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Börsenschwindel - Börs

Bild 3.240: Börsenschwindel - Börsensteuer
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Börsensteuer

1'641 Wörter, 11'942 Zeichen

Im Meyers Konversations-Lexikon, 1888


Titel

Börsensteuer

nennt man die auf den Umsatz börsengängiger Wertpapiere gelegte Verkehrssteuer, welche teils bei der Ausgabe solcher Papiere und zwar dann meist in Prozenten vom Nennwert, teils von jedem weitern an diese Papiere sich anknüpfenden Geschäft und zwar hier in der Regel in festen, seltener in abgestuften Sätzen erhoben wird. Als Erhebungsform dient die Stempelung, meist die Stempelmarke, welche der Pflichtige bei Meidung von Strafen aufzukleben und zu kassieren hat.

Die Einhebung der Übertragungsabgabe kann auch in der Art erfolgen, daß die emittierende Gesellschaft ein jährliches Abonnement von einem bestimmten Prozentsatz entrichtet. Die Börsensteuer findet ihre besondere Rechtfertigung darin, daß bereits der Immobiliarverkehr durch Steuern getroffen wird, demgemäß die Steuerfreiheit der Übertragungen von mobilen Kapitalobjekten an und für sich einer Privilegierung gleichkäme. Man hat in ihr auch ein Mittel erblickt, um die Auswüchse der Börse, die ungesunde Börsenspekulation zu beseitigen oder zu mindern.

Doch ist die Besteuerung hierfür unzureichend, da dieselbe den volkswirtschaftlich berechtigten und wohlthätigen Börsenverkehr verhältnismäßig mehr trifft als das unsolide Spiel, welches mehr zur Umgehung, Hinterziehung und Abwälzung geneigt und befähigt ist. Überdies darf die Börsensteuer nicht zu hoch bemessen werden, wenn sie nicht den der Volkswirtschaft heute unentbehrlichen Effektenmarkt unmöglich machen soll. Denn die Wertpapiere werden weit häufiger als Immobilien umgesetzt und dienen darum auch seltener als letztere für Zwecke einer dauernden Kapitalanlage.

England erhebt eine Börsensteuer bei der Ausgabe von Aktien (11⁄2 Proz. des Nennwerts bei inländischen Inhaberaktien, 1 Penny von andern) und Obligationen (1/8 Proz.), letztere Summe auch bei der Einführung fremder Papiere. Bei der Übertragung von auf Namen lautenden Papieren sind Sätze von 1/8 bis 1⁄2 Proz. zu entrichten, während die Übertragung von Inhaberpapieren frei ist. Frankreich erhebt bei der Emission inländischer und bei Einführung fremder Aktien und Obligationen 1 Proz. (bez. von inländischen Papieren ein jährliches Abonnement von 0,5 pro Mille), außerdem eine bei jeder Übertragung erhobene Übertragungsabgabe von 1⁄2 Proz. bei inländischen, auf Namen lautenden Papieren und eine solche von 1/5 Proz., welche in einem jährlichen Abonnement zu entrichten ist, von Inhaberpapieren und fremden Effekten. Staatspapiere sind von dieser Übertragungssteuer frei. Im Deutschen Reich wurde durch Gesetz vom über die Reichsstempelabgaben eine Börsensteuer eingeführt. Dieselbe trifft

1) die Ausgabe von inländischen, die Einführung von fremden Aktien mit einer einmaligen Stempelsteuer von 1⁄2 Proz. Die Stempelpflicht tritt überhaupt bei Verwendung zu Zahlung oder bei einem sonstigen Besitzwechsel unter Lebenden ein. Von Obligationen, Renten und Schuldverschreibungen ist 1/5 Proz. zu entrichten. Sind dieselben von Gemeinden, Grundkreditgesellschaften, Hypothekenbanken, Transportgesellschaften ausgegeben, so tritt eine Ermäßigung auf 1/10 Proz. ein. Renten und Schuldverschreibungen des Reichs und der Gliederstaaten sind steuerfrei.

2) Lotterielose werden mit einer Steuer von 5 Proz. getroffen; die für mildthätige Zwecke genehmigten Ausspielungen und Lotterien sind dagegen steuerfrei.

3) Schlußnoten und Rechnungen über abgeschlossene Börsengeschäfte, überhaupt über Kauf- und sonstige Anschaffungsgeschäfte über Waren, welche börsenmäßig gehandelt werden, waren in dem Reichsgesetz vom mit einem Fixstempel von 20 Pf . belegt worden, der sich für Zeitgeschäfte auf 1 Mk. erhöhte.



Borsig - Borstell

Bild 3.241: Borsig - Borstell
* 2 Seite 3.241.

Seitdem hat jedoch eine lebhafte Agitation für eine prozentuale Börsensteuer stattgefunden, und 1885 fand ein Antrag des konservativen Abgeordneten v. Wedell-Malchow die Zustimmung des Reichstags und des Bundesrats, wodurch statt jenes Fixstempels ein Prozentstempel von 1/10 vom Tausend eingeführt ward, insofern es sich um Kauf- und sonstige Anschaffungsgeschäfte über ausländisches Papiergeld und ausländische Geldsorten oder um Wertpapiere handelt. Bei Kauf- und Anschaffungsgeschäften, welche unter Zugrundelegung von Usancen einer Börse geschlossen werden (Loko-, Zeit-, Fix-, Termin-,

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Prämien- etc. Geschäfte) über Mengen von Waren, die börsenmäßig gehandelt werden, sind 2/10 pro Mille zu entrichten. Dagegen sind Geschäfte über im Inland von einem der Kontrahenten erzeugte oder hergestellte Mengen von Sachen oder Waren steuerfrei. Befreit von der Abgabe sind ferner auch diejenigen Geschäfte, deren Gegenstand nicht mehr als 600 Mk. beträgt, sowie gewisse Kontantgeschäfte. Gleichzeitig hat die Novelle vom für die abgabepflichtigen Geschäfte den Schlußnotenzwang eingeführt.

Im Brockhaus` Konversationslexikon, 1902-1910



Börsensteuer,

nach der üblichsten Erhebungsform auch als Stempelsteuer bezeichnet, gehört zu den Verkehrssteuern (s. d.) und bezweckt, den Umsatz in börsengängigen Wertgegenständen zu besteuern. Die Börsensteuer findet ihre Berechtigung in der Notwendigkeit, die ihren Zweck nur unvollkommen erreichenden Ertragssteuern (s. d.) zu ergänzen, diejenigen Erträge zu besteuern, die nicht durch den berufsmäßigen Erwerb, sondern nur durch vereinzelte Erwerbsakte erzielt werden, und endlich den Erwerb durch Anfall und Wertzuwachs (Erbschaften, Konjunkturengewinne) zu treffen. Im besondern rechtfertigt sich die Börsensteuer dadurch, daß der Verkehr in Wertpapieren nicht günstiger gestellt sein soll als die sonstigen durch Stempel u. s. w. belasteten Erwerbsakte.

Das Objekt der Börsensteuer ist das einzelne Geschäft, oder richtiger sein Ertrag. Da dieser aber schwierig zu ermitteln ist, so muß man sich damit begnügen, die Größe des umgesetzten Wertes zum Steuerobjekt zu machen und einen mit der Größe dieses Wertes wechselnden Betrag zu erheben (prozentuale Börsensteuer). Diese Steuer darf mit Rücksicht auf den häufigen Umsatz der Wertpapiere und die wirtschaftlich notwendige Bereitstellung eines großen Wertpapiermarkts nicht so hoch sein wie die beim Besitzwechsel von Grundstücken erhobene.

Die Börsensteuer kann sich an den Abschluß des Geschäfts anknüpfen, wobei zur bessern Kontrolle ein Schlußnotenzwang oder die Einregistrierung der Geschäftsabschlüsse in ein von der Steuerbehörde oder von dem einzelnen Geschäftsmann zu führendes Register nötig wird. Sie kann sich aber auch an die Übergabe der Wertobjekte heften; hierbei ist die Vereinigung der zu regulierenden Geschäfte in bestimmten Liquidationskassen (s. d.) oder (bei Cassageschäften) in Abrechnungsstellen für die Kontrolle von erheblicher Bedeutung. Zur Börsensteuer wird meist auch die Emissionssteuer (bei der ersten Ausgabe von Aktien und Obligationen) gerechnet.

Geschichtskarten von D

Bild 4.772a: Geschichtskarten von Deutschland V
* 3 Deutschland.

In Deutschland [* 3] waren bis 1881 die Börsengeschäfte nicht besteuert. Das Gesetz vom führte, außer einem Stempel auf Lotterielose (5 Proz.), einen Emissionsstempel von 5 vom Tausend für in- und ausländische Aktien, 2 vom Tausend für in- und ausländische Renten- und Schuldverschreibungen und 1 vom Tausend für die mit staatlicher Genehmigung von Kommunalverbänden u. s. w. ausgegebenen inländischen Renten und Schuldverschreibungen ein. Die eigentlichen Börsengeschäfte (in Waren und Wertpapieren) wurden, sofern Schlußnoten und Rechnungen darüber ausgestellt wurden, mit einem Fixstempel belegt, nämlich 20 Pfg. für Schlußnoten über den Abschluß von Cassageschäften, für Rechnungen, Kontokorrente u. s. w. und 1 M. für Schlußnoten über Zeitgeschäfte.

Kraft [unkorrigiert]

Bild 60.671: Kraft [unkorrigiert]
* 4 Kraft.

Die eigentliche Besteuerung der Börsengeschäfte wurde durch das Gesetz vom wesentlich umgestaltet, indem an die Stelle des Fixstempels ein Wertstempel (1/10 vom Tausend bei Effektengeschäften, 2/10 vom Tausend bei Warenumsätzen) gesetzt wurde. Das Gesetz vom das in Kraft [* 4] trat, setzt den Emissionsstempel für inländische Aktien auf 1 Proz., für ausländische Aktien auf 11⁄2 Proz., für inländische Obligationen auf 0,4 Proz., für ausländische auf 0,6 Proz. des Nennwertes fest.

Für Kommunal- und Grundkreditobligationen beträgt der Emissionsstempel nur 0,1, bez . 0,2 Proz. Obligationen des Deutschen Reichs und der Einzelstaaten sowie Aktien von inländischen gemeinnützigen Unternehmungen sind stempelfrei. Der Kaufstempel auf Schlußnoten ist verdoppelt, d. h. er beträgt bei Effektengeschäften 2/10, bei Warengeschäften 4/10 vom Tausend für jede volle oder angefangene 1000 M. des Kaufpreises. Geschäfte über nicht mehr als 600 M. bleiben steuerfrei.

Für Arbitragegeschäfte wird unter bestimmten Voraussetzungen eine Ermäßigung des Stempels zugestanden. Bei Lotterielosen ist der Stempel von 5 aus 10 Proz. erhöht. Die zur Anschreibung gelangten Einnahmen aus der Börsensteuer im Deutschen Reich betrugen 1893/94 21 667 028 M. (395 727 M. weniger als 1892/93) auf Wertpapiere 4 166 208 M. (+515 290 M.), auf Kauf- und sonstige Anschaffungsgeschäfte 8 164 790 (-1 155 477 M.), auf Lose zu Privatlotterien 1 479 417 M. (-296 090 M.) und auf Staatslotterien 7 856 613 M. (+540 550 M.).

Oesterreich ob der Enn

Bild 12.481a: Oesterreich ob der Enns
* 5 Österreich.

In Österreich [* 5] unterliegen die Schlußzettel der Sensale einem festen Stempel von 5 Kr., Auszüge aus den Tagebüchern der Sensale einem festen Stempel von 50 Kr., Urkunden über Lombarddarlehen einem solchen von 10 Kr. (Gesetz vom Durch Gesetz vom ist noch eine besondere Effektenumsatzsteuer für alle ursprünglichen und Prolongationsgeschäfte über Effekten eingeführt worden. Sie beträgt in der Regel 10 Kr. für jeden «einfachen Schluß»; als solcher gilt ein Nominalbetrag bis zu 5000 Fl . Werden solche Geschäfte durch Sensale abgeschlossen, so fällt der feste Stempel von 5 Kr. für jeden Schlußzettel nicht fort.

England belastet die Schlußzettel mit einem festen Stempel von 1 Penny. Für Kapitalsübertragungen, über welche förmliche Urkunden ausgestellt werden, ist ein Wertstempel von 21⁄2 Sh. für je 100 Pfd. St. zu zahlen. Der Bruttoertrag der Quittungssteuer war 1892: 1 142 762 Pfd. St., der des Urkundenstempels 2,4 Mill. Pfd. St.

Frankreich erhebt zunächst eine Emissionssteuer, die für inländische Wertpapiere (einschließlich Zuschlagskautionen) 1,20 Frs. vom Hundert, für ausländische bis zu 500 Frs. Nennbetrag 0,75 Frs. und über 500 Frs. für jedes weitere Tausend oder Bruchteile davon 1,50 Frs. beträgt. Außerdem besteht eine Steuer für die Besitzübertragung (droit de transmission), von der Staatspapiere ausgenommen sind. Endlich ist für die Schlußnoten der Börsenmakler ein Stempel zu entrichten, der für Geschäfte bis zu 10000 Frs. 0,50 Frs. und für die übrigen 1,50 Frs. beträgt.

Der Gesamtertrag dieser drei Steuern war 1891: 65,43 Mill. Frs., wovon auf die Emissionssteuer 22,77, auf die Umsatzsteuer 41,93 und auf den Schlußnotenstempel 0,73 Mill. Frs. entfallen. Seit ist jede Börsenoperation, die den An- oder Verkauf von Werten jeder Art zum Gegenstand hat, einem Stempel von 5 Cent . für je 1000 Frs. des Betrags unterworfen. Die gewerbsmäßigen Vermittler solcher Geschäfte müssen jede Operation in ein vom Präsidenten oder einem Richter des Handelsgerichts zu visierendes Verzeichnis eintragen und dies auf Verlangen vorlegen.



Börsenverein der Deuts

Bild 53.331: Börsenverein der Deutschen Buchhändler zu Leipzig
* 7 Seite 53.331.

Italien [* 6] hat eine Umsatzsteuer ähnlich dem franz. Abonnement, die 1,20 Lire für je 1000 Lire des

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emit-329 tierten, nach dem durchschnittlichen Kurswert des vorangegangenen Jahres zu berechnenden Kapitals ausmacht. Bei ausländischen Gesellschaften wird nur der für Geschäfte in Italien bestimmte Teil des Kapitals in Ansatz gebracht. Ferner wird von den Vorschußgeschäften der Sparkassen und ähnlicher Anstalten eine halbjährige Steuer von 1,20 Lire vom Tausend erhoben. Die Schlußzettel über Effekten- und über die an der Börse abgeschlossenen Warenumsätze haben einen festen Stempel zu zahlen, der bei Cassageschäften 50 Cent ., bei Zeitgeschäften 2 Lire beträgt. Der Gesamtertrag dieser Steuer war durchschnittlich 1877-85 3,5, 1888-89 7,1 Mill. Lire.

Quelle: Meyers Konversations-Lexikon, 1888; Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892; 3. Band, Seite 240 im Internet seit 2005; Text geprüft am 30.3.2007; publiziert von Peter Hug; Abruf am 30.3.2025 mit URL:

https://elexikon.ch//boersensteuer

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