfür den geringsten notwendigen Aufwand von {\displaystyle {\mathcal {O}}(n^{2})}. Das so bestimmte Polynom lässt sich dann mit {\displaystyle {\mathcal {O}}(n)} Operationen an einer Stelle auswerten. Darum ist der Newtonsche Algorithmus gut geeignet, wenn das Interpolationspolynom an vielen Stellen ausgewertet werden soll. Auch lassen sich effizient weitere Stützpunkte hinzufügen. Liegen die Stützstellen oder die Stützwerte allerdings zu nahe beieinander, so besteht die Gefahr der Auslöschung bei der Bestimmung der dividierten Differenzen.
Der Neville-Aitken-Algorithmus ist dagegen gut geeignet, wenn ein Interpolationspolynom nur an ganz wenigen Stellen ausgewertet werden soll, dabei ist er weniger anfällig gegen Auslöschung. Auch im Neville-Aitken-Algorithmus lassen sich effizient neue Stützpunkte hinzufügen. So kann z. B. eine gewünschte Genauigkeit der Interpolation an einer Stelle durch Hinzufügen immer weiterer Stützstellen erreicht werden.
Beispiel: Interpolation der Tangensfunktion
Interpoliere die Funktion {\displaystyle f(x)=\tan(x)} bei gegebenen Punkten
Lösung mit Lagrange
Die Lagrange-Basisfunktionen sind
- {\displaystyle {\begin{aligned}\ell _{0}(x)&={x-x_{1} \over x_{0}-x_{1}}\cdot {x-x_{2} \over x_{0}-x_{2}}\cdot {x-x_{3} \over x_{0}-x_{3}}\cdot {x-x_{4} \over x_{0}-x_{4}}={1 \over 243}x(2x-3)(4x-3)(4x+3)\\\ell _{1}(x)&={x-x_{0} \over x_{1}-x_{0}}\cdot {x-x_{2} \over x_{1}-x_{2}}\cdot {x-x_{3} \over x_{1}-x_{3}}\cdot {x-x_{4} \over x_{1}-x_{4}}=-{8 \over 243}x(2x-3)(2x+3)(4x-3)\\\ell _{2}(x)&={x-x_{0} \over x_{2}-x_{0}}\cdot {x-x_{1} \over x_{2}-x_{1}}\cdot {x-x_{3} \over x_{2}-x_{3}}\cdot {x-x_{4} \over x_{2}-x_{4}}={3 \over 243}(2x+3)(4x+3)(4x-3)(2x-3)\\\ell _{3}(x)&={x-x_{0} \over x_{3}-x_{0}}\cdot {x-x_{1} \over x_{3}-x_{1}}\cdot {x-x_{2} \over x_{3}-x_{2}}\cdot {x-x_{4} \over x_{3}-x_{4}}=-{8 \over 243}x(2x-3)(2x+3)(4x+3)\\\ell _{4}(x)&={x-x_{0} \over x_{4}-x_{0}}\cdot {x-x_{1} \over x_{4}-x_{1}}\cdot {x-x_{2} \over x_{4}-x_{2}}\cdot {x-x_{3} \over x_{4}-x_{3}}={1 \over 243}x(2x+3)(4x-3)(4x+3)\end{aligned}}}
also ist das Interpolationspolynom
- {\displaystyle {\begin{aligned}P_{\text{Lagrange}}(x)=&{\tfrac {1}{243}}{\big (}f(x_{0})x(2x-3)(4x-3)(4x+3)\\&\qquad {}-8f(x_{1})x(2x-3)(2x+3)(4x-3)\\&\qquad {}+3f(x_{2})(2x+3)(4x+3)(4x-3)(2x-3)\\&\qquad {}-8f(x_{3})x(2x-3)(2x+3)(4x+3)\\&\qquad {}+f(x_{4})x(2x+3)(4x-3)(4x+3){\big )}\\=&-1{,}477474x+4{,}834848x^{3}\end{aligned}}}
Lösung mit Newton
Die dividierten Differenzen sind hier
- {\displaystyle {\begin{array}{rrrrrr}x_{i}&f(x_{i})&&&&\\-1{,}50&-14{,}10140&&&&\\&&&&&\\-0{,}75&-0{,}931596&{-0{,}931596-(-14{,}1014) \over -0{,}75-(-1{,}5)}=17{,}5597&&&\\&&&&&\0円{,}00&0{,}00000&{0-(-0{,}931596) \over 0-(-0{,}75)}=1{,}24213&{1{,}24213-17{,}5597 \over 0-(-1{,}5)}=-10{,}8784&&\\&&&&&\0円{,}75&0{,}931596&{0{,}931596-0 \over 0{,}75-0}=1{,}24213&{1{,}24213-1{,}24213 \over 0{,}75-(-0{,}75)}=0{,}00000&{0-(-10{,}8784) \over 0{,}75-(-1{,}5)}=4{,}83484&\\&&&&&\1円{,}50&14{,}10140&{14{,}10140-0{,}931596 \over 1{,}5-0{,}75}=17{,}5597&{17{,}5597-1{,}24213 \over 1{,}5-0}=10{,}8784&{10{,}8784-0 \over 1{,}5-(-0{,}75)}=4{,}83484&{4{,}83484-4{,}83484 \over 1{,}5-(-1{,}5)}=0\\\end{array}}}
und das Interpolationspolynom ist
- {\displaystyle {\begin{aligned}P_{\text{Newton}}(x)=&-14{,}1014+17{,}5597(x+1{,}5)-10{,}8784(x+1{,}5)(x+0{,}75)\\&{}+4{,}83484(x+1{,}5)(x+0{,}75)x+0(x+1{,}5)(x+0{,}75)x(x-0{,}75)\\=&-0{,}00005-1{,}4775x-0{,}00001x^{2}+4{,}83484x^{3}\end{aligned}}}
Verwendet man genauere Startwerte {\displaystyle f(x_{i})}, verschwinden der erste und der dritte Koeffizient.
Interpolationsgüte
Fehlerabschätzung
Gegeben sei eine Funktion {\displaystyle f}, deren {\displaystyle n+1} Funktionswerte {\displaystyle f_{i}} an den Stellen {\displaystyle x_{i}} durch das Polynom {\displaystyle P} interpoliert werden. Mit {\displaystyle I} sei das kleinste Intervall bezeichnet, das die Stützstellen {\displaystyle x_{i}} und eine Stelle {\displaystyle x} enthält. Ferner sei {\displaystyle f} ({\displaystyle n+1})-mal stetig differenzierbar auf {\displaystyle I}. Dann existiert ein {\displaystyle \xi \in I}, für das gilt:
- {\displaystyle f(x)-P(x)={\frac {f^{(n+1)}(\xi )}{(n+1)!}}\prod _{i=0}^{n}(x-x_{i})}
Insbesondere ist also bezüglich der Maximumsnorm auf {\displaystyle [a,b]} und mit {\displaystyle w_{n}(x)=\prod _{i=0}^{n}(x-x_{i})}:
- {\displaystyle |f(x)-P(x)|\leq {\frac {\|f^{(n+1)}\|_{\infty }}{(n+1)!}}\prod _{i=0}^{n}|x-x_{i}|\leq {\frac {\|f^{(n+1)}\|_{\infty }}{(n+1)!}}\|w_{n}\|_{\infty }}
Fehleroptimierung nach Tschebyschow[2]
Der Fehler hängt also von einer Ableitung von {\displaystyle f} ab und von dem Produkt {\displaystyle w_{n}(x):=\prod _{i=0}^{n}(x-x_{i})}, also den Stützstellen {\displaystyle x_{i}}. Manchmal ist man in der Position, dass man sich Stützstellen selbst wählen kann; etwa, wenn man ein physikalisches Experiment durchführt, oder aber auch bei einigen Verfahren zur numerischen Lösung von Differentialgleichungen. In diesem Fall ist die Frage interessant, für welche Stützstellen die Maximumsnorm {\displaystyle \|w_{n}\|_{\infty }} minimal wird.
Für einen Beweis betrachten man normalerweise normierte Stützstellen
- {\displaystyle {\begin{aligned}w_{n}:[-1,1]\rightarrow \mathbb {R} ,\ w_{n}(x)=\prod _{i=0}^{n}(x-x_{i})\\{\text{mit}}\qquad \forall ,円i=0,\ldots ,n:\quad x_{i}\in [-1,1],円.\end{aligned}}}
Nun kann man die Maximumsnorm der Funktion {\displaystyle w_{n}} wie folgt abschätzen
- {\displaystyle \|w_{n}\|_{[-1,1],\infty }=\max _{x\in [-1,1]}|w_{n}(x)|\geq 2^{-n},円.}
Tschebyschow hat gezeigt, dass die Nullstellen der Tschebyschow-Polynome („Tschebyschow-Punkte") optimale Stützstellen sind. Die Polynome {\displaystyle T_{n+1}(x)=\cos((n+1)\arccos(x))} haben die Nullstellen {\displaystyle t_{k}=\cos \left({\frac {2k+1}{2n+2}}\pi \right)} für {\displaystyle k\in \{0,1,\ldots ,n\}}. So gewählte Stützstellen liefern eine scharfe Grenze der oberen Abschätzung
- {\displaystyle \|w_{n}\|_{[-1,1],\infty }=2^{-n},円.}
Diese Aussage kann dann mit der Transformation
- {\displaystyle {\begin{aligned}\xi \in [-1,1]&\rightsquigarrow x={\frac {a+b}{2}}+{\frac {b-a}{2}}\xi &\in [a,b]\\x\in [a,b]&\rightsquigarrow \xi ={\frac {2x-a-b}{b-a}}&\in [-1,1]\end{aligned}}}
auf den Fall eines allgemeinen Intervalls {\displaystyle [a,b]\subset \mathbb {R} } übertragen werden. Der Beweis liefert auch die Abschätzung
- {\displaystyle {\begin{aligned}\|w_{n}\|_{[a,b],\infty }=\max _{x\in [a,b]}|w_{n}(x)|=2\left({\frac {b-a}{4}}\right)^{n+1}.\end{aligned}}}
Runges Phänomen
Verbessert sich die Interpolationsgüte, wenn mehr Stützpunkte hinzugefügt werden? Im Allgemeinen nicht: Bei hohem Grad des Polynoms kann es vorkommen, dass die Polynomfunktion kaum noch der zu interpolierenden Funktion ähnelt, was auch als Runges Phänomen bekannt ist. Polynome streben im Grenzfall {\displaystyle x\to \pm \infty } gegen {\displaystyle \pm \infty }. Verhält sich die zu interpolierende Funktion anders, etwa periodisch oder asymptotisch konstant, treten starke Oszillationen in der Nähe der Intervallgrenzen auf. Für solche Funktionen sind Polynominterpolationen über das gesamte Intervall relativ ungeeignet.
Tschebyschow-Stützstellen, die an den Intervallgrenzen dichter liegen, können zwar den Gesamtfehler der Interpolation verkleinern, dennoch empfiehlt sich ein Wechsel des Interpolationsverfahrens, etwa zur Spline-Interpolation. Runge gab für dieses Phänomen ein Beispiel an, die nach ihm benannte Runge-Funktion:
- {\displaystyle f(x)={\frac {1}{1+x^{2}}},,円\quad x\in [-5;5]}
Konvergenzverhalten
Es gibt aber Bedingungen, unter denen sich die Interpolationsgüte mit steigender Anzahl von Stützpunkten verbessert: Wenn das Stützstellengitter immer „feiner" wird und eine analytische Funktion interpoliert wird. Genauer: Sei {\displaystyle f} eine analytische Funktion auf dem Intervall {\displaystyle I=[a,b]\subset \mathbb {R} }. Für eine Intervallteilung
- {\displaystyle \Delta _{m}=\{a=x_{0}^{(m)}<x_{1}^{(m)}<\dotsb <x_{n_{m}}^{(m)}=b\},\qquad m\in \mathbb {N} }
sei ihre Norm definiert durch
- {\displaystyle \|\Delta _{m}\|=\max _{i}|x_{i+1}^{(m)}-x_{i}^{(m)}|.}
Zu jeder Intervallteilung {\displaystyle \Delta _{m}} gibt es ein eindeutig bestimmtes Polynom {\displaystyle P_{\Delta _{m}}}, das {\displaystyle f} an den Stützstellen {\displaystyle \Delta _{m}} interpoliert. Gilt für eine Folge von Intervallteilungen {\displaystyle \|\Delta _{m}\|\rightarrow 0}, so folgt {\displaystyle P_{\Delta _{m}}\rightarrow f} gleichmäßig.
Allerdings lässt sich zu jeder Folge {\displaystyle \{\Delta _{m}\}_{m\in \mathbb {N} }} auch eine auf {\displaystyle I} stetige Funktion {\displaystyle f} finden, so dass {\displaystyle \{P_{\Delta _{m}}\}_{m\in \mathbb {N} }} nicht gleichmäßig gegen {\displaystyle f} konvergiert (Satz von Faber [3] ).
Bestapproximation
Der Zusammenhang zwischen dem Interpolationpolynom und dem Polynom welches die Funktion am besten (bezüglich der Maximumsnorn {\displaystyle \|\cdot \|_{\max }}) annähert ist wie folgt.
Seien dazu folgende gegeben
- eine stetige, zu nähernde Funktion: {\displaystyle f\in C([a,b])}
- Stützstellen: {\displaystyle x_{0},\ldots ,x_{n}\in [a,b]}
- Polynominterpolation#Lebesgue_Konstante: {\displaystyle \Lambda _{n}}
- Interpolationspolynom: {\displaystyle P\in P_{n}} mit {\displaystyle P(x_{i})=f(x_{i})}
- Bestapproximation: {\displaystyle Q\in P_{n}} mit {\displaystyle \|f-Q\|_{\max }=\min _{R\in P_{n}}\|f-R\|_{\max }}.
Dann gilt für die folgende Abschätzung
- {\displaystyle \|f-P\|_{\max }=(1+\Lambda _{n})\|f-Q\|_{\max },円.}
Verallgemeinerung
Bisher wurden die Stützstellen {\displaystyle x_{i}} des Interpolationspolynoms {\displaystyle P} als paarweise verschieden angenommen. Bei der Hermiteinterpolation ist das nicht der Fall. An mehrfach vorkommenden Stützstellen werden dabei nicht nur die Funktionswerte, sondern auch die Werte der Ableitungen des Interpolationspolynoms vorgegeben.
Lebesgue Konstante
Sei der Operator, der einer Funktion {\displaystyle f} sein Interpolationspolynom {\displaystyle P(f)} zuordnet, definiert durch
- {\displaystyle \phi _{n}\colon C([a,b])\rightarrow P_{n},,円\ f\mapsto P(f)=\sum _{i=0}^{n}f(x_{i})l_{i},,円}
wobei {\displaystyle l_{i}} das {\displaystyle i}-te Lagrange-Polynom ist.
Als Lebesgue Konstante {\displaystyle \Lambda _{n}} wird die Operatornorm von {\displaystyle \phi _{n}} bezeichnet. Dafür wird eine Norm benötigt und oft wird hier auf die Maximumsnorm {\displaystyle \|\cdot \|_{\max }} zugegriffen
- {\displaystyle \Lambda _{n}:=\|\phi _{n}\|_{\max },円.}
Die Norm kann explizit evaluiert werden
- {\displaystyle \Lambda _{n}=\max _{x\in [a,b]}\sum _{i=0}^{n}|L_{i}(x)|,円.}
Literatur
- Hans R. Schwarz, Norbert Köckler: Numerische Mathematik. 5. Aufl. Teubner, Stuttgart 2004, ISBN 3-519-42960-8
- Stoer, Bulirsch: Numerische Mathematik 1. 10. Auflage. Springer Verlag, Berlin, Heidelberg, New York 2007, ISBN 978-3-540-45389-5, 2.1 Interpolation durch Polynome, S. 39–57 (Behandelt die Verfahren nach Lagrange, Neville-Aitken und Newton, Hermite-Interpolation und Fehlerabschätzung jeweils mit Beispielen und Beweisen.).
- Press, Teukolsky, Vetterling, Flannery: Numerical Recipes. The Art of Scientific Computing. 3. Auflage. Cambridge University Press, Cambridge 2007, ISBN 978-0-521-88407-5, 3.2 Polynomial Interpolation and Extrapolation, S. 118–120 (Neville-Aitken-Algorithmus mit C++-Implementation).
- Carl Runge: Über empirische Funktionen und die Interpolation zwischen äquidistanten Ordinaten. In: Zeitschrift für Mathematik und Physik. Band 46. B. G. Teubner, Leipzig 1901, S. 224–243 (univ-lille1.fr – Runge-Phänomen).
Weblinks
Fehler bei Vorlage * Parametername unbekannt (Vorlage:Wikibooks): "3"
- Seite zu Newton, Lagrange und Cubic Spline mit Java-Applet
- Erläuterungen und Beispiel zur Lagrange-Interpolation
Einzelnachweise
- ↑ Martin J. Marsden: An Identity for Spline Functions with Applications to Variation-Diminishing Spline Approximation. Journal of Approximation Theory 3, 7-49 (1970).
- ↑ Jochen Werner: Numerische Mathematik. 1. Auflage. Vieweg Studium, Nr.32, Vieweg Verlagsgesellschaft, 1992, ISBN 3-528-07232-6, 10.4.
- Auch hier (4.1.3.; PDF-Datei; 11,68 MB)
- ↑ Andrei Nikolajewitsch Kolmogorow, et al.: Mathematics of the 19th Century. 1. Auflage. Birkhäuser, 1998, ISBN 3-7643-5845-9, Kap. 4.
- Auch hier (Google Books)